Regierungskonzept Diesel Welche Autofahrer profitieren - und wer leer ausgeht

Mehr als drei Jahre nach Beginn des Dieselskandals hat sich die GroKo auf Umtauschprämien und Hardwarenachrüstungen für Dieselfahrer geeinigt. Doch nicht alle Betroffenen bekommen auch tatsächlich Hilfe.
Foto: imago/ Future Image

Welche Maßnahmen hat die Große Koalition beschlossen?

Besitzern älterer Diesel in 14 Regionen mit besonders schmutziger Luft sollen zwei Möglichkeiten angeboten werden: Die Koalitionsspitzen fordern die Autohersteller auf, großzügige Umtauschprämien für den Neu- und Gebrauchtwagenkauf zu gewähren. Außerdem soll es Angebote zu Hardware-Nachrüstungen mit sogenannten SCR-Katalysatoren geben, die mithilfe einer Harnstofflösung dafür sorgen, gesundheitsschädliche Stickoxide zu eliminieren.

Wer profitiert davon?

Autobesitzer älterer Dieselautos mit einer Abgasnorm Euro 5 und schlechter, die in folgenden Städten leben: München, Stuttgart, Köln, Reutlingen, Düren, Hamburg, Limburg an der Lahn, Düsseldorf, Kiel, Heilbronn, Backnang, Darmstadt, Bochum und Ludwigsburg. Für Städte, in denen es demnächst zu Fahrverboten kommen könnte - wie unter anderem Frankfurt am Main - soll es Förderprogramme für die Nachrüstung kommunaler Fahrzeuge, für Taxen und Lieferwagen von Handwerkern geben. Der Bund will die Nachrüstung dieser Fahrzeuge weitgehend bezahlen.

Einbezogen werden sollen bei allen diesen Städten aber jeweils auch Bewohner der angrenzenden Landkreise und berufliche Pendler - Angestellte wie auch Selbstständige, die ihren Firmensitz in der Stadt haben, sowie Fahrzeughalter mit besonderen Härten. Darunter fallen beispielsweise auch Autofahrer, die in einer der betroffenen Städte ein Familienmitglied pflegen müssen.

Sehen Sie hier die Einschätzung von Auto-Redakteurin Margret Hucko:

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Wie hoch sind die Kaufprämien beim Neuwagenkauf?

Damit mehr schmutzige ältere Diesel von den Straßen kommen, sollen Autofahrern neue Kaufanreize gemacht werden. Die deutschen Hersteller haben dem Bund demnach zugesagt, für Besitzer von Autos der Abgasnormen Euro 4 und Euro 5 "ein Tauschprogramm mit attraktiven Umstiegsprämien oder Rabatten" anzubieten, heißt es in der Einigung zwischen SPD und Union. Dabei solle "der besondere Wertverlust, den Dieselfahrzeuge durch die Debatte um deren Schadstoffausstoß erlitten haben, ausgeglichen werden". Gekauft werden können Neuwagen und auch gebrauchte.

Volkswagen möchte Dieselbesitzern so schnell wie möglich Umtauschprämien anbieten, die im Schnitt bei etwa 4000 Euro für Diesel der Abgasnormen Euro 1 bis Euro 4 und bei 5000 Euro für Euro-5-Diesel liegen wird. Daimler bietet bis zu 5000 Euro, BMW pauschal 6000 Euro Umtauschprämie an. Von den ausländischen Herstellern würden vergleichbare Angebote erwartet. So hat Renault als erster Importeur nach der Einigung im Dieselstreit eine Umtauschprämie von bis zu 10.000 Euro angekündigt.

Wer übernimmt die Kosten für die Hardware-Nachrüstung?

Für Euro-5-Diesel soll nach Forderung der Bundesregierung auch der Einbau zusätzlicher Abgasreinigungstechnik am Motor ermöglicht werden. Wenn Besitzer eine solche Hardware-Nachrüstung wollen und solche Systeme verfügbar und geeignet sind, erwartet der Bund "vom jeweiligen Automobilhersteller, dass er die Kosten hierfür einschließlich des Einbaus übernimmt". Die Haftung sollen demnach die Nachrüstfirmen übernehmen.

Sind die Autohersteller verpflichtet die Maßnahmen umzusetzen?

Nein. Das Angebot der Hersteller ist zwar das Ergebnis des Koalitionsgipfels, aber nicht verpflichtend für die Autohersteller. Für Dieselfahrer könnte das zum Problem werden. Während die Hersteller sich bereit erklärt haben, Umtauschprämien für die Autofahrer anzubieten, ist die Lage zur Nachrüstung älterer Diesel-Pkw noch teilweise unklar. Gegen die Bereitschaft der großen Hersteller zu Nachrüstlösungen spricht, dass jene "das Modell der Umtauschprämie priorisieren", so Verkehrsminister Andreas Scheuer. Während VW grundsätzlich zu einer Nachrüstung bereit ist (derzeit aber keine vollständige Übernahme der Kosten in Aussicht stellt), macht Daimler diesbezüglich noch keine Zusage. BMW und Opel erteilen einer Nachrüstung sogar eine komplette Absage. Und wenn die großen Autohersteller keine Umrüstungen anbieten, würden diejenigen, die eine Nachrüstlösung in Betracht ziehen, vermutlich selbst auf diesen Kosten sitzen bleiben.

Ab wann gelten die Regelungen?

Ab sofort. Allerdings hängt die tatsächliche Umsetzung von den Autoherstellern ab. Nachdem die Umtauschprämien umgehend zur Verfügung stehen, wird es bei den Nachrüstungen wohl noch ein wenig dauern. Denn selbst Hersteller, die den nachträglichen Einbau sogenannter SCR-Katalysatoren grundsätzlich in Betracht ziehen, können mit der Maßnahme erst beginnen, wenn die entsprechenden technischen Lösungen vom Kraftfahrt-Bundesamt abgenommen sind. Der schwedische Autohersteller Volvo hat nach SPIEGEL-Informationen bereits ein Nachrüstungsangebot für seine Kunden vorbereitet.

Warum hat die Regierung überhaupt ein Maßnahmenpaket beschlossen?

Hintergrund für die neuen Maßnahmen ist zu schmutzige Luft in vielen deutschen Städten und die damit drohenden Fahrverbote für ältere Diesel. In Hamburg sind bereits zwei Straßenabschnitte gesperrt und auch in Stuttgart ist für 2019 ein großflächiges Diesel-Einfahrverbot geplant. Kürzlich hatte ein Gericht auch Fahrverbote für die Innenstadt der Pendlermetropole Frankfurt am Main ab 2019 angeordnet. Auch die EU-Kommission macht Druck und will Deutschland per Klage beim Europäischen Gerichtshof zur Einhaltung der Grenzwerte zwingen, die schon seit 2010 verbindlich sind.

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