Initiative der Umwelthilfe 45 Städten droht Klage wegen Diesel-verschmutzter Luft

Düsseldorf, München, Stuttgart: Hier hat die Deutsche Umwelthilfe bereits Gerichtsentscheidungen erwirkt, die den Weg ebnen für Diesel-Fahrverbote. Jetzt hat die Organisation weitere Städte im Visier.
Autoverkehr (hier: Berlin)

Autoverkehr (hier: Berlin)

Foto: imago/ Frank Sorge

Die Deutsche Umwelthilfe will im Kampf um saubere Luft den Druck auf Bundesländer und Städte erhöhen. Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch kündigte an, die DUH werde in den kommenden Tagen für 45 weitere Städte formale Verfahren zur Sicherstellung der Einhaltung der Grenzwerte für Stickstoffdioxid (NO2) einleiten.

Resch sagte, die für die Luftreinhaltung zuständigen Behörden würden aufgefordert, binnen vier Wochen wirksame Maßnahmen wie Diesel-Fahrverbote verbindlich zu erklären.

Zu Bundesländern und Städte, die neu ins Visier der Umwelthilfe geraten, zählen laut Resch unter anderem Schleswig-Holstein mit Kiel, die Stadt Hannover in Niedersachsen und Halle (Saale) in Sachsen-Anhalt. (Hier finden Sie die Liste aller Städte)

Die Umwelthilfe klagt bereits in 16 Fällen vor Gericht. In Düsseldorf, München und zuletzt Stuttgart hatte die DUH Erfolge erzielt: Dort bewerteten die Richter konkrete Diesel-Fahrverbote ab 2018 als wirksame Maßnahmen, damit die Luftqualitätsgrenzwerte eingehalten werden. Erst durch diese drohenden Fahrverbote war der Abgasskandal zu einem ernsthaften Problem für alle Autohersteller geworden - deren Kunden sind zunehmend verunsichert, ob sie mit ihren Fahrzeugen in Zukunft noch überall hinfahren dürfen.

Reaktion auf düstere Prognose nach dem Dieselgipfel

"Wir fordern saubere Luft bereits im Jahr 2018 für alle 62 Städte, die aktuell die NO2-Grenzwerte um zehn Prozent oder mehr überschreiten", sagte Jürgen Resch. Die DUH gebe den zuständigen Städten und Landesbehörden die Möglichkeit, der Organisation mitzuteilen, ob sie geeignete Maßnahmen ergreifen wollen, damit 2018 in den betroffenen Städten die Stickoxidgrenzwerte unterschritten werden. "Wenn die Antworten nicht zufriedenstellend ausfallen, werden wir weitere Rechtsverfahren prüfen und gegebenenfalls kurzfristig einleiten."

Resch reagierte mit seinem Vorstoß auf neue amtliche Berechnungen: Das Bundesumweltamt (UBA) hatte am Mittwoch die Ergebnisse einer Modellrechnung präsentiert, wonach die auf dem Dieselgipfel beschlossenen Maßnahmen gegen die Stickoxidbelastung in Städten nicht ausreichend seien. Laut der UBA-Analyse bleibe die Luft in fast 70 deutschen Städten schmutziger als erlaubt. Wie das Bundesumweltamt ausgerechnet hat, dürfte die Belastung der Stadtluft mit gesundheitsschädlichem Stickoxid um bis zu sechs Prozent sinken. Das reicht in vielen Orten nicht, um den EU-Grenzwert einzuhalten.

Beim Dieselgipfel Anfang August hatte die Autobranche für Millionen Dieselautos Updates der Motorsoftware angekündigt, um die Abgasreinigung zu verbessern. Zugleich hatten die Fahrzeughersteller Forderungen nach teuren, aber dafür wirksameren Hardware-Umrüstungen eine Absage erteilt. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) legte bei der Vorstellung der Modellrechnung am Mittwoch dagegen noch mal nach: "Es gibt einen Effekt, aber es reicht eben noch nicht aus", sagte sie, daher müsse es in den nächsten Monaten darum gehen, die Diesel technisch noch weiter zu verbessern. "Also nicht nur die Software, sondern auch die Hardware".

Umweltministerin distanziert sich von der Umwelthilfe - vordergründig

Hendricks distanzierte sich am Mittwoch zwar von der DUH und Jürgen Resch - dieser hatte sich zuletzt überzeugt gezeigt, die Autoindustrie habe auch zwei Jahre nach Bekanntwerden der Dieselaffäre "den Schuss nicht gehört". Dieser Einschätzung wollte sich die Umweltministerin ausdrücklich nicht anschließen: Sie sei ganz sicher, dass die Autoindustrie an dem Problem arbeite, sagte sie. "Und in dem Zusammenhang will ich vielleicht auch mal sagen, dass die Deutsche Umwelthilfe auch dazu neigt, zu skandalisieren", fügte die SPD-Ministerin hinzu.

Doch nicht nur mit der Forderung nach Hardware-Umrüstungen liegen Hendricks und die DUH auf einer Linie: Denn die Umweltministerin machte am Mittwoch auch noch mal deutlich, dass Fahrverbote noch nicht vom Tisch sind. Mit der jetzt angekündigten Klagewelle der Umweltschützer wird dieses Thema nicht nur brisant bleiben, sondern an Fahrt aufnehmen.

cst/dpa
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