Abgasaffäre Umweltministerin fordert Nachrüstung von Dieselautos

Die Ergebnisse der jüngsten Abgastests lassen Barbara Hendricks verzweifeln: Die Umweltministerin gibt Pläne einer blauen Plakette auf. Stattdessen sollen Hersteller die Diesel-Pkw ihrer Kunden umrüsten - gratis.
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD)

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD)

Foto: Gregor Fischer/ dpa

Das Umweltbundesamt (UBA) hat bei einem Abgastest von mehreren Dutzend Dieselautos noch einmal festgestellt, was schon längst bekannt ist: Viele moderne Selbstzünder sind Mogelpackungen. Selbst Modelle, die der aktuell gültigen Abgasnorm Euro 6 entsprechen, stoßen offenbar viel mehr giftiges Stickoxid aus, als von den Herstellern angegeben. Im Schnitt 507 Milligramm pro Kilometer - der Grenzwert erlaubt nur 80 Milligramm. Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) stellte die Testergebnisse am Dienstag vor - und richtete anschließend einen etwas hilflosen Appell an die Autoindustrie.

Die Branche, so die Forderung Hendricks', sollte ihre Diesel-Pkw auf eigene Kosten nachrüsten und so die Emissionen um mindestens die Hälfte senken: Das betreffe vor allem Euro-5-Diesel - aber auch neuere Modelle, die der EU-Abgasnorm Euro 6 entsprächen. "Es muss klar sein, dass die Hersteller die kompletten Kosten tragen und dem Halter dadurch keine Nachteile entstehen dürfen", verlangte sie.

Daran ist zwar viel Wahres - aber Hendricks' Wunsch richtet sich nunmal an Unternehmen, die sich im Verlauf der Dieselaffäre bislang wenig einsichtig gezeigt haben: VW pocht darauf, nicht betrogen zu haben und lehnt Entschädigungen von Kunden in Europa vehement ab; Hersteller wie Mercedes oder Opel haben die seltsamen Praktiken bei der Abgasnachbehandlung in ihren Dieselautos erst eingeräumt, als diese von Umweltschützern aufgedeckt wurden.

Hendricks muss klar sein, dass ihre Forderung in den Chefetagen von Wolfsburg, Rüsselheim, Stuttgart oder München kein Gehör findet. Der Branchenverband VDA ließ bereits mitteilen, dass sich Nachrüstungen von Dieselmotoren von Euro 5 auf Euro 6 "aus wirtschaftlicher Sicht kaum darstellen" ließen.

Plakette mache "keinen Sinn"

Die Umweltministerin hat am Dienstag zudem endgültig die Pläne einer blauen Plakette beerdigt. Mit ihr wollte Hendricks das Stickoxidproblem in den Großstädten angehen. Nach den Plänen ihres Hauses wäre bei Überschreiten der Grenzwerte nur noch Fahrzeugen mit einer Euro-6-Zulassung die Einfahrt in die Innenstädte erlaubt gewesen. Nun sagte sie: "Die Abgrenzungen zwischen Euro 5 und Euro 6 sind nicht zielführend." Sich mit einer Plakette an Grenzwerten zu orientieren, die um ein Vielfaches überschritten werden, mache keinen Sinn.

Da hat sie recht. Doch zum einen haben manche Hersteller wie Mercedes oder BMW gezeigt, dass man auch Motoren mit vorbildlichem Stickoxidausstoß konstruieren kann. Und zum anderen hätte die blaue Plakette als Lösung für eine bundesweite Regelung für Fahrverbote von alten Diesel die Autobranche schmerzlich treffen und damit unter Zugzwang bringen können.

Dass viele Diesel-Pkw mit Euro-6-Norm in Wirklichkeit gar nicht so sauber sind, muss Hendricks längst bewusst gewesen sein. Die blaue Plakette lag schon seit Langem auf Eis - jetzt scheint der richtige Zeitpunkt gekommen zu sein, um die Pläne endgültig zu begraben.

"Alle Vorschläge, die ich unterbreitet habe, um den Kommunen Lösungswege an die Hand zu geben, wurden abgelehnt", sagte Hendricks auf der Pressekonferenz am Dienstag. Damit gestand sie ein, sich nicht gegen Verkehrsminister Alexander Dobrindt durchsetzen zu können. Der CSU-Politiker hatte die blaue Plakette von Anfang an verteufelt.

Appell an einen Unverbesserlichen

Von Dobrindt verlangte Hendricks nun, die Industrie stärker in die Pflicht nehmen. Doch auch diese Forderung der Umweltministerin richtete sich an einen Unverbesserlichen: Denn am Dienstag war ebenfalls bekannt geworden, dass das Verkehrsministerium eine im Zuge des Abgasskandals geplante Verschärfung von Fahrzeugtests durch die EU ablehnt.

Das Verkehrsministerium will zum Beispiel die Typenzulassung weiter in nationaler Hand behalten, statt Kontrollen von EU-Behörden zuzulassen. Das Verkehrsministerium hatte der EU-Ratspräsidentschaft seine Haltung bereits Ende letzten Jahres in einem Papier erläutert, das unter anderem der Nachrichtenagentur Reuters vorliegt. Auch die "Süddeutsche Zeitung"  hatte darüber berichtet. Laut dem Blatt lehnt das Verkehrsministerium es auch ab, dass Brüssel bei Abgasbetrügereien von den Herstellern pro Auto eine Strafe von 30.000 Euro erheben darf.

Es wäre ein weiteres Zugeständnis der Bundesregierung an die Autolobby. Die Ergebnisse der Abgasuntersuchungen des Umweltbundesamts haben dagegen einmal mehr bewiesen, wie dringend nötig strengere Kontrollmechanismen sind.

mit Material von dpa und Reuters
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