E-Tretroller von Sharinganbietern in Berlin: Laut Stiftung Warentest ein riskanter Ritt
Foto: Christoph Soeder/ dpaE-Scooter zu fahren, macht Spaß - das haben auch die Mitarbeiter der Stiftung Warentest bei einem Vergleich der vier Anbieter Circ, Lime, Tier und Voi in Berlin festgestellt. Doch unterm Strich überwiegt die Kritik an Fahrzeugen und Geschäftsmodellen der Sharingfirmen.
So halten die Tester das Fahren mit den meisten Geräten für gefährlich, besonders auf unebenem Untergrund. "Sobald man über Kanten, Kopfsteinpflaster oder Huckel fährt, ist der Fahrspaß vorbei", urteilt die Stiftung.
Auch das Abbiegen habe sich als bedrohliche Angelegenheit erwiesen. Die Roller wackelten stark, sodass der Fahrer nicht einhändig fahren könnte, um Handzeichen zu geben. Die Tester habe es teilweise derart durchgeschüttelt, "dass sie die Fahrt wegen Sicherheitsbedenken abbrachen und die Scooter auf dem Gehweg schoben".
Die besten Fahreigenschaften wiesen die Roller des Anbieters Tier auf. Der Lenker ist auch für zwei Meter große Menschen hoch genug, die zwei Handbremsen (über die auch Circ verfügt) lassen sich einfach bedienen. Lime und Voi bieten je eine Handbremse und eine Fußbremse.
Schlecht schnitten die E-Scooter auch beim Preis ab, gerade auf kurzen Strecken. Das liegt an der Grundgebühr von einem Euro, die die Anbieter pro Fahrt verlangen. Die weiteren Kosten betragen 15-25 Cent pro Minute. Unterm Strich kann es günstiger sein, ein Auto oder einen E-Motorroller zu leihen.
Problematisch für Nutzer sind zudem die Geschäftsbedingungen mancher Anbieter. Sie verlangen, dass Fahrer die Roller auf ihre Fahrtüchtigkeit untersuchen, also etwa Bremsen und Beleuchtung kontrollieren. Dies könnten Kunden aber gar nicht fachgerecht leisten, moniert der Verbraucherzentrale Bundesverband. Circ habe bereits eine Unterlassungserklärung unterzeichnet, andere Anbieter wollen laut Stiftung Warentest nachziehen.
Aus Sicht der Tester sammeln die Apps auch zu viele Daten der Nutzer. Völlig überflüssig sei es etwa, dass Smartphones einen sogenannten Device Fingerprint an den Anbieter übermittelt. Mit diesem Datensatz lässt sich feststellen, von welchem Smartphone eine Anfrage kommt - und nicht nur von welchem Nutzer. Zudem überwachen Anbieter mit Trackern, wie sich Kunden in der App bewegen.
"Bei allen vier Anbietern im Test entrichten Nutzerinnen und Nutzer also nicht nur einen hohen Preis für die Fahrten", schlussfolgern die Tester. "Sie zahlen darüber hinaus auch noch mit ihren Daten."
Video: Wenn E-Scooter zur Stolperfalle werden
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Mit Federung und Stollenreifen - Der IO Hawk Exit Cross
Gefederter Aluaufbau, extra breites Trittbrett, Steigungen bis zu 20 Grad der Exit Cross der Marke IO Hawk aus Moers ist eine Neuentwicklung und so etwas wie der Grobian unter den neuen elektrischen Stehrollern. Der Hersteller ist bisher mit Hoverboards als Segway-Konkurrent in Erscheinung getreten. Die 10-Zoll-Luftreifen des Exit Cross und die vorderen Stoßdämpfer versprechen auch auf Wald- und Kieswegen Fahrkomfort. Selbst vor sandigen Abschnitten kapituliere der grobstollige Scooter nicht. Für Vortrieb sorgt ein 48-Volt-Motor mit 500 Watt in der Hinterradnabe. Verzögert wird mit zwei Scheibenbremsen.
Zusammengefaltet liegt das Packmaß bei 124 x 22 x 50 cm, ausgeliefert wird der Roller mit einem Tragegurt. Allerdings ist der Offroader mit mindestens 19,8 Kilo kein Leichtgewicht. So viel wiegt er, wenn ein Akku mit knapp 500 Wattstunden (Wh) Kapazität fest eingebaut ist, der bis zu 30 Kilometer Reichweite verspricht. Wer diese auf bis zu 48 Kilometer ausdehnen möchte, bestellt die Variante mit knapp 750 Wh womit allerdings auch das Gewicht auf 22 Kilo steigt. Eine Vollladung dauert dann sieben statt fünf Stunden. Die Preise liegen bei 1099 Euro und 1199 Euro. Auslieferungen beginnen laut IO Hawk um den 21. Juni.
Mit Frontantrieb und langem Brett - Der IO Hawk Sparrow-Legal
Das günstigere, aber auch leistungsschwächere Modell von IO Hawk ist der Sparrow-Legal eine Umrüstung des zuvor schon erhältlichen Sparrow. Der E-Motor ist im Vorderrad untergebracht und hat eine Nennleistung von 250 Watt. Der Stromspeicher ist mit 270 Wh kleiner, was sich aufgrund des geringeren Gewichts von 12,5 Kilo im Vergleich zum Exit-Cross aber nicht groß auf die Maximalreichweite niederschlägt, die der Hersteller mit 25 bis 28 Kilometer angibt. Die Ladezeit liegt bei drei bis fünf Stunden, die per Hebel am Lenker wählbaren Geschwindigkeitsstufen ermöglichen 6, 15 und 20 km/h.
Weil das Packmaß in der Länge schrumpft (120 x 55 x 49 cm), gibt sich der Sparrow-Legal beim Transport in Bus und Bahn weniger sperrig. Leicht abgespeckt kommt auch die Ausstattung daher. Es gibt nur eine Scheibenbremse, die gesetzliche Auflage zweier unabhängiger Bremsen erfüllt der Roller mit einer zusätzlichen Fußbremse. Er rollt auf kleineren 8-Zoll-Reifen, was Komfort und Fahrsicherheit schmälert.
Für einen sicheren Stand soll dagegen die mit 53 Zentimetern vergleichsweise lange Trittfläche dienen. Auslieferung: ab etwa 28. Juni, Preis: 779 Euro. Wer bereits einen Sparrow besitzt, kann sich den für einmalig 179 Euro zum Sparrow-Legal umrüsten lassen.
Preisbrecher der Premiummarke - Der E-Scooter von BMW und Micro
Dass ein Preisbrecher von BMW kommt, ist ungewöhnlich. Tatsächlich aber soll das Modell E-Scooter ab September zum Stückpreis von 799 Euro in den Handel kommen. Es entstammt einer Kooperation mit dem Schweizer Unternehmen Micro Mobility Systems, das für Tretroller und Kickboards bekannt ist. Es hat mit BMW schon den Microlino - die elektrifizierte Reinkarnation der Isetta - auf die Räder gestellt.
Unter den Rollern ist auch der BMW E-Scooter ein Mini. Mit eingeklappter Lenkstange misst das nur gut 9 Kilo schwere Vehikel lediglich 94 x 55 x 47 cm und bietet sich damit für die sogenannte letzte Meile und die Mitnahme in Bus und Bahn an. Die Reichweite gibt BMW mit 12 Kilometern an, nicht viel also. Dafür ist der Lithium-Ionen-Akku mit Zellen von LG und 115 Wh nach maximal zwei Stunden wieder voll. Anders als beim großen BMW X2City lässt sich die Batterie nicht entnehmen. Zudem ist der BMW-Scooter mit seinem 150-Watt-Motor im Hinterrad nicht der stärkste. Beschleunigt wird über Daumengas, verkauft zunächst nur über BMW-Händler.
Flaggschiff für Pendler - Der Egret-Ten V4
Die Hamburger Firma Walberg Urban Electrics schickt mit dem Ten V4 der Marke Egret sein umgerüstetes Flaggschiff ins Rennen der verordnungskonformen Elektrostehroller. Mit allen Vor- und Nachteilen: Der Scooter rollt auf vergleichsweise großen 10-Zoll-Reifen, gewährt dank 560-Wh-Akku bis zu 40 Kilometer Reichweite und ist mit seinem 500-Watt-Motor in der Hinterradnabe kraftvoll.
Doch liegt die maximale Ladedauer mit sechs Stunden wie auch das Gewicht von 17 Kilo eher hoch. Das Packmaß des Ten V4 geht mit 107 x 18,5 x 38 cm in Ordnung. Der Hersteller verspricht eine hochwertige Verarbeitung, die man angesichts des Listenpreises von 1649 Euro erwarten muss. Mit Preisen ab 949 Euro günstiger sind die Elektrostehroller der zweiten Walberg Urban Electrics-Marke, The-Urban, die schwächer motorisiert und mit kleinerem Akku vorfahren. Die Modelle sollen sämtlich Mitte Juli erstmals ausgeliefert werden.
(Das Bild zeigt den Egret-Ten V3X, der nicht verordnungskonform ist. Der Ten V4, von dem es noch keine Bilder gibt, wird bis auf eine geänderte Kabelführung und ein anders gestaltetes hinteres Schutzblech sehr ähnlich aussehen).
Mit Tempomat und Energiegewinnung - Der SXT Light Plus V eKFV
Die Marke aus dem badischen Rheinfelden führt das Modell als einen der "kompaktesten Elektroscooter der Welt". Die Argumente: ein Leergewicht von 11,2 Kilo und die Abmessungen von 94,5 x 30 x 13,5 cm, wenn das Alu-Gerät zusammengelegt ist. Ist die Herstellerangabe für den Alltagsgebrauch realistisch, kann sich auch die Reichweite von bis zu 40 Kilometern sehen lassen, die der Samsung-Akku mit 378 Wh gewähren soll.
Der Nabenmotor sitzt im Vorderrad und kommt auf maximal 500 Watt. Laut SXT soll er mit einem Verbrauch von 750 Wh auf 100 Kilometer besonders sparsam sein. Stimmt der Wert, würden bei 30 Cent je Kilowattstunde für die Strecke 22,5 Cent anfallen. Vorn ist eine elektromagnetische Bremse montiert, über die Bewegungsenergie gewonnen und damit die Reichweite gesteigert wird. Hinten wird verzögert - per einfacher Trommelbremse. Weil die kleinen Gummireifen kaum Komfort bieten, sind vorn und hinten Stoßdämpfer verbaut. Zudem gibt es am kleinen Roller einen Tempomaten für Stadtfahrten mit vielen Stopps ein wohl eher überflüssiges Gimmick. Auslieferung ab Mitte Juli; Preis: 1140 Euro.
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