British Motor Show Im Heimatland des heißen Hobels

Von wegen Sommerpause: Weil die Autohersteller der Flut ihrer Modell- und Motorvarianten kaum mehr Herr werden, wird der Messekalender immer voller. Selbst auf der kleinen Motorshow in London gibt es mehrere Weltpremieren. SPIEGEL ONLINE hat sich an der Themse umgesehen.

Gut 45 Meter über den 300 geladenen Gästen am Ufer der Themse hängt ein zylinderförmiges Ufo. Nachdem sich ein paar knapp bekleidete Musikerinnen bemüht haben, die nötige Aufmerksamkeit zu generieren, öffnet sich die Klappe, und nach dem Motto "alles Gute kommt von oben", schwebt der neue Opel Insignia hernieder.

Nicht nur dank dieser Präsentation wirkt der Wagen wie ein Gruß aus einer anderen Welt. Auch in Sachen Design ist er Lichtjahre entfernt von seinem verstaubten Vorgängermodell Vectra, das sich zuletzt nur noch mühsam gegen Mondeo und Passat behaupten konnte. Ihren Hoffnungsträger haben die Rüsselsheimer mit beachtlich viel technischem Schnickschnack vollgestopft: Der Insignia hat eine automatische Verkehrszeichenerkennung wie der BMW 7er. Und auch beheiztes Wischwasser hat es bis dato noch nicht gegeben.

Natürlich kommt das Auto aus Hessen und ist damit etwa so englisch wie Sauerkraut. Doch weil es den Opel eigens für die Briten auch als Vauxhall gibt, feiern sie den Wagen als einen der ihren. Entsprechend groß ist der Applaus an der Themse und entsprechend viele Gäste stehen auf dem Messestand um die nicht weniger als 20 Insignia, die Opel über den Ärmelkanal gekarrt hat.

Auch Lotus hat eine Weltpremiere zu bieten

Mehr Beachtung als der Insignia findet in London nur der Lotus Evora. Nachdem der Wagen schon seit Monaten als "Project Eagle" durch die Szene geistert, hat das Unternehmen nun endlich das Tuch vom ersten neuen Modell seit mehr als zehn Jahren gezogen, das die Briten ab dem nächsten Frühjahr aus der Nische führen soll. Denn auch wenn Elise und Exige viel Achtung genießen, sind die beiden Zweisitzer alles andere als Alltagstauglich. Der Evora dagegen hat nicht nur zwei Notsitze im Fond, sondern auch Annehmlichkeiten wie eine Klimaanlage, ein Navigationssystem und sogar zwei Becherhalter.

Eine Art Heimspiel feiern auch die vielen anderen Ausländer in London. So gilt zum Beispiel Ford im Königreich noch immer als englische Marke und landet mit der Premiere der jetzt nun wirklichen, endgültigen, tatsächlichen und wahrhaftigen Serienfassung des Fiesta einen Achtungserfolg – zumal es den Wagen nun auch als Sportler und als Sparer mit 3,7 Litern Verbrauch gibt.

Und auch Nissan und Honda werden mit ihren großen Werken auf der Insel vom Volksmund kurzerhand eingemeindet. Während große Marken wie VW, Audi, BMW, Porsche oder Fiat nicht einmal einen Stand gebucht haben, ist den Japaner die kleine Messe sogar eine Weltpremieren wert: Nissan zeigt zum ersten Mal vor großem Publikum den gestreckten Nissan Qashqai+2 mit sieben Sitzen.

Land Rover plant für die Zukunft

Dass es auch anders gehen kann, zeigt Land Rover mit dem Entwurf für einen Hybridantrieb, der Geländewagen bis zu 30 Prozent sparsamer machen gleichzeitig abseits der Straßen noch ein Stückchen weiter bringen soll. Während dieses Konzept allerdings noch Zukunftsmusik ist, sind ein paar andere Ökoautos bereits in der Gegenwart angekommen: Die Elektrofahrzeuge. Weil der gemeine Londoner wechselweise unter dem Verkehrsinfarkt oder den acht Pfund City-Maut stöhnt, stehen Stromer in der britischen Hauptstadt höher im Kurs als sonst wo in Europa.

Dabei ist das Spektrum breit gefächert: Es reicht vom umgerüsteten Kleinwagen aus China für nicht einmal 12.000 Euro über elektrifizierte Kultfahrzeuge wie den Smart oder den Fiat 500 und Großraumlimousinen wie den Peugeot Expert bis hin zu Sportlern wie dem Lightning GT oder dem Tesla Roadster, der in London sein Europadebüt feiert. Für Preise knapp unter 120. 000 Euro soll er nach den USA im Mai nächsten Jahres auch unseren Kontinent erobern.

Heimatland des Hot Hatch

Bei allem Wehklagen über den Benzinpreis und allen Sorgen um das Weltklima lassen sich die Briten den Spaß am Autofahren nicht verderben. Nicht umsonst schwärmen sie mehr als die meisten Kontinentaleuropäer für den heiß gemachten Kompaktwagen, den so genannten hot hatch. Dieser Passion können sie auf der Messe fröhlich fröhnen. Schließlich steht bei Ford der neue Focus RS, bei dem das einzige grüne der grelle Metallic-Lack ist.

Immerhin lässt er als stärkster Spieler im Golf-Segment muntere 300 Pferde traben. Und einen Stand weiter dreht sich bei Renault der Mégane R26R, mit dem die Franzosen kurz vor dem Generationswechsel noch einmal die Muskeln spielen lassen. Zwar hat es den Kompakten auch bislang schon als Sportler mit 230 PS gegeben, doch weil nun lästige Extras wie Rückbank und Klimaanlage herausgerissen wurden, bringt der Dreitürer nun 123 Kilo weniger auf die Waage. Statt 6,5 braucht er für den Standardsprint nur noch 6,0 Sekunden.

Wer es auch eine Klasse darunter brennen lassen möchte, kann sich an einem Peugeot 207 mit Lambo-Türen und dem zum Flügelmonster aufgerüsteten Toyota Aygo Crazy ergötzen. Und wenn es etwas stilvoller sein soll, gibt es den neuen Alfa MiTo. Der steht zwar in Italien schon beim Händler. Doch weil er noch auf keiner Messe zu sehen war, feiert London auch ihn als Weltpremiere.

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