Fahrverbote in Oslo Diesel müssen draußen bleiben

Oslo leidet wieder unter Smog. Was sich deutsche Kommunen nicht trauen, zieht die Stadtverwaltung dort durch: Von Dienstag an dürfen private Dieselautos nicht in die Stadt fahren. Langfristig sollen sie ganz draußen bleiben.

In Oslo herrscht heute dicke Luft. Wegen des Smogs, der sich über die Stadt gelegt hat. Und wegen der umstrittenen Maßnahme der Stadtväter im Kampf gegen die Luftverschmutzung: dem Diesel-Fahrverbot, dem ersten in der Geschichte der norwegischen Metropole. Am morgigen Dienstag und wohl auch am Mittwoch dürfen von 6 bis 22 Uhr keine dieselgetriebenen Privatfahrzeuge unterwegs sein, haben die Behörden gerade angeordnet. Wer keine Ausnahmegenehmigung hat, trotzdem fährt und erwischt wird, muss 1500 Norwegische Kronen (rund 165 Euro) Geldstrafe bezahlen.

Oslos Bürger stellen sich auf ein Chaos ein. Denn 45 Prozent aller PKW im Ballungsraum der Metropole mit seinen fast zwei Millionen Menschen sind dieselgetrieben. Die Stadtverwaltung behauptet, sie habe keine Alternative zum Fahrverbot. "Heute haben wir an mehreren Messstationen die zulässigen Grenzwerte bei Stickoxiden überschritten, und das ist erst der Anfang", sagt Susanne Lützenkirchen, die bei der Umweltbehörde für Luftqualität zuständig ist. "In den nächsten Tagen soll die Belastung weiter steigen."

Oslo hat nicht zum ersten Mal dieses Smogproblem. Immer wieder mal kommt es hier im Winter zu Inversionswetterlagen, wenn über einer kalten Luftschicht am Boden eine wärmere Luftschicht liegt und die verschmutzte Luft nicht abziehen kann. Immer wieder klagen dann Osloer Bürger über Atemprobleme, bleiben vor allem Asthmakranke, Kinder und Alte lieber daheim. Doch ein Dieselfahrverbot hat die Stadt nie zuvor verhängt. "Was wir jetzt erleben, ist eine symbolträchtige, hochpolitische Entscheidung", sagt ein Kenner der Osloer Politbetriebes. Die neue rot-rot-grüne Stadtregierung wolle ein Zeichen setzen gegen die ungeliebten Dieselfahrzeuge.

Dem Diesel wird der Krieg erklärt

Ist der Diesel am Ende? Oslo ist nicht die erste Metropole, die dem Diesel den Krieg erklärt. In Paris plant Bürgermeisterin Anne Hidalgo, Dieselfahrzeuge schon 2020 komplett zu verbieten. Vor wenigen Wochen verkündeten dann die Stadtoberen von Athen, Madrid und Mexico-City einen Dieselbann bis 2025. In London will der neu gewählte Bürgermeister Sadiq Khan Fahrern älterer Dieselmodelle eine "toxicity charge" von zehn Pfund abknöpfen. Und in Deutschland macht sich Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) dafür stark, den Kommunen zu erlauben, Dieselfahrzeuge auszusperren, gegen den Widerstand ihres Parteichefs Sigmar Gabriel. Aber Norwegen und ganz besonders Oslo gehen noch einen Schritt weiter: mit dem Fahrverbot - und der massiven Förderung von Elektroautos.

"Jedes Jahr sterben in unser Stadt rechnerisch 183 Bürger an den Folgen der Luftverschmutzung", sagt Marion Godager Tveter. "Unsere oberste Priorität ist die Gesundheit der Menschen, danach kommen die Interessen der Autofahrer." Die Grünen-Politikerin sitzt im Stadtrat von Oslo im Ausschuss für Verkehr und Umwelt. Bei den Wahlen 2015 hat ihre Partei gemeinsam mit den Sozialdemokraten und den Sozialisten die Mehrheit errungen - und sich sofort an eine Verschärfung der Umweltbestimmung gemacht.

Seit einigen Monaten darf die Umwelt-Stadträtin, eine Parteigenossin Godagers, jederzeit ein Fahrverbot verhängen, sobald die festgelegten Grenzwerte überschritten sind. Nun hat sie die erste Gelegenheit genutzt, die sich bot. Viele Bürger ärgert das, zumal Oslo den öffentlichen Personennahverkehr bislang nur marginal ausweiten will. "Forscher haben nachgewiesen, dass das Dieselverbot die Luftbelastung mit Stickstoffoxiden um 20 bis 25 Prozent reduziert", rechtfertigt sich Godager. Später fügt sie hinzu: "Diesel hat in Großstädten keine Zukunft. Elektroautos schon."

Norwegen - Boom-Land für Elektroautos

Nirgends boomen die Stromer so wie in Norwegen. Vergangenes Jahr waren drei von zehn PKW-Neuzulassungen Elektrofahrzeuge und Plug-in-Hybride. Zum Vergleich: In Deutschland betrug der Anteil wahrscheinlich weniger als ein Prozent - trotz der neuen Kaufprämie der Bundesregierung. Norwegen bietet Autokäufern ein Füllhorn von Kaufanreizen. So sind E-Mobile von der Zulassungssteuer befreit, die bei Autos mit Verbrennungsmotor im Durchschnitt mehr als 100.000 Kronen (gut 11.000 Euro) beträgt. Ebenso müssen ihre Käufer keine Mehrwertsteuer von 25 Prozent bezahlen. Und sie sind auch von der Maut befreit, die in Norwegen an allen erdenklichen Orten abkassiert wird. In Oslo dürfen E-Mobilisten dazu gratis parken sowie vielerorts auf der Busspur am Stau vorbeifahren und kostenlos Strom tanken.

Anteil der Dieselzulassungen (blau) und E-Auto-Zulassungen (grün) in Norwegen

Anteil der Dieselzulassungen (blau) und E-Auto-Zulassungen (grün) in Norwegen

Foto: SPIEGEL ONLINE

Oslos Regierungsparteien wollen bis 2024 sämtliche Autos mit Verbrennungsmotoren aus dem innerstädtischen Ring vertreiben. Dazu planen sie unter anderem, den öffentlichen Verkehr weiter auszubauen und die Citymaut von derzeit 33 Kronen (3,70 Euro) drastisch anzuheben - besonders für Dieselfahrzeuge. Zuckerbrot für E-Mobile, Peitsche für Dieselfahrzeuge, lautet das Motto.

Kehrtwende in der Dieselpolitik

Trotzdem könnten die Politiker ihr Ziel verfehlen. "Diesel werden noch lange Zeit einen beachtlichen Marktanteil in Norwegen haben", sagt Björn Gjestvang, Automobilexperte der Unternehmensberatung KPMG. "Sie sind effizient und gut geeignet für Menschen, die viel fahren. Im Schnitt werden Autos hierzulande wegen der hohen Anschaffungskosten erst nach 18 Jahren verschrottet." Noch bis Anfang des Jahrzehnts waren drei von vier neuzugelassenen PKW in Norwegen Diesel. Denn 2006 hatte der damalige sozialdemokratische Regierung die Bürger mit Steuervergünstigungen gelockt, sich Dieselfahrzeuge zuzulegen: Die emittieren pro gefahrenen Kilometer weniger klimaschädliches Kohlendioxid als Benziner.

Gjestvang hält Oslos Dieselfahrverbot für fragwürdig. "Die Behörden machen keinen Unterschied zwischen emissionsarmen Modellen nach Euro-6-Norm und 20 Jahre alten Fahrzeugen." Zudem bekämen Benziner freie Fahrt - ebenso wie Diesel-Busse, -Polizeifahrzeuge, -Krankenwagen und Taxis sowie der gesamte Durchgangsverkehr auf einigen Hauptstraßen.

"Wir erleben hier ein Experiment", sagt Gjestvang. Er selbst wird morgen mit dem Elektroauto ins Büro fahren statt wie sonst mit der Metro. Denn die dürfte heillos überfüllt sein. Zusätzliche Züge plant Oslos Stadtverwaltung bislang nicht; nur eine einzige Busgesellschaft will mehr Fahrten anbieten. Für die Politikerin Marion Godager Tveter ist das kein Problem: Sie arbeitet morgen von zu Hause aus.

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten