Chinesische Automarke Qoros Sieht gut aus!
Streicheln und drücken, drehen und wischen und immer wieder mit den Fingerkuppen über die Fugen tasten - es gibt wohl kein Interieur, das an den Pressetagen des Autosalons in Genf derart strapaziert wurde wie das der graubraunen Limousine des chinesischen Herstellers Qoros.
Das Interesse ist nicht überraschend: Der Wagen soll nicht einmal 20.000 Euro kosten. Und obwohl der Wagen aus dem Land der Billigautos und bisherigen Crashtest-Versager kommt, sieht er prima aus, wirkt ausgereift und fühlt sich solide an. "Jeder will einen Fehler finden, aber zumindest am Messemodell gibt es keinen", sagt ein Journalist beim Blick auf die schmalen Blechfugen und die akkuraten Passungen im Cockpit. Der gesamte Innenraum strahlt eine nüchterne Eleganz aus. Der Qoros 3, so der Eindruck, könnte es locker mit jedem Skoda oder VW aufnehmen.
In gewisser Weise ist das keine Überraschung. Denn auch wenn der Hersteller Qoros aus China kommt und die Autos dort mit einer Kapazität von zunächst 150.000 und später mit bis zu 450.000 Fahrzeugen pro Jahr auch gebaut werden, sind sie durch und durch europäisch, im Grunde sogar fast deutsch. Denn hinter Qoros steht ein Deutscher: der ehemalige VW-Manager Volker Steinwascher, der zuvor für die Niedersachsen den US-Markt betreute.
Wertarbeit statt Schleuderpreis
Nach seiner Pensionierung, erzählt der 70-Jährige, stellte er fest, "dass mich vier Tage Golf pro Woche nicht ausfüllen". Über einen Berater kam er mit der finanzstarken Israel Corporation und dem chinesischen Hersteller Chery ins Geschäft und hob für den Geldgeber und den Autobauer die neue Marke Qoros aus der Taufe.

Chinesische Marke Qoros: Kein Klappern, nirgends
Zusammen mit dem ehemaligen VW- und Mini-Designer Gert Hildebrand, weiteren Getreuen aus der europäischen Automobilindustrie und Zulieferern wie Magna oder Bosch hat Steinwascher binnen vier Jahren aus dem Nichts eine Marke und eine kleine Modellpalette aufgebaut, die aus drei Typen besteht: Neben der Limousine, die mit 4,62 Metern das Format des VW Jetta hat, stehen in Genf auch noch ein trendiges Kompakt-SUV sowie ein schmucker Kombi im Rampenlicht.
In China kommen die Qoros-Modelle im Herbst in den Handel, anschließend ist der Start in Europa geplant. Erst einmal allerdings nur im Osten, weil der Hersteller sich für die Stufenheck-Limousine in Westeuropa zu wenig Chancen ausrechnet. "In Deutschland wird es Qoros erst Ende 2014 oder Anfang 2015 geben", sagt Steinwascher. Dann mit einem Fünftürer nach dem Muster des VW Golf. Weiterhin sind für den hiesigen Markt ein Geländewagen, eventuell der Kombi sowie der Kompakt-SUV geplant. Letzterer war auf der Messe sogar schon als Hybridmodell zu sehen.
Kleiner Zwist mit Audi
Mehr als ein Jahr vor dem Start tut sich Steinwascher mit der Positionierung der Autos noch schwer. Aber die Gerüchte von vierstelligen Preisen dementiert der Qoros-Chef hartnäckig. "Nur weil wir aus China kommen, sind wir nicht automatisch eine Billigmarke." Sein Ziel ist es, den neuen Namen durch Qualität zu etablieren, nicht durch Schleuderpreise. Deshalb kündigt Steinwascher eine üppige Ausstattung schon für das Basismodell an.
Die Autos für China beispielsweise erhalten LED-Technik für Tagfahrlicht und Blinker, 16-Zoll-Aluräder, große Bremsscheiben und mindestens vier Airbags. "Das ist dort längst noch nicht Standard", sagt der Deutsche. Und wenn die Autos nach Europa kommen, ist zudem immer auch ein voll vernetztes Navigations- und Infotainment-System an Bord, dessen großer Touchscreen auf der Messe fast so gut funktioniert wie ein iPad und die Systeme von Mercedes oder VW ziemlich blass aussehen lässt. "Das alles wollen wir für deutlich unter 20.000 Euro anbieten", sagt Steinwascher.
Nicht nur der Andrang auf dem Messestand in Genf - darunter auch viele Ingenieure anderer Hersteller - zeigt, wie neugierig die Branche auf die Produkte des Newcomers ist. Und bereits im Vorfeld der Messe erhob Audi die neue Marke mit einem Streit zum ernsthaften Konkurrenten. Obwohl Qoros die Modellbezeichnung GQ3 laut Designchef Hildebrand nach Absprache mit allen Konkurrenten bereits im vergangenen Jahr angemeldet hatte, wollten die Ingolstädter die Nutzung des Namens im letzten Moment verbieten. Aus Sorge vor einer Verwechslung mit dem Audi Q3?
"Wir wollen keinen Streit", sagt Hildebrand und deutet auf das neue Typenschild, auf dem jetzt nur noch die Ziffer 3 prangt. Für weitere Problemchen dieser Art ist er gewappnet. "Es hat uns zwar mehr als 100.000 Euro gekostet, doch draußen im Lkw liegen Typenschilder mit allen denkbaren Zahlen- und Buchstabenkombinationen. Bevor uns jemand Ärger macht, haben wir das in wenigen Minuten geändert."