Dieselfahrverbote in Hamburg Schildbürgerstreich
Hamburg verhängt als erste Stadt Deutschlands Fahrverbote gegen alte, stinkende Dieselfahrzeuge. Endlich - könnte man meinen. Die ehemalige Umwelthauptstadt Europas stilisiert sich zum Vorreiter im Kampf gegen Stickoxide, Lärm und Gestank. Doch statt ein echtes Vorbild für andere belastete Städte zu sein, entpuppt sich das innerstädtische Fahrverbot bei genauerem Hinsehen als bloße Symbolpolitik. Gerade einmal zwei Straßen sperren die Behörden, von den Durchfahrtsbeschränkungen profitieren 1787 Anwohner der 1,8 Millionen Einwohner. Und der Rest? Verliert.
Denn die Fahrverbote sind ein bloßes Zahlenspiel statt eine nachhaltige Maßnahme für den Umweltschutz. 40 Mikrogramm Stickstoffdioxid (NO2) pro Kubikmeter Luft erlaubt der von der EU festgelegte Grenzwert. Nicht nur in Hamburg, sondern in Dutzenden deutschen Städten wird dieser regelmäßig überschritten.
Ein Verbot, das nichts bringt
Um die Emissionen langfristig unter den Grenzwert zu drücken, wird der Verkehr in Hamburg in weniger belastete Straßen geführt, um den Anwohnern dort mehr Stickoxide als zuvor zuzumuten. Hamburg verteilt die Emissionen gleichmäßig übers Stadtgebiet, statt sie zu verringern. Unter dem Strich könnte so sogar mehr NO2 emittiert werden als zuvor.
Wie irrsinnig die Maßnahmen sind, zeigt ein weiterer Fakt: Die von den Fahrverboten betroffenen Straßen sind nur zwei von vielen in Hamburg, in denen der Grenzwert regelmäßig gerissen wird. An manchen Straßen sind die NO2-Emissionen im Jahresdurchschnitt sogar deutlich höher. Warum es dort keine Fahrverbote gibt? Ganz einfach: Weil weitere Fahrverbote "in einer Art Dominoeffekt zu Überschreitungen in weiteren Straßen führen würden, denen wiederum mit weiteren Dieseldurchfahrtsbeschränkungen begegnet werden müsste", heißt es im Luftreinhalteplan der Stadt.
Damit wäre es sogar schriftlich belegt: Hamburgs Umweltmaßnahmen sind bloßer Aktivismus. Sie dienen dazu, die EU zu besänftigen, die Deutschland wegen schlechter Luft verklagt. Strafzahlungen sollen abgewendet werden. Aber auch jetzt ist das planlose Vorgehen der Politik nicht kostenlos. Die Fahrverbote gehen zu Lasten des Haushalts, sie binden Kräfte in den Behörden und bei der Polizei, die woanders besser eingesetzt wären.
Effektive Kontrollen sind nämlich fast unmöglich. Nur mit einem Blick in den Fahrzeugschein lassen sich die Autos erkennen, die von Fahrverboten betroffen sind. Die Personalkapazitäten der Hamburger Polizei dürften dafür kaum ausreichen. Das Bußgeld fällt mit 25 Euro zu gering aus, um wirklich abschreckend zu wirken. Was nützt ein Fahrverbot, wenn sich erwartbar viele nicht daran halten?
Autoindustrie in die Pflicht nehmen
Dabei gibt es zahlreiche Alternativen. Eine großflächige Umweltzone wäre eine Lösung von vielen, um die alten Pkw aus der Innenstadt fernzuhalten. Im Gegenzug müssten der öffentliche Nahverkehr und das Radwegenetz ausgebaut sowie Car- und Bike-Sharing-Angebote erweitert werden.
Und vor allem darf die Politik den Verursacher der dicken Luft nicht aus den Augen verlieren: das Auto. Die Hersteller müssen verpflichtet werden, endlich saubere Antriebe zu entwickeln und massentaugliche Elektroautos auf den Markt zu bringen. Doch von den großen Autokonzernen dürfte in nächster Zeit wenig zu erwarten sein. Sie sind viel zu sehr damit beschäftigt, in der selbstverursachten Dieselkrise Schadensbegrenzung zu betreiben. Dabei ähnelt ihr Vorgehen dem der Stadt Hamburg: Mit überschaubar wirksamen Softwareupdates betreiben sie Symbolpolitik, um die Kunden ruhigzustellen. Dem Kunden bringen sie bei Fahrverboten nichts.