CO2-Ausstoß Deutsche Autoindustrie bremst Umwelt aus

Auspuff eines Fahrzeugs in Frankfurt: Premiumhersteller gegen strenge Grenzwerte
Foto: Michael Probst/ ASSOCIATED PRESSBerlin - Die Antwort auf alle Fragen zur Diskussion über CO2-Grenzwerte kann man sich in Zürich anschauen, bei der Eidgenössischen Technischen Hochschule. Es ist ein dunkelblauer Volkswagen Touran, der auf dem Testparcours seine Kreise zieht. Das Besondere an dem unscheinbaren Familienauto ist sein Erdgas-Hybrid-Antrieb. Statt der knapp 130 Gramm CO2, die ein herkömmlicher Touran TSI EcoFuel pro Kilometer emittiert, pustet der Versuchsmotor gerade einmal 65 Gramm pro Kilometer in die Umwelt.
Die ETH-Forscher haben den Antrieb mit dem Projektnamen "Clever" gemeinsam mit Bosch und Volkswagen entwickelt und zeigen damit, was möglich ist, wenn es um saubere Autos geht. Zumal die Entwicklung erst am Anfang steht. "Mit Feinarbeit und einem größeren Anteil an Biogas lässt sich der Schadstoffausstoß noch weiter reduzieren", sagt der Projektverantwortliche Patrik Soltic.
Vor diesem Hintergrund wirken die CO2-Richtlinien, die ab 2020 gelten sollen, geradezu lax. Dann, so der ursprüngliche Plan von EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard, sollte ein Maximalwert von 95 Gramm pro Kilometer gelten für den Flottenverbrauch der Hersteller gelten. Einen Schritt weiter will das Europäische Parlament gehen: Von 2025 an, soll, wenn es nach den Europaabgeordneten geht, ein Grenzwert von 68 bis 78 Gramm gelten. Aber auch das wäre, das beweist der Testmotor eindrucksvoll, problemlos zu schaffen.
Ganz anderer Meinung sind dagegen die deutschen Hersteller sogenannter Premiumkarossen, sie begehren gegen die neuen Grenzwerte auf und schicken Umweltminister Peter Altmaier (CDU) ins Rennen, um die Vorgaben in ihrem Sinne zu verwässern. Der brachte Anfang Februar prompt eine kleine Änderung beim Abrechnungsmodus ins Spiel: Danach soll jedes zugelassene Auto, das weniger als 65 Gramm CO2 ausstößt - solche Werte erreichen nur Stromer und so genannte Plug-in-Hybride - gleich mehrfach in die Berechnung des Flottenausstoßes einfließen. Über den gesamten Zeitraum hinweg, in dem die Bonusregelung, Supercredit genannt, gelten soll, zählt jedes Elektroauto so viel, als wären zweieinhalb davon verkauft worden.
Komplexe Rechenspiele zugunsten der Luxus-Hersteller
Darüber hinaus sollen die Hersteller jedes schon von 2016 an verkaufte Sauberauto in die Berechnung mit einbeziehen dürfen, um so den ab 2020 Durchschnittswert für den Flottenverbrauch herunterzurechnen zu können.
Aus Sicht von VDA-Präsident Matthias Wissmann ist das Anliegen nur gerecht. "Die deutsche Autoindustrie investiert derzeit rund 40 Prozent ihres Forschungsbudgets in alternative Antriebe, obwohl sie keinen kurzfristigen Return on Investment erwarten kann", erklärte er in einem Interview mit der "Wirtschaftswoche". Sie ist bereit, das fortzusetzen. Deshalb wäre es wichtig, dass sie auf den ab 2020 geplanten Grenzwert von ambitionierten 95 Gramm CO2 pro Kilometer diejenigen Elektrofahrzeuge anrechnen kann, die bereits von 2016 an in den Verkehr gebracht werden.
Mit diesem Statement betrachten auch die Premiumhersteller derzeit alles notwendige als gesagt an. Gegenüber SPIEGEL ONLINE wollten sie sich "im Vorfeld der Entscheidung" nicht weiter zu dem Thema äußern. Auch bei Volkswagen hält man sich bedeckt - obwohl sich die Wolfsburger zu den absehbaren Grenzwerten bekennen.
Die Umweltschützer sehen das ganz anders. So haben Forscher im Auftrag von Greenpeace errechnet, dass der 95-Gramm-Grenzwert erst 2024 erreicht würde, wenn sich die deutschen Hersteller durchsetzten. "Das wären vier verlorene Jahre für den Klimaschutz und die technische Innovation", sagt Greenpeace-Autoexperte Wolfgang Lohbeck. Mit willkürlichen Rechentricks wolle der Minister die Fertigung von Spritschluckern absichern.
Dramatische Steigerung der Öl-Import-Kosten
Dabei würden Umwelt und Verbraucher gleichermaßen profitieren, wenn das 95-Gramm-Ziel unverwässert durchkäme. Denn mit dem CO2-Ausstoß würde zwangsläufig auch der Spritverbrauch sinken. Altmaiers Vorschlag hingegen könnte einer Studie der britischen Beratergruppe Ricardo AEA zufolge die Kraftstoffkosten über die Lebensdauer des Fahrzeugs zwischen 689 bis 2.395 Euro verteuern.
Oder anders ausgedrückt: Die Schlupflöcher für Elektrofahrzeuge würden die Rechnung für Öleinfuhren in der EU um 2,5 bis 8,4 Milliarden Euro im Jahr 2030 steigern. Die Spanne ergibt sich aus zwei Szenarien - im ersten Fall nehmen die Experten an, dass Elektrofahrzeuge und Plug-in-Hybride bis 2020 fünf Prozent der Verkäufe ausmachen, im zweiten sind es 15 Prozent.
Die Recardo-Rechnung lässt aber auch klar erkennen, wie kompliziert die Berechnungsformel für den CO2-Grenzwert inzwischen ist. Bereits minimale Änderungen bei einzelnen Grundannahmen führen zu einer deutlichen Veränderung des Ergebnisses.
Regelung über die Benzinsteuer
Ein Punkt, den auch Greenpeace-Fachmann Lohbeck kritisiert. Seine Organisation fordert seit langem eine Regelung über die Benzinsteuer. Auf diese Weite würden diejenigen zur Kasse gebeten, die die den Umweltverbrauch mit ihrem Verhalten steigerten: Die Käufer von Spritfressern und die Vollgasfahrer. Die Hersteller sollten dagegen für die Energieeffizienz ihrer Motoren geradestehen.
Ein veralteter Motor in einem Kleinwagen käme dann womöglich teurer, als ein großer und starker Motor, der alle technischen Finessen an Bord hat. Für Gewicht und Flächenverbrauch müssten hingegen Maximalgrenzen gelten. "Eine solche Formel ließ weit weniger Raum für Verhandlungstricks, als die aktuell geltenden Regelung", erklärt Lohbeck. Ebenso klar sei allerdings, dass die Umlage der Umweltkosten auf den Spritpreis poltisch nicht durchsetzbar sei. "Das sind Realitäten, mit denen wir uns abfinden müssen".
Mit dieser Einschätzung liegt Lohbeck wahrscheinlich richtig. Am Mittwoch wird der Umweltausschuss des EU-Parlaments die Vorentscheidung über den künftigen CO2-Grenzwert treffen. Nach Überzeugung von Beobachtern wird dann auch das Langfristziel bis 2025 festgeschrieben. Noch vor der Sommerpause will die irische EU-Präsidentschaft eine endgültige Entscheidung erreichen.