Verein für Abgasmessung Dobrindts Institut erweist sich als "Phantom"

Mit einem Institut für Spritmessungen wollte der damalige Verkehrsminister Dobrindt im Abgasskandal punkten. Ende 2017 sollte es starten. Doch erst jetzt nehmen die Ministerien die Arbeit auf - und sind sich prompt uneins.
Autoverkehr in München

Autoverkehr in München

Foto: Matthias Balk/ dpa

Es sollte ein Befreiungsschlag werden. Mit einem Abgasinstitut wollte der frühere Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) den realen Verbrauch und die Emissionen von Pkw auf deutschen Straßen testen. Ende vergangenen Jahres sollte es die Arbeit aufnehmen, so versprach Dobrindt im Juni 2017. Passiert ist nach SPIEGEL-Informationen nichts.

Jetzt nimmt sein Nachfolger Andreas Scheuer (CSU) das Projekt wieder auf - das nun für reichlich Debatten zwischen den Ministerien sorgt und der Umwelt kaum helfen wird.

Obwohl Dobrindt vergangenen Sommer fast zwei Jahre nach dem Beginn des Abgasskandals um manipulierte Volkswagen-Dieselautos großspurig eine neue Abgasprüfinstanz ankündigte, muss die Bundesregierung Untätigkeit eingestehen. Erst jetzt sind die zuständigen Ministerien an die Arbeit gegangen, berichten Insider.

"Zurzeit erfolgen Abstimmungen bezüglich der Organisation, Struktur, Finanzierung und Satzung des Vereins zwischen den beteiligten Ressorts", heißt es entsprechend in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage des Grünen-Bundestagsabgeordneten Stephan Kühn, die dem SPIEGEL vorliegt.

"Dobrindts Institut für Spritverbrauchsmessungen ist ein Phantom", kritisiert Kühn, Sprecher für Verkehrspolitik der Grünen-Bundestagsfraktion. Nicht einmal grundlegende Fragen zur Finanzierung und Organisation seien bis heute geklärt. Rund zwei Millionen Euro jährlich hatte Dobrindt zugesagt - finanziert von der Autoindustrie.

Disput um Konstruktion des Instituts

Das geplante Deutsche Institut für Verbrauchs- und Emissionsmessungen (DIVEM) wurde bislang sogar nicht nur verschleppt, es hat nach Insiderinformationen auch einen Disput zwischen dem federführenden Bundesverkehrsministerium und den Kollegen im Umweltministerium ausgelöst. Auch im Verbraucher- sowie Wirtschaftsministerium rege sich bei wesentlichen Themen Widerstand.

Es gebe zwar erste Entwürfe für das Konstrukt. Doch unklar sei nach Informationen aus den Ministerien, ob das Institut - wie vom Verkehrsministerium geplant - überhaupt als eingetragener Verein gegründet und von der Atomobilindustrie tatsächlich finanziert werden sollte - wenn es doch unabhängig Pkws prüfen soll.

Ebenfalls sei strittig, welche Institutionen in einem geplanten Beirat beteiligt werden sollten. Für einen Beirat waren ursprünglich Kommunen, Verbraucherverbände, gesellschaftliche Organisationen und das Bundesumweltministerium geplant. Nun gibt es jedoch Gezerre, wer wirklich mitreden soll. Infrage stehe zudem, welche Aufgaben das Abgasinstitut überhaupt genau übernehmen, was und wie das Institut prüfen solle.

Kritiker sehen Geldverschwendung

Das Bundesverkehrsministerium bleibt bei seinem offiziellen Duktus: "Die Bundesregierung treibt die Gründung des DIVEM weiter voran", betont das Ministerium auf SPIEGEL-Anfrage. Das Institut solle seinen Sitz in Berlin haben. Es fänden derzeit "vertiefte Abstimmungen zu Einzelfragen zwischen den beteiligten Ressorts, insbesondere zur Struktur des Vereins" statt. Ein Sprecher des Bundesumweltministeriums bestätigt die nun angelaufenden Gespräche, in dem man "seine Vorstellungen zur Ausgestaltung des DIVEM" einbringe. Es gebe keinen Disput.

Allerdings heißt es unter Experten des Ministeriums, man stehe konträr zu dem Plan, einen privaten Verein dafür zu gründen. Dagegen halten die Ministerialen unter Verkehrsminister Scheuer an diesem Ziel von Dobrindt klar fest: "Es ist geplant, das DIVEM als eingetragenen Verein zu organisieren."

Dabei sehen nicht nur andere Ministerien solch ein Konstrukt als problematisch. Kritiker werfen der Bundesregierung Geldverschwendung vor, wenn das neue Institut als Verein arbeiten sollte. "Die Ausgaben wären woanders besser investiert", sagt ein langjähriger Experte für Abgastests.

Das Institut soll testen lassen, welchen Schadstoffausstoß und Verbrauch Autos im realen Straßenverkehr haben und anschließend die Ergebnisse veröffentlichen. Allerdings könnte solch ein Verein keinen Rückruf auslösen, sollten Grenzwerte für Emissionen tatsächlich überschritten werden. Dafür müsste das Kraftfahrtbundesamt (KBA) oder das Umweltbundesamt (UBA) selbst tätig werden. Sie müssten beispielsweise für Rückrufe die Tests des neuen Instituts überprüfen.

Experten sehen Behörden als bessere Tester

Der nun für das neue Abgasinstitut entstandene Dissens spricht Bände. Als Antwort auf die Kleine Anfrage schreibt die Bundesregierung, dass es eine "unabhängige und neutrale Ermittlung von Emissions- und Verbrauchsangaben für im Straßenverkehr zugelassene Personenkraftwagen" geben solle. Das KBA müsste dies gewährleisten und hierfür aus Sicht von Experten für Abgastests schlicht besser ausgestattet werden.

Darüber hinaus sollen künftig auf Anordnung der EU auch in Deutschland realitätsnähere Messverfahren eingeführt werden. Dadurch würden die bisher stark von den tatsächlichen Emissionen auf der Straße abweichenden Laborwerte obsolet - und demnach wohl auch ein neues Prüfinstitut. Schon jetzt sollen die Behörden über die Feldüberwachung stichprobenartig Autos im Realbetrieb testen.

"Statt noch länger an seinem Abgasinstitut herumzudoktern, muss Verkehrsminister Scheuer die staatlichen Instrumente bei Genehmigung und Kontrolle stärken", fordert der Grünen-Bundestagsabgeordnete Kühn. "Wir brauchen endlich realistische und verbindliche Verbrauchsmessungen schon bei der Zulassung neuer Autos. Anstatt eines Abgasinstituts, das von der Autoindustrie finanziert wird, müssen unabhängige Behörden prüfen, ob die Herstellerangaben beim Spritverbrauch stimmen."

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