Produktionsverbot für 553 Automodelle "Chinas Regierung gibt einen Warnschuss ab"

Zum Jahresstart hat Peking den Bau von 553 Modellen untersagt, die nicht die staatlichen Verbrauchsvorgaben erfüllen - auch deutsche Hersteller sind betroffen. China-Experte Jochen Siebert erklärt, warum.
Luftverschmutzung in Peking

Luftverschmutzung in Peking

Foto: China Stringer Network/ REUTERS

SPIEGEL ONLINE: Herr Siebert, China hat die Produktion von 553 Automodellen untersagt. Warum?

Foto: Michael Ryan / JSC AUTOMOTIVE

Jochen Siebert, Geschäftsführer von JSC Automotive, einer auf den chinesischen Automobilmarkt spezialisierten Unternehmensberatung. Siebert studierte Wirtschaftsingenieurwesen an der TU Darmstadt und begann seine Laufbahn bei einer Unternehmensberatung in der Telekommunikation. Später folgten leitende Positionen in der Industrie mit den Schwerpunkten Asien und Automotive bevor er 2007 JSC Automotive gründete.

Siebert: Die gestoppten Modelle verbrauchen aus Sicht des Staats zu viel Sprit. Hintergrund ist eine Vorschrift, die festlegt wie viel Benzin oder Diesel ein Fahrzeug auf einer bestimmten Strecke verbrennen darf. In China ist das unter anderem vom Gewicht und der Anzahl der Sitzreihen abhängig - ein Kleinbus darf also mehr Benzin konsumieren als beispielsweise ein Pkw.

SPIEGEL ONLINE: Konnten sich die Hersteller darauf nicht einstellen?

Siebert: Das Produktionsverbot kam ohne Vorwarnung. Zwar wurde das Gesetz, auf dem dieser harte Schritt basiert, schon vor drei Jahren verabschiedet. Doch der mehr als hundert Seiten umfassende Text sah einen sanktionierenden Fertigungsstopp erst für 2020 vor. Dass dieser nun um zwei Jahre vorgezogen wird, zeigt einmal mehr das Regulierungsrisiko für ausländische Hersteller in China. In der Vergangenheit gab es immer wieder überraschende Vorstöße, die entweder über Nacht oder innerhalb von wenigen Monaten als Gesetz in Kraft getreten sind - beispielsweise, dass nur noch eine bestimmte Anzahl an Fahrzeugen in einer Stadt zugelassen werden durfte.

SPIEGEL ONLINE: Inwieweit sind denn deutsche Hersteller von der Willkür aus Peking betroffen?

Siebert: Das Verbot trifft jede Marke - allerdings die deutschen Hersteller nicht so schlimm wie es zunächst ausgesehen hat. Auf der Liste steht unter anderem eine Mercedes E-Klasse, jedoch nur in einer bestimmten Variante, deren Produktion bereits ausgelaufen ist. Auch ein Audi-Modell ist nur mit einer von mehreren Motorisierungen genannt und wird laut Volkswagen nicht mehr hergestellt.

SPIEGEL ONLINE: Welches Kalkül könnte hinter dem vorgezogenen Produktionsverbot stecken?

Siebert: Die chinesische Regierung hat der drastischen Luftverschmutzung im Land den Kampf angesagt. In erster Linie scheint mir das Produktionsverbot ein Signal an die Bevölkerung zu sein, dass der Staat etwas dagegen unternimmt. Über Weihnachten waren die Werte für die Abgasbelastung in Städten wie Shanghai nämlich wieder angestiegen. Dort sitzt aber eine Mittelschicht, die ihre Unzufriedenheit auch öffentlich äußert. Das bringt ungewollte Unruhe.

SPIEGEL ONLINE: Was bedeutet das Verbot für die Hersteller?

Siebert: Die Regierung gibt einen Warnschuss ab, dass sie es ernst meint mit den Verbrauchsvorschriften. Mittel- und langfristige Modellplanungen der Autoindustrie müssen jetzt noch einmal schnellstens überdacht werden und der ein oder andere Motor fällt künftig sicherlich weg. Industriegefährdend ist das Produktionsverbot nicht - das wäre ein Schuss ins eigene Knie. An der Hälfte der Unternehmen ist Peking nämlich selbst beteiligt. So produziert VW etwa im Joint Venture mit dem Staatskonzern FAW (First Automotive Works).

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