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Dachzelte: Fahren erlaubt, schlafen nicht?

Foto: Jan Woitas/ picture alliance / dpa

Zelte auf dem Auto Die Last mit dem Dachgast

Camping auf dem Auto? Mit einem Dachzelt funktioniert das prima. Es gibt die verschiedensten Modelle, doch allen gemeinsam ist ein Problem: Wer sie nutzt, schläft in einer rechtlichen Grauzone.
Von Matthias Kriegel

"Pension Sachsenruh", das klingt nach Heimaturlaub im Grünen. Und im Grunde ist die Assoziation gar nicht so schlecht. Der beschauliche Name gehörte einem Dachzelt, das in der DDR als Sonderausstattung für den Trabant angeboten wurde. Der bunte Textilaufbau machte den Trabi zu einem Wohnturm. Zwei Leute fanden in dem Dachzelt Platz - es war ein kleiner Zufluchtsort, mobil und allzeit einsatzbereit.

Die "Pension Sachsenruh" ist Geschichte, Dachzelte generell jedoch sind im Kommen. Etliche Hersteller bieten unterschiedlichste Faltbehausungen für das Autodach an. Was früher - außer beim Trabi - allenfalls von Expeditionsfahrzeugen bekannt war, gehört immer öfter zum normalen Anblick auf einem Campingplatz. Ein Dachzelt ist billiger als ein Wohnwagen, schneller aufgebaut als ein herkömmliches Zelt und bei Regen steht man garantiert nicht in einer Pfütze - die Vorteile liegen auf der Hand.

Ab 1500 Euro geht es los

"Wir verzeichnen gerade einen regelrechten Dachzelt-Trend", ist bei vielen Herstellern zu hören. Vor dem Kauf sollte man sich allerdings etwas näher mit der Materie befassen. Eingeklappt gleichen moderne Dachzelte einer großen Dachbox, wie man sie beispielsweise für den Skitransport kennt. Im ausgeklappten Zustand geht aber viel mehr. Von der spartanischen Variante, die einem Iglu-Zelt ähnelt, bis hin zur Luxusversion mit integriertem Vorzelt ist vieles möglich. Bis zu fünf Personen können in den großen Dachzelten schlafen. Die Dachzeltboxen selbst werden, wie alle anderen Dachlasten auch, mittels spezieller Halterungen am Dach fixiert. Der Aufbau des Zeltes funktioniert oft über eine mechanische Kurbel oder über Gasdruckdämpfer, die beim Öffnen der Dachbox automatisch aktiviert werden. Fast immer gibt es eine Leiter für den Einstieg, eine Innenbeleuchtung, ein Moskitonetz sowie eine Matratze plus Lattenrost gehören ebenfalls oft zur Ausstattung. Auch über ausgeklügelte Belüftungssysteme verfügen die meisten neuen Dachzelte.

Wirklich günstig ist das aber nur im Vergleich zu einem neuen Caravan. Um die 1500 Euro kosten kleinere Dachzeltvarianten (meist 1,30 x 2,20 Meter); bei den voll ausgestatteten Modellen mit Vorzelt können es bis zu 8000 Euro werden. Für den Preis kann man dann ein Highend-Leichtbau-Modell aufs Auto packen. Standard-Dachzelte wiegen etwa 35 Kilogramm. Größere bringen aber immer noch bis zu 85 Kilogramm auf die Wage. Da braucht man schon kräftige Helfer, um das Zelt zum Urlaubsstart aufs Auto zu wuchten. Und es gibt noch ein weiteres Problem mit dem Gewicht.

Dachlast wird immer überschritten

Denn für Pkw muss laut Gesetzgeber eine höchstens zulässige Dachlast angegeben werden. Die liegt in der Regel zwischen 75 und 100 Kilogramm. Damit wäre es zwar erlaubt, ein Dachzelt zu transportieren, doch benutzen dürfte man es nicht mehr. Zwei Erwachsene und vielleicht noch etwas Gepäck in einem mittelgroßen Dachzelt - da kommen mindestens 150 bis 180 Kilogramm zusammen, die vom Autohersteller maximal zulässige Dachlast wäre also deutlich überschritten.

Die Crux besteht darin, dass die Dachlast jenes Gewicht angibt, das maximal auf dem Auto transportiert werden kann. Eine Unterscheidung zwischen dynamischer und statischer Dachlast - also der Dachbeladung mit der man noch sicher fahren kann und jener, die das Auto bei Stillstand aushält - gibt es nicht. Und entsprechend auch keinen zweiten Maximalwert, mit dem das Dach eines stehenden Autos belastet werden darf. Genau dieser Wert wäre jedoch wichtig, um zu wissen, ob und mit wie vielen Personen man das Dachzelt auch nutzen darf, ohne Schäden am Wagen befürchten zu müssen.

"Die maximale Dachlast ist sicher größer als der offiziell angegebene Wert. Ein Auto muss im schlimmsten Fall bei einem Überschlag ja auch das eigene Gewicht aushalten", sagt Bernhard Tschenscher vom ADAC. Und Vincenzo Lucà vom TÜV Süd erklärt: "Es gibt ganz sicher einen Unterschied zwischen statischer und dynamischer Dachlast. Der Hersteller haftet jedoch nur bis zum offiziell angegebenen Wert." Für einen potenziellen Dachzeltnutzer ist das zumindest verwirrend: Es gibt eine Dachlast-Obergrenze, die es zwar erlaubt, ein Dachzelt auf dem Auto zu transportieren, nicht aber, es am Zielort dann auch bestimmungsgemäß zu nutzen.

Mini ermuntert dazu, das Dachzelt zu nutzen

Nachfrage bei einigen Automobilherstellern. Schließlich gibt es auch Dachzelte, die für ein bestimmtes Modell vermarktet werden, etwa beim Mini Countryman. Zulässige Dachlast bei dem Wagen: 75 Kilogramm. Gewicht des dazugehörigen Dachzeltes: 58 Kilogramm. Bleiben 17 Kilogramm übrig, es dürfte also nur ein kleines Kind dort oben schlafen. Kein Problem, heißt es bei Mini: "Da kann nichts passieren, die Belastbarkeit ist darauf ausgelegt, dass das Auto das Dachzelt samt Insassen tragen kann. Wenn doch etwas passiert, dann wurde das Dachzelt falsch montiert."

Bei Mercedes wird es konkreter. Zur G-Klasse, auf der häufig Dachzelte montiert werden, heißt es: "Die angegebene Dachlast bezieht sich nur auf den dynamischen Zustand. Bei Schäden geht auch definitiv kein Haftungsanspruch verloren." Fragt man nach, warum nicht gleich zwei Dachlastwerte angegeben werden, heißt es: "Wahrscheinlich, weil es bisher kein relevantes Thema war."

VW sagt: Dachlast ist Dachlast

VW-Fahrer wiederum sollten sich zweimal überlegen, ob sie ein Dachzelt montieren. Aus Wolfsburg heißt es unmissverständlich: "Die Dachlast-Angabe gilt für den dynamischen und statischen Zustand. Wird sie überschritten, haftet der Hersteller bei Schäden nicht mehr."

Uneinigkeit bei den Herstellern, Unbehagen bei den Nutzern - es ist ein Dilemma. Fest steht, dass in keinem Pkw-Datenblatt zwischen dynamischer und statischer Dachlast unterschieden wird. Angeben ist eine maximale Dachlast, die auf dem Auto auch transportiert werden darf. Dieser Wert würde bei der Nutzung eines Dachzeltes von ein oder mehreren Erwachsenen so gut wie immer überschritten. Wer ein Dachzelt transportiert, bewegt sich noch innerhalb der zulässigen Bestimmungen, wer es dann aber auch nutzt, schläft in einer rechtlichen Grauzone - zumindest was die Haftung für eventuelle Schäden durch die Belastung angeht.

Die Dachzelthersteller kennen die Problematik natürlich, und wiegeln sogleich ab. "Alle Dachzelte werden vom TÜV geprüft", heißt es zum Beispiel. Gebetsmühlenartig wird auch hier der Unterschied von Dynamik und Statik hervorgehoben. Und der große Konsens lautet bei gleich mehreren Firmen: "Uns ist in vielen Jahren noch kein Fall bekannt geworden, bei dem wirklich ein Schaden am Autodach entstanden ist."

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