
Caravan-Salon in Düsseldorf Stellplatz der Eitelkeiten
Camping, da denkt man spontan an Zweimannzelt und Schlafsack, Gaskocher und Plastikbesteck. Das klingt romantisch, abenteuerlich - und auch ein bisschen unbequem. Aber vor allem hat es nichts mit der Realität zu tun. Die ist auf dem Caravan-Salon in Düsseldorf (30. August bis 7. September) zu besichtigen, der weltweit größten Messe der Campingbranche. Rund 1900 Freitzeitfahrzeuge werden dort präsentiert, und schon allein die schiere Masse zeigt: Das Angebot an Wohnwagen und Reisemobilen wird immer spezieller und vielfältiger. Auch, weil die Branche Wachstumschancen wittert.
Von den insgesamt 71 Millionen Urlaubsreisen der Deutschen mit fünf oder mehr Tagen Dauer, die das Institut für Tourismus- und Bäderforschung in Nordeuropa (NIT) für das vergangene Jahr ermittelte, waren lediglich 1,6 Millionen Wohnwagen- und 1,2 Millionen Wohnmobilreisen - insgesamt also gerade mal vier Prozent. Seit rund 20 Jahren hält sich die Zahl der Caravan- und Reisemobilurlaube auf diesem Niveau. Zugleich ermittelte das NIT, dass rund zehn Millionen Menschen in Deutschland "Interesse" an einem Urlaub mit Wohnwagen oder Reisemobil haben. Fazit der Forscher: "Das Potenzial ist groß."
Die Hersteller von Freizeitmobilen aller Art würden es natürlich gerne ausschöpfen. Und die Zeit dafür scheint günstig zu sein.
"Naturverbundenheit beim Caravaning ist ein Mythos"
"In Krisenzeiten, wenn das allgemeine Gefühl der Unsicherheit steigt, nimmt die Zahl der Campingurlauber meist zu", sagt der Psychologe Jürgen Kagelmann, Dozent für Tourismuswissenschaft an der Universität München. "Denn das wichtigste Motiv beim Camping ist Sicherheit. Man hat ja stets seine vertraute Umgebung, sein Bett, seine Küche dabei."
Die oft gepriesene Naturverbundenheit des Caravanings hält Kagelmann für einen Mythos. Auf akkurat parzellierten Campingplätzen sei von Natur nicht mehr viel übrig, sagt er. Es gehe eher um das für Campingurlaube typische "Draußensein", das wiederum dem Sicherheitsbedürfnis entgegen komme. "Da schwingt die Idee von einem 'zurück zur Natur' mit. Man sucht Erholung unter seinesgleichen, in vertrauter Atmosphäre." Man könne das Vergleichen mit dem zunehmenden Interesse an der Alternativmedizin. "Insofern ist Camping durchaus auch ein unbewusster Gegenentwurf zu einer komplexen, unübersichtlichen Alltagswelt."
Mit dem Ideal des schlichten und einfachen Lebens habe das heutige Verhalten von Wohnwagenurlaubern oder Wohnmobilisten jedoch nichts mehr zu tun. "Da gibt es keinen Verzicht mehr, diese Fahrzeuge haben alles an Bord, bis hin zur Satellitenschüssel. Das aus den USA kommende Glamping, also glamouröses Luxuscamping, wird auch bei uns immer populärer", sagt Kagelmann.
Die drei großen Trends auf dem Caravan-Salon 2014
Auf dem Caravan-Salon gibt es zuhauf Beispiele für Glamping. Von Kinderstockbetten über indirekte und farblich variierbare LED-Beleuchtung bis hin zu üppig ausgestatteten Küchenzeilen, Badezellen oder Luftfederfahrwerken mit Niveauregulierung für ein bequemeres Ein- und Aussteigen auf dem Campingplatz. Vor allem drei große Trends lassen sich in diesem Jahr ausmachen:
- Leichtbau: Immer mehr Wohnwagen und Wohnmobile fertigen ihre Aufbauten und Interieurs aus Glasfaser-Verbundwerkstoffen, nutzen rahmenlose Fenster und Türen oder fertigen komplett holzfreie Fahrzeuge. Die Wohnwagen-Studie Travelino von Knaus beispielsweise wiegt weniger als 650 Kilogramm und könnte schon von Kleinwagen mit einer Anhängelast von 750 Kilogramm ins Schlepp genommen werden.
- Vernetzung: Wie im Automobilbau nimmt auch bei den Reisefahrzeugen die Vernetzung zu. Ein Beispiel ist die Bordtechnik des Wohnwagenbauers Hobby. Bis zu 15 Funktionen und Geräte - von der Klimaanlage über die Beleuchtung bis zur Heizung - lassen sich zentral steuern, oder mittels eines W-Lan-Moduls per Smartphone oder Tabletcomputer bedienen.
- Variantenvielfalt: Mehr Grundrisse, eine größere Auswahl an Polstern und Vorhängen, Teppichen und Paneelen sowie eine fast unüberschaubare Zahl an Extras. Die Reisemobilhersteller bieten inzwischen für fast jede Vorliebe das passende Modell. Bis hin zum Superluxus-18-Tonner-Wohnmobil von Variomobil mit Fußbodenheizung, Geschirrspülmaschine und integrierter Autogarage mit elektrisch ausfahrbarer Parkplattform für 892.860 Euro.
Mit Camping in Wandervogel-Manier hat das alles natürlich nichts mehr zu tun. Doch auch auf dem diesjährigen Caravan-Salon dürfte deutlich werden, dass selbst die Hersteller der mondänsten Fahrzeuge noch immer das Klischee vom ursprünglichen, naturverbundenen Urlaubserlebnis bemühen - und bestens damit fahren.
Aktueller Campingalltag lässt sich in Düsseldorf übrigens auch studieren: Auf dem Großparkplatz nördlich des Messegeländes übernachten während des Salons dem Veranstalter zufolge rund 60.000 Besucher im eigenen Caravan oder Reisemobil - mehr als 3500 Stellplätze sind eingerichtet.