Chevrolet Volt Einmal auftanken für nur zwei Euro
General Motors ist in Feierlaune. Zwar schmeckt angesichts maroder Bilanzen und trüber Absatzzahlen der Geburtstags-Champagner etwas schal, doch 100 Jahre wird man nicht alle Tage. Deshalb hat der allenfalls noch mit hauchdünnem Vorsprung größte Autohersteller der Welt (vor Toyota) am Dienstag rund um den Globus gejubelt, geprostet und große Reden geschwungen. Stets ging es um die glorreiche Vergangenheit und die Chancen für eine bessere Zukunft - ohne Energiekrise, Klimasorgen und Absatzflaute.
Die Hoffnungen trägt ein einziges Auto, das die GM-Manager zum Heilsbringer für den Konzern hochstilisieren: der Chevrolet Volt. Der schnittige Viersitzer soll ab 2010 erst in den USA und dann ab 2011 mit Opel-Logo als erstes alltags- und massentaugliches Elektroauto auf den Markt kommen. Der Wagen gilt als wichtiger Schritt hin zur Unabhängigkeit von fossilen Energiereserven. "Dieses Auto schenken wir uns selbst zum 100. Geburtstag", sagte GM-Europachef Carl-Peter Forster, "und ob es auch die Welt als Geschenk empfinden wird, werden wir vielleicht später einmal sehen."
Auf den ersten Blick ist der Volt unspektakulär. Das in Rüsselsheim enthüllte Serienmodell sieht aus wie eine viertürige Mischung aus Coupé und Stufenheck im Format des Opel Astra. Erst wenn man näher ans Auto herantritt, fällt auf, wie glatt und windschlüpfig der Volt geworden ist. Keine Kante soll die Strömung stören, nicht der kleinste Falz dem Wind einen Widerstand liefern. "Kein anderes Auto in der GM-Geschichte war so lange im Windkanal wie der Volt", sagt Entwickler Andrew Farah.
Im Innenraum wurde jedes Teil neu entwickelt, Designer Phillip Zak überwachte die Formgebung. Der Stromer verfügt über ein futuristisches Cockpit mit Farbmonitor statt Rundinstrumenten und eine weiße Mittelkonsole mit berühungsemfindlichen Oberflächen statt konventioneller Schalter. Wo früher der Schaltknüppel war, gibt es jetzt einen Schubregler wie im Flugzeug, und das Zündschloss weicht einem On-Off-Schalter wie beim Computer. Nur Pedale und Lenkrad sehen aus wie immer die Kunden sollen möglichst nicht verschreckt werden.
Einmal Batterie vollladen kostet zwei Euro
Der Blick unters Blech macht dann die Eigenheiten des Volts deutlich. Denn der Volt fährt ausschließlich mit der Kraft eines Elektromotors, der 121 kW leistet und 370 Nm entwickelt. Zwar wird der Viersitzer damit nicht ganz so sportlich wie der Tesla Roadster , doch spricht Entwickler Farah von einem Sprintwert von 0 auf 100 km/h von weniger als neun Sekunden und eine Höchstgeschwindigkeit von mehr als 160 km/h. Weil Elektromotoren ihr Drehmoment bereits direkt nach dem Leerlauf bereitstellen, "fühlt man sich im Volt wie in einem Sportwagen mit 250 PS", sagt der Ingenieur. Mit dem Volt lässt sich überdies mächtig Geld sparen, rechnet Farah vor: Für das komplette Laden des Akkus kalkuliert Opel mit Kosten von zwei Euro.
Als Tank für den Elektromotor dient eine T-förmig im Mitteltunnel und vor der Hinterachse untergebrachte Batterie, die aus 220 Lithium-Ionen-Zellen vom Format eines Bierdeckels besteht und 180 Kilogramm wiegt. Sie hat eine Kapazität von 16 Kilowattstunden und soll dem Volt für 60 Kilometer reichen, was völlig ausreichend ist für die allermeisten Fahrten im Alltag. Zwar arbeitet der Elektromotor auch als Generator und lädt so etwa beim Bremsen die Akkus auf. Doch in Fahrpausen, etwa während der Bürozeit oder über Nacht, müsste der Volt an die Steckdose wenn er ein konventionelles Elektroauto wäre.
Ein kleiner Benzinmotor sorgt für Reichweite
Das aber ist er gerade nicht. Fragen wie "Reicht der Strom noch bis nach Hause? Finde ich rechtzeitig eine Steckdose? Muss ich schon umdrehen?" sollen sich die Kunden nicht mehr stellen müssen. Denn General Motor hat für das Auto einen sogenannten Range-Extender entwickelt.
Dieser kleine Benzinmotor springt immer dann an, wenn die Batterieladung unter 50 Prozent fällt. Der Verbrenner treibt einen Dynamo und lädt so den Akku. Zwar fährt der Volt, anders als ein Hybridfahrzeug, immer und ausschließlich elektrisch, doch sorgen ein paar Liter Benzin für mehrere hundert Kilometer zusätzlicher Reichweite. Weil der Range-Extender austauschbar ist und je nach Markt und Entwicklungsstand auch ein Diesel- oder Gas-Motor sowie in fernerer Zukunft auch eine Brennstoffzelle sein könnte, hält Opel-Chef Hans Demant den Volt für eine zukunftsfeste Lösung. "Das ist das Konzept für die nächsten 100 Jahre."
Wer liefert eigentlich die Lithium-Ionen-Batterien?
Noch immer ist nicht klar, woher die Batterien für den Volt in ausreichender Stückzahl und Qualität kommen sollen. Dennoch ist der Optimismus ungebremst. Selbst der sonst so nüchterne und bescheidene Opel-Chef Hans Demant lässt sich mitreißen und spricht vom Start "in ein neues Zeitalter der Automobilgeschichte". Vor gut zehn Jahren versuchte General Motors genau das mit dem Elektroauto EV-1 schon einmal - und scheiterte grandios.
Nun, mit neuer Technik, soll alles besser werden. "Wir wissen, dass die Autofahrer heute bereit sind für solche Lösungen", sagt GM-Europachef Forster. "Nur ob sie auch bereit sind, dafür zu bezahlen, wissen wir noch nicht", schränkt er gleich wieder ein.
Preislich solle das Modell Volt daher im Bereich eines "voll ausgestatteten Opel Zafira mit Dieselmotor und Automatik liegen", heißt es. Ob das reicht? "Wenn wir es nicht versuchen, werden wir das nicht herausfinden", sagt Forster, "und dann findet die Zukunft vielleicht ohne uns statt." Dann wären für GM die ersten auch die letzten hundert Jahre gewesen und daran will am großen Geburtstag keiner denken.