Die zehn ... untergegangenen deutschen Automarken

Pontiac, Hummer, Saturn - der angeschlagene GM-Konzern könnte sich von mehreren Automarken trennen. Einige könnten sogar komplett verschwinden. Das klingt dramatisch, ist aber aus historischer Sicht nicht ungewöhnlich - wie ein Besuch auf dem Automarken-Friedhof zeigt.
Von Lasse Hinrichs

Absurde Modellpolitik, überholte Technik, Misswirtschaft - es gibt viele Möglichkeiten, einen Automobilhersteller zugrunde zu richten. Derzeit erscheint es wieder denkbar, dass die eine oder andere Automarke verschwindet. Der General-Motors-Konzern steckt in erheblichen finanziellen Schwierigkeiten, und eine Insolvenz des Unternehmens könnte auch das Ende zumindest einiger GM-Marken bedeuten.

Das klingt spektakulär. Doch dass Automarken verschwinden, ist nicht so ungewöhnlich und selten. Allein in Deutschland sind seit den Anfangstagen des Fahrzeugbaus mehrere Dutzend Pkw-Bauer untergegangen. Manche verschieden still und nahezu unbemerkt, andere fuhren mit Getöse gegen die Wand. SPIEGEL ONLINE hat die zehn interessantesten Fälle zusammengestellt.

Trabant

Im Jahr 1954 beschloss der DDR-Ministerrat unter Vorsitz von Otto Grotewohl den Bau eines Volkswagens für die Bevölkerung des SED-Einheitsstaates. Günstig sollte er sein, sparsam und robust. Am 7. November 1957 lief der erste Trabant P 50 im Automobilwerk Zwickau vom Band – mit einer Leistung von 18 PS.

Der Grundstein für den Mythos des Duroplastbombers aber wurde 1964 mit der Serienfertigung des Typs P 601 im VEB Sachsenring gelegt. Es folgten 26 Jahre Produktion, einige wenige technische Modifikationen in dieser Zeit und unter dem Strich mehr als 2,8 Millionen Modelle des Typs P 601. Insgesamt wurden 3,1 Millionen Trabant-Fahrzeuge gebaut. Der letzte Trabi, pinkfarben und mit VW-Vierzylinder-Motor unter der Haube, verließ das Werksgelände am 30. April 1991 um 14.51 Uhr.

Wartburg

Der Vorläufer des späteren DDR-Mittelklassewagens war der Wartburgmotorwagen aus der Fahrzeugfabrik Eisenach. Gegründet wurde der Betrieb 1899 von Baurat Heinrich Erhardt, um Munitionswagen für das kaiserliche Kriegsministerium herzustellen. Zwischen 1928 und 1945 gehörte die Fabrik zur BMW AG, bevor sie 1952 ins Volkseigentum der DDR überging.

Von 1953 bis 1965 produzierte der VEB Automobilwerk Eisenach den Wartburg 311. Das Modell wurde weltweit in 55 Länder exportiert, vor allem in den damaligen Ostblock. Ab 1966 wurde der Wartburg 353 gefertigt. Bis zum Wechsel auf die 1,3-Liter-Baureihe (1988) waren alle Wartburg-Typen Zweitakter. Das Ende der DDR bedeutete auch das Ende des Wartburg. Am 10. April 1991 wurde das letzte 1,3-Modell gebaut. Seit 1992 lässt die Adam Opel AG in Eisenach den Kleinwagen Corsa produzieren.

Borgward

Der Ingenieur Carl Borgward rief 1928 in Bremen die Goliath-Werke Borgward & Co. GmbH ins Leben, um den Blitzkarren, einen Kleintransporter, im großen Stil zu produzieren. 1929 übernahm Borgward die Hansa-Lloyd-Werke AG und ergänzte sein Angebot um Personenwagen. Während der Nazi-Zeit verlegte sich der Betrieb auf die Produktion von Zugmaschinen und Panzern, Carl Borgward stieg zum Wehrwirtschaftsführer auf.

Mit dem Modell Hansa 1500z präsentierte Borgward 1949 die erste Pkw-Neukonstruktion nach dem Krieg sowie das erste deutsche Auto mit Ponton-Karosserie. Der Nachfolger, das Modell Isabella, kam 1954 auf den Markt und wurde bis zum Konkurs der Borgward-Werke im September 1961 gebaut. Das Ende zeichnete sich bereits über Monate hin ab und war – möglicherweise – nicht nur die Folge wirtschaftlichen Unvermögens, sondern auch einer Intrige der Konkurrenz.

DKW

DKW gilt als Wegbereiter des Zweitaktmotors in Europa: Gründer des Auto- und Motorradbauers aus Zschopau war Jørgen Skafte Rasmussen. Der Däne verkaufte zunächst Zubehör für Dampfmaschinen, bevor er 1916 erstmals am Prototyp eines Dampfkraftwagens arbeitete; daher auch der Name DKW. Bis 1928 waren die Zschopauer Motorenwerke J. S. Rasmussen zum weltgrößten Hersteller von Motorrädern gewachsen.

DKW kaufte die Audi-Werke Zwickau auf und trat 1932 der Auto Union AG bei. Die DKW Meisterklasse vom Typ F 89 (ab 1949) war das erste Personenwagenmodell, das die 1945 in Ingolstadt wieder gegründete Auto Union herstellte. 1959 übernahm Daimler-Benz die Auto Union, um sie 1965 wiederum an Volkswagen zu verkaufen. Im Dezember 1968 lief schließlich mit dem Modell Munga das letzte DKW-Zweitaktmodell vom Band. Der Geländewagen war seit 1956 vor allem für die Bundeswehr produziert worden.

Glas

Vom Landmaschinen-Produzenten zum Hersteller eines der erfolgreichsten Kleinstwagen im Nachkriegsdeutschland - das ist kurz zusammengefasst die Geschichte der Firma Glas. Zwischen 1955 und 1969 verkaufte die Hans Glas GmbH mit Sitz in Dingolfing rund 280.000 Modelle des Goggomobils; der Kleinstwagen mit 250-ccm-Motor und 14 PS wurde ein echter Bestseller. Doch wegen Geldknappheit misslang Glas der dauerhafte Einstieg in die Produktion größerer Wagen. Die Glas-Werke wurden im November 1966 von BMW für 9,1 Millionen Mark übernommen, der letzte Goggo wurde am 25. Juni 1969 gebaut.

NSU Motorenwerke

Strickmaschinen, Automobile, Fahrräder, Motorräder und wieder Autos – die Geschichte der 1873 von Christan Schmidt und Heinrich Stoll gegründeten Neckarsulmer Strickwarenfabrik AG ist lang und abwechslungsreich. 1955 galt NSU als größter Motorradhersteller der Welt, 1957 gelang mit dem Kleinwagen NSU Prinz der Einstieg ins Autogeschäft.

Den großen Wurf wagte NSU 1967 mit dem futuristischen Ro 80. Trotz innovativem Wankelmotor, dem Titel "Auto des Jahres" und modernem Design war der Ro 80 das letzte Modell mit NSU-Firmenlogo. 1969 verschmolzen die NSU Motorenwerke AG mit dem VW-Konzern und der Auto Union GmbH zur Audi NSU Auto Union AG – seit 1985 kurz Audi AG.

Lloyd

Von 1914 an war Lloyd Teil der Hansa-Lloyd AG und gehörte ab 1929 zur Bremer Borgward-Gruppe. Aus dem Konzern wurde im Jahr 1948 die Lloyd Maschinenfabrik ausgegründet, die vorübergehend Webstühle herstellte. Kurz darauf folgte die Umbenennung in Lloyd Motorenwerke – deren Lloyd LP 300 gilt als erster brauchbarer Nachkriegskleinwagen.

Die Produktion des Leukoplastbombers, wie der Lloyd wegen seiner Sperrholz-Karosserie mit Kunstlederbezug genannt wurde, startete im Juni 1950. Das Unternehmen existierte noch bis 1989 als Ersatzteilelieferant, der Handelsregistereintrag wurde 1995 gelöscht.

Zündapp

Die 1917 von Fritz Neumeyer gegründete Zünder- und Apparatebaugesellschaft Nürnberg gehörte Ende der dreißiger Jahre zu den größten Motorradherstellern Europas. Zuvor war Zündapp am Prototyp des Porsche Typ 12 (ein Vorläufer des VW-Käfers) gescheitert.

Zur Serienreife brachte es im Jahr 1957 hingegen der Zündapp Janus 250 – ein Viersitzer mit zentral eingebautem Motor. Namensgebende Besonderheit: Die Passagiere vorne und hinten saßen Rücken an Rücken. Nach 17 Monate wurde die Produktion des ulkigen Mobils wieder eingestellt. Bis zum Konkurs 1984 entwickelte Zündapp außer Motorrädern auch Nähmaschinen, Bootsmotoren und Rasenmäher.

Messerschmitt/Fendt

Was 1948 als Einzelfertigung begonnen hatte, ging 1953 im Messerschmitt-Werk in Regensburg in Serie: der Kabinenroller Messerschmitt KR 175 von Fritz Fendt, der wegen seiner Kuppel aus Plexiglas auch Schneewittchensarg genannt wurde. Den Vorläufer – den dreirädrigen Fend Flitzer – hatte der Flugzeugingenieur noch in seinem Technischen Fertigungsbetrieb in Rosenheim hergestellt.

Als allerdings Messerschmitt 1956 wieder zurück ins Flugzeuggeschäft wechselte, gründete Fend die Fahrzeug- und Maschinenbau Regensburg GmbH und produziert bis 1961 den Kabinenroller Tg 500 sowie bis 1964 den Typ KR 200. Im Juni 1964 wurde die Fertigung nach insgesamt rund 40.000 Kabinenrollern eingestellt.

Gutbrod

Gutbrod war bereits eine etablierte Motorradfabrik, als sich Firmengründer Wilhelm Gutbrod 1933 das erste Mal an die Produktion von Klein- und Lieferwagen wagte. Das Modell Standard Superior, ein Pkw mit Heckmotor, baute er bis 1935, verlagerte sein Geschäft dann allerdings auf Motorrasenmäher.

Nach dem Krieg war es Sohn Walter, der im Jahr 1950 mit dem Kleintransporter Atlas sowie dem Gutbrod Superior den Erfolg suchte – ebenfalls vergeblich. 1954 geriet Gutbrod in Geldnot, besann sich auf Rasenmäher und Kleintraktoren und zog sich aus dem Autogeschäft zurück. 1996 wurde der Betrieb von der Modern Tool and Die Company, einem Gartengerätehersteller aus den USA, übernommen.

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