Ifo-Studie zur Klimabilanz Wie das Elektroauto schlechtgerechnet wird

Tesla Model 3
Foto: Frederic J. BROWN / AFPElektroautos spielen bislang in Deutschland kaum eine Rolle. Und glaubt man der jüngsten Studie des Ifo-Instituts , dann sollte das am besten auch in Zukunft so bleiben, weil Dieselautos das Klima besser schützen als E-Mobile. Ein Mercedes C220 mit Dieselmotor hat demnach in Deutschland eine bessere CO2-Bilanz als ein Tesla Model 3, eines der populärsten Elektroautos derzeit.
Der Mercedes kommt den Berechnungen zufolge auf einen CO2-Ausstoß von 141 Gramm pro Kilometer. Beim Tesla mit Long Range Dual Motor sind es laut der Studie 155 bis 180 Gramm - je nachdem wo und wie die Batterie hergestellt wurde.
Es gibt inzwischen reichlich Kritik an der Veröffentlichung: Laut "WirtschaftsWoche" widerspricht sie "in krasser Weise so gut wie allen seriösen, internationalen Studien der vergangenen Monate". Der Mobilitätsexperte Don Dahlmann erklärt , in der Studie werde mit falschen Zahlen gerechnet. Das Umweltbundesamt verweist auf eine umfangreiche frühere Studie , nach der E-Autos besser abschneiden als Diesel-Pkw.
Viel Kohlestrom
In ihren Kalkulationen für die Ifo-Studie haben Hans Werner Sinn und seine Kollegen den deutschen Strommix für das Laden des E-Autos und die Emissionen bei der Herstellung der Batterie in die Ökobilanz einfließen lassen. Sonstige Emissionen, die in der Herstellung der Autos stecken, wurden nicht berücksichtigt.
Die Berechnungen sind grundsätzlich plausibel - doch die Ergebnisse gelten nur unter bestimmten, von den Autoren gewählten Bedingungen.
Die Ifo-Experten gehen beispielsweise davon aus, dass ein Elektroauto in Deutschland mit reichlich Kohlestrom geladen wird. 35 Prozent, um genau zu sein. Außerdem nehmen die Autoren an, dass bei der stromintensiven Herstellung der Batterie ebenfalls viel Kohlestrom genutzt wird. Ergebnis ist dann die angeblich so miese CO2-Bilanz des Tesla.
Wir haben uns die Berechnung genauer angeschaut und zeigen, dass der Ausstoß eines Elektroautos in der Regel niedriger ist als in der Studie angegeben. Unter Idealbedingungen liegt er nicht bei 155 Gramm CO2 pro Kilometer, wie behauptet, sondern nur bei 31 Gramm.
Der tatsächliche CO2-Ausstoß eines E-Autos hängt von mehreren Faktoren ab. Wir haben fünf wichtige Variablen der Ifo-Studie genauer untersucht und festgestellt: Sobald man etwas optimistischere und realistischere Werte einsetzt als das Sinn-Team, hat der Diesel kaum noch eine Chance gegen das E-Auto.
Variable 1: Die Leistung des Motors
Im Vergleich des Ifo-Instituts treten ein äußerst leistungsstarker E-Sportwagen, ein Tesla Model 3, gegen eine deutlich schwächer motorisierte Mercedes-Limousine an. Die C-Klasse kommt auf 194 PS, der Tesla auf mindestens 351.
Wir haben daher zum etwas besseren Vergleich die CO2-Daten für die leistungsstärkste C-Klasse mit Dieselaggregat berechnet - das Modell 300 d 4Matic mit 254 PS. Dieser stößt statt 141 schon 176 Gramm pro Kilometer aus. In Wahrheit fällt die CO2-Bilanz für die beiden Dieselautos noch deutlich schlechter aus. Ihr Verbrauch wurde in der Studie nach dem veralteten Prüfzyklus NEFZ ermittelt, der gerade bei Autos mit Verbrennungsmotor zu unrealistisch niedrigen Werten führt.
Variable 2: Die Kapazität der Batterie
Laut einer schwedischen Studie aus dem Jahr 2017 entstehen bei der Produktion von Lithium-Ionen-Batterien für Elektroautos zwischen 145 und 195 kg CO2 je Kilowattstunde Batteriekapazität. In der großen Teslabatterie mit 75 kWh stecken demnach 11 bis 15 Tonnen CO2. Verteilt man diese über eine Laufzeit von 150.000 Kilometern, kommt man auf 73 bis 98 Gramm CO2 je Kilometer allein durch die Batterie. Dazu muss noch das CO2 addiert werden, das im Ladestrom steckt. Ergebnis sind die bereits genannten Werte von 155 bis 180 Gramm pro Kilometer.
Doch hier wird ein weiteres Mal zugunsten des Diesels gerechnet: Zum einen gibt es Zweifel an der schwedischen Studie - dazu später noch mehr. Und außerdem sollte ein Elektroauto eher nicht mit einer so großen Batterie wie der Tesla bestückt werden, weil sie das Auto unnötig schwer macht. Sinnvoller sind kleinere Batterien von 40 kWh wie beim Nissan Leaf oder dem Renault Zoe. Selbst Tesla bietet Modelle mit kleineren Akkus an. Entsprechend geringer ist der CO2-Ausstoß je Kilometer, welcher der Batterie zugerechnet werden muss.
Variable 3: Der Produktionsstandort der Batterie
Die Herstellung von Lithium-Ionen-Akkus ist sehr stromintensiv. Wieviel CO2 dabei entsteht, hängt davon ab, wie der Strom vor Ort produziert wird. Tesla stellt selbst Batterien in den USA her und nutzt dabei auch Solarstrom. Im Bundestaat Nevada, dem Standort der Fabrik, ist der Ökostromanteil höher als in fast allen anderen US-Bundesstaaten. Tesla hat das erklärte Ziel, ausschließlich erneuerbare Energien zu nutzen. Präzise Angaben zur Ökobilanz der Batterieproduktion gibt es bislang jedoch nicht.
Bei einem Strommix wie in Schweden (fast ausschließlich Öko- und Atom-Strom) ist die CO2-Menge laut der bereits erwähnten Studie etwa nur halb so groß wie in Ländern wie den USA. Der schwedischen Studie zufolge ist der CO2-Ausstoß bei der Batterieproduktion in China um etwa 30 Prozent höher als in den USA wegen der aktuell noch vielen Kohlekraftwerke.
Die Kalkulationen zum CO2-Ausstoß bei der Batterieproduktion sind jedoch eine Momentaufnahme. Mittelfristig soll und wird der Ökostromanteil auch in China deutlich wachsen und so die CO2-Bilanz der Batterieproduktion deutlich verbessern. Dieses Potenzial unterschlagen die Autoren der Ifo-Studie völlig. Sie gehen quasi vom Worst Case aus.
Variable 4: Der Strommix beim Aufladen
Ähnlich problematisch sind die Annahmen zum Ladestrom. Die Autoren arbeiten dabei mit dem aktuellen Strommix in Deutschland, der nach wie vor einen hohen Anteil von Kohlestrom hat - etwa ein Drittel. Doch dieser Anteil soll und muss mittelfristig deutlich sinken, sodass fast der gesamte Strom in Deutschland emissionsfrei ist. Dies wird dann zu einer deutlich besseren CO2-Bilanz bei Elektroautos führen.
Zudem können Elektroautos hierzulande mit 100 Prozent Ökostrom getankt werden. Die Deutsche Bahn beispielsweise nutzt für ihre Züge im Fernverkehr ausschließlich Ökostrom.
Wohin die Reise gehen soll, zeigt ein Blick in Nachbarländer wie Norwegen. Während im Strom aus einer deutschen Steckdose derzeit 550 Gramm CO2 pro Kilowattstunde stecken, sind es in Norwegen nur 60 Gramm. Entsprechend besser fällt die CO2-Bilanz eines Tesla aus, wenn er in diesen Ländern geladen wird - siehe Diagramm.
Variable 5: Die Laufleistung der Batterie
Die Autoren der Ifo-Studie setzen für die Autobatterie eine Laufleistung von 150.000 Kilometern an und rechnen nicht mit einer späteren Nutzung des Akkus - etwa als stationärer Stromspeicher in einem Haus. Man darf jedoch durchaus von einer längeren Laufleistung ausgehen - Tesla gibt für seine große Batterie beispielsweise eine Garantie bis zu 192.000 Kilometer. Und viele Akkus bekommen nach ihrer Zeit in Autos ein zweites Leben.
Das Diagramm oben zeigt dem Effekt einer längeren Laufleistung beim Model 3 von Tesla. Gerechnet wurde dabei mit deutschem Strommix und 200.000 beziehungsweise 250.000 Kilometern.
Fazit
Die Studie rechnet das Elektroauto schlecht - vor allem, weil sie allein vom Status quo in Deutschland ausgeht und von einer relativ CO2-intensiven Herstellung der Batterien. Doch beides soll und wird sich ändern - und so die CO2-Bilanz von Elektroautos deutlich verbessern.
Hinzu kommt, dass E-Auto-Besitzer bereits heute ihr Auto in Deutschland mit Ökostrom tanken können - und dies auch tun und so die Nachfrage nach sauberem Strom ankurbeln. Zudem darf mit einer längeren Laufzeit als 150.000 Kilometer gerechnet werden. Unter Idealbedingungen kommt ein Tesla Model 3 mit großer 75-kWh-Batterie so auf einen CO2-Ausstoß von nur noch 31 Gramm pro Kilometer - statt der berechneten 155 Gramm.
Wie hoch der Anteil von Elektroautos in fünf oder zehn Jahren sein wird, lässt sich trotz allem derzeit kaum vorhersagen. Womöglich wird es ein Nebeneinander verschiedener CO2-armer und CO2-freier Antriebstechniken geben. Wie zum Beispiel der Brennstoffzelle oder Biogas. Elektroautos dürften dabei auf jeden Fall eine wichtige Rolle spielen, auch wenn die Autoren der Ifo-Studie nicht so recht daran glauben wollen.
Anmerkung: In einer früheren Textversion hieß es unter Variable 3, dass es in Schweden fast ausschließlich Ökostrom gibt. Richtig ist aber, dass es einen Strommix aus Ökostrom und Atomstrom gibt. Wir haben die Passage entsprechend geändert.