
BMW M3 im Test Das muss schneller gehen
Der erste Eindruck: Der kann vor Kraft kaum rollen. Breit, geduckt, die Frontpartie von Lufteinlässen zerklüftet und die Motorhaube von einer Beule, dem "Powerdome", gekrönt, so steht der im Farbton "Yas-Marina-Blau" lackierte Viertürer auf dem Parkplatz. Wäre der M3 ein Kerl, hätte man Angst, dass ihm gleich die Knöpfe vom Hemd platzen.
Das sagt der Hersteller: "Der neue M3 wird in weniger als acht Minuten um die Nordschleife kommen", prophezeit Florian Staiger, der Projektingenieur des Autos, das mit einem 431 PS starken Drei-Liter-Sechszylinder bestückt ist. Das Vorgängermodell mit Vier-Liter-Achtzylindermotor und 420 PS, brauchte dafür 8:05 Minuten.
Die exakte Rundenzeit des Neuen verschweigen die BMW-Leute noch. Entwicklungsvorstand Herbert Diess betont allerdings, dass "die Rennstreckentauglichkeit das wichtigste Entwicklungsziel" gewesen sei. Und eilig ergänzt er: "Zweites zentrales Entwicklungsziel war die hohe Alltagstauglichkeit. Denn die Autos werden ja doch zu 95 Prozent im Straßenverkehr bewegt, und da dürfen sie nicht stören." Wer wollte da widersprechen?
Das ist uns aufgefallen: Der von BMW angestrebte Spagat funktioniert. Zur Fahrpräsentation gehörten auch einige Runden auf der Rennstrecke, und dort deutete das Auto selbst in Händen eines Laien überzeugend an, wozu es fähig ist. Wechselt man in den "Sport Plus"-Modus (Motorsteuerung, Lenkung und Fahrwerk sind dann maximal aggressiv eingestellt), braucht es höchste Aufmerksamkeit, um nicht vor lauter Übermut ins Kiesbett zu kreiseln. In diesem Wagen spürt man, was möglich ist, wenn das Korsett der Großserie, in dem Ingenieure normalerweise arbeiten, mal ein bisschen gelockert wird.
Alltagstauglich, dass bedeutet beim M3 vor allem, dass wegen der vier Türen auch die Fondpassagiere bequem ein- und aussteigen können. Und dass dank eines Kofferraumvolumens von 480 Liter sowie umklappbaren Fond-Rücksitzlehnen auch größeres Frachtgut zügig bewegt werden kann.
Grundsätzlich jedoch bleibt der M3 ein Extremsportwagen in Limousinengestalt. Auch im "Comfort"-Modus spüren die Insassen jede Asphaltnaht, die Fahrgeräusche - jedenfalls mit den 19-Zoll-Rädern des Testautos - sind sehr präsent, und auch aus der Auspuffanlage mit vier Endrohren dringt selbstbewusstes Geboller. Kurz: Wer Auto und Autofahren nicht ausgesprochen ernst nimmt, wird mit dem M3 wohl kaum glücklich.
Das muss man wissen: Die neue, fünfte Generation des M3 und das technisch identische M4 Coupé kommen ab 21. Juni zu den BMW-Händlern; das M4 Cabriolet folgt im September. Der Einstiegspreis für die Limousine liegt bei 71.500 Euro, der für das Coupé bei 72.200 Euro. Wer die Autos mit Siebengang-Doppelkupplungs- statt mit Sechsgang-Schaltgetriebe bestellt, muss je 3900 Euro Aufpreis kalkulieren.
Mit den neuen M-Modellen beginnt auch in dieser Klasse ein relatives Downsizing. Der neue Motor ist ein Reihensechszylinder mit drei Liter Hubraum und Biturbo-Aufladung. Im Vergleich zum Achtzylinder des Vorgängers steigt die Leistung um 11 auf 431 PS, das maximale Drehmoment liegt nun bei 550 Nm. Der Durchschnittsverbrauch hingegen wurde um mehr als ein Viertel gesenkt, auf nun 8,3 Liter, was einem CO2-Ausstoß von 194 Gramm je Kilometer entspricht. Logisch, dass dies gerade bei einem Wagen dieses Kalibers lediglich theoretische Größen sind.
Zu den technischen Novitäten der neuen M-Modelle gehört die erstmals aus Karbon gefertigte Gelenkwelle vom Getriebe zur Hinterachse, das ebenfalls aus Karbon gefertigte Dach für beide Karosserievarianten und die aus einem Karbon-Kunststoff-Mix hergestellte Heckklappe des Coupés. Diese und etliche weitere Leichtbau-Tricks senken das Gewicht im Vergleich zum Vorgängermodell um rund 80 Kilogramm, so dass die Autos nun fahrbereit mit rund eineinhalb Tonnen antreten.
Erstmals zum Einsatz kommt beim M4 Coupé auch ein Dachspriegel, also die Querstrebe oberhalb der Vordersitzlehnen, aus einem Karbon-Kunststoff-Stahl-Hybridwerkstoff, der die Karosserie zusätzlich versteift.
Falls der neuartige Materialverbund im Alltagseinsatz keine Probleme bereitet, soll die Verwendung derartiger Misch-Komponenten ausgebaut werden. Auch die Leichtbau-Gelenkwelle aus Karbon könnte, deuten die BMW-Ingenieure an, alsbald in die Großserie übernommen werden. Es wäre nicht der erste Techniktransfer von einem M-Modell in die normalen BMW-Modellreihen; auch die variable Nockenwellensteuerung, verbesserte Stabilisatoren-Anbindungen oder das sogenannte Schubfeld, ein Alublech zur Versteifung des Vorderwagens, gelangten von M-Autos in die Großserie.
Das werden wir nicht vergessen: Die beiden forcierten Durchfahrten durch die enge, abfallende Rechtskurve auf dem Autódromo Algarve, bei denen der M3 geradezu elegant übersteuerte und sich butterweich wieder einfangen ließ. Für einen Augenblick wähnt man sich als Könner, und im gleichen Moment fällt einem ein, dass so ein Auftritt zu 99 Prozent dem Auto gehört.