
Elektroautos auf dem Markt: Stärker, schneller - und vor allem weiter
Elektroautomarkt China fährt schon vor
"Das Jahr 2016 markiert den mentalen 'Tipping Point' für die Durchsetzung der Elektromobilität", sagt Stefan Bratzel, Leiter des Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach. Deutschland kann Professor Bratzel dabei nicht gemeint haben, denn ausgerechnet in dem Jahr, in dem sich der Staat zu einer Subvention von E-Mobilität entschloss - 4000 Euro "Umweltbonus" für den Kauf eines reinen Elektroautos - ging die Zahl der Elektro-Neuzulassungen zurück. Das Kraftfahrtbundesamt meldete für 2016 insgesamt 11.410 neue Elektroautos, ein Minus von 7,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Global gesehen allerdings geht es voran. Die Elektromobilität werde momentan "maßgeblich vom chinesischen Markt gezogen", heißt es in einer jetzt veröffentlichten Studie des CAM. Im vergangenen Jahr wurden in China erstmals mehr als eine halbe Million Elektrofahrzeuge verkauft, nämlich 507.000. Das entspricht einer Steigerung von 53 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. In dieser Ziffer sind reine E-Fahrzeuge (409.000) ebenso erfasst wie Plug-in-Hybridmodelle (98.000), und Pkw (336.000) ebenso wie Nutzfahrzeuge (171.000). Unter letzteren dominierten elektrisch angetriebene Busse (115.000), denn immer mehr chinesische Städte stellen den öffentlichen Nahverkehr auf lokal emissionsfreie Fahrzeuge um.
China ist damit sozusagen der Elektromotor der Autowelt. Vieles spreche dafür, heißt es in der Studie, dass das vorerst so bleiben werde. Zumal unter den Top 20 der meistverkauften Elektroautos in China mit Tesla nur ein ausländischer Hersteller vertreten ist.

Elektroautos auf dem Markt: Stärker, schneller - und vor allem weiter
Der zweitgrößte E-Automarkt der Welt sind die USA, wo im vergangenen Jahr gut 157.000 Autos mit Elektro- oder Plug-in-Hybridantrieb verkauft wurden; das waren 38 Prozent mehr als im Vorjahr.
Norwegen fährt einsam elektrisch vorneweg
In Europa fährt Norwegen vorweg. Die Zahl der Neuzulassungen von E- und Plug-in-Hybridmodellen lag im vergangenen Jahr bei 44.849. Dahinter rangierten Großbritannien (35.907), Frankreich (29.179) und Deutschland (25.154). Für Deutschland sei das Ergebnis, das sich aus den eingangs erwähnten 11.410 reinen Elektroautos und 13.744 Plug-in-Hybridmodellen zusammensetzt, "ernüchternd", heißt es in der Studie. Die am meisten nachgefragten Elektroautos hierzulande waren 2016 der BMW i3 und der Renault Zoe.
Betrachtet man die Marktanteile von Elektroautos in den einzelnen Ländern, setzt man also die Zahl der verkauften Elektrofahrzeuge mit der Zahl der insgesamt abgesetzten Neuwagen in Beziehung, ergibt sich das Bild eines zwar wachsenden, aber doch noch sehr kleinen Marktsegments. Ausnahme ist Norwegen, wo E-Fahrzeuge einen Marktanteil von 29 Prozent erreichen. In China hingegen betrug der E-Marktanteil im vergangenen Jahr 1,8 Prozent, in Frankreich und Großbritannien waren es 1,4 Prozent, in den USA 0,9 Prozent und in Deutschland lediglich 0,75 Prozent.
Der Wendepunkt ist da, der Aufschwung beginnt 2020
Wie das CAM in der Studie schreibt, werde dieses Wachstum auf niedrigem Niveau wohl noch zwei bis drei Jahre andauern, ehe dann ab 2020 deutlich mehr Schwung in den Elektroautomarkt komme. Zahlreiche neue Automodelle mit Elektroantrieb sowie ein Elektro-freundlicheres Umfeld - von Ladesäulen bis Sonderparkflächen - dürften die Nachfrage erheblich ankurbeln. Professor Bratzel jedenfalls sieht keinen Grund für Zerknirschung. Die derzeit vergleichsweise geringen Marktanteile dürften "nicht darüber hinwegtäuschen, dass ein massiver Umbruch der Antriebstechnologien" in den nächsten 10 bis 15 Jahren bevorstehe.
Je nachdem, ob man die Entwicklung der Elektromobilität eher skeptisch oder positiv bewerte, werden nach CAM-Berechnungen im Jahr 2025 weltweit zwischen 12 und 25 Millionen Elektroautos neu zugelassen; im Jahr 2030 dürfte die Zahl zwischen 25 und 40 Millionen Elektrofahrzeugen liegen. Die Vorhersage begründen Bratzel und sein Team mit einigen schlüssigen Annahmen: Erstens werde die Politik die Elektromobilität weiter fördern, zweitens würden Autos mit Verbrennungsmotoren aufgrund strengerer Abgasnormen immer teurer, Elektrofahrzeuge jedoch wegen fallender Akkupreise eher billiger. Dazu kämen Innovationen, die für Akku-Modelle mehr Reichweite und eine kürzere Ladedauer bedeuten.
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