E10-Debakel Wie die Regierung sich verzapft hat

Zu einer mutigen Klimapolitik fehlt der Bundesregierung der Mumm. Daher hat sie versucht, ihre CO2-Ziele durch den Zwangsverkauf des umstrittenen E10-Sprits zu erreichen. Diesen Fehler sollte Berlin rasch korrigieren. Denn der Nutzen des Ökosprits ist äußerst fragwürdig.
Kanzlerin Merkel, Minister Brüderle: Zeter und Mordio

Kanzlerin Merkel, Minister Brüderle: Zeter und Mordio

Foto: dapd

Rainer Brüderle (FDP) gibt gern den lupenreinen Marktwirtschaftler. "Adam Smith ist besser als Jean Colbert" pflegt der Wirtschaftsminister zu sagen. Wie recht er hat. Gerade hat seine Regierung versucht, dem Markt par Ordre de Mufti eine Absatzquote für E10-Benzin vorzuschreiben.

Genauso hätte es Merkantilist Colbert auch gemacht. Doch der Autofahrer tankt frecherweise nicht so, wie Brüderle und seine Planwirtschaftler sich das vorgestellt hatten. Mangels Nachfrage ersaufen die Tankstellen nun in unverkauftem E10-Sprit. Bei Adam Smith, dem Vordenker der freien Marktwirtschaft, hätte Brüderle das lernen können. Der sagt: "Konsum ist der Zweck aller Produktion."

Die Stümperhaftigkeit, mit der die Bundesregierung bei der Einführung des mit zehn Prozent Bioethanol angereicherten Benzins zu Werke geht, ist ärgerlich. Empörend ist, wie Angela Merkel und ihr Wirtschaftsminister in der Klima- und Verkehrspolitik wieder einmal auf eine Politik setzen, welche der Umwelt kaum hilft und die vor allem darauf abzielt, der Autoindustrie und Autofahrern nicht wehzutun.

Eine schlechte Politik miserabel umgesetzt

Man muss sich noch einmal ins Gedächtnis rufen, was der ursprüngliche Sinn und Zweck der Aktion war: Die Regierung muss den CO2-Ausstoß der deutschen Autoflotte senken, bis zum Jahr 2015 auf 130 Gramm je Kilometer. Weil Bioethanol weniger Kohlendioxid in die Atmosphäre bläst als Superbenzin, soll mehr davon in die Tanks der insgesamt 51 Millionen hiesigen Pkw.

Nun gäbe es eine Reihe weiterer Möglichkeiten, die CO2-Emissionen des Verkehrssektors zu reduzieren. Fast alle wären effektiver als E10:

  • Die Regierung könnte die immer noch in große, durstige Schlitten verliebte deutsche Autoindustrie nötigen, endlich sparsame Autos zu bauen.
  • Sie könnte eine Kaufprämie für Elektroautos einführen.
  • Sie könnte eine Kfz-Steuer entwerfen, die kleine Fahrzeuge begünstigt.
  • Eine weitere Möglichkeit wäre eine Pkw-Maut, die den Menschen das Autofahren, nun ja: madig macht.

All diese Maßnahmen haben freilich den Nachteil, dass man sich mit mächtigen Interessengruppen anlegen müsste. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) riefe bei nationalen CO2-Vorgaben sofort Zeter und Mordio. Bei einer Pkw-Maut täte der ADAC dasselbe. Zudem müsste man dem Verbraucher im letzteren Fall erklären, warum er zusätzlich belastet wird. Aber Dinge erklären ist etwas, das Rainer Brüderle nicht kann und Angela Merkel, die Sphinx im Kanzleramt, nicht will.

Verlagertes Problem

Da die Regierung bei den CO2-Grenzwerten also zu feige, zu maulfaul für gute Lösungen war, blieb nur die schlechte E10-Option. Die konnte man den Tankstellenbetreibern relativ einfach aufs Auge drücken, in der Hoffnung, dass es dann schon irgendwie funktioniert.

Diese Politik endet nun zu Recht im Chaos. Keiner will den Biosprit, weil er möglicherweise die Motoren schädigt. Da wirkt es fast nebensächlich, dass E10 nach Angaben des BUND global betrachtet ohnehin kaum CO2 eingespart hätte.

Der Regierung ging es nur darum, das von Brüssel vorgegebene Plansoll zu erfüllen. Wenn für unseren Biosprit anderswo Wälder abgeholzt werden müssen - dann ist das kein deutsches Problem, sondern das von irgendjemand anders. Diese Haltung erinnert ein bisschen an die "Politik der hohen Schornsteine" in den sechziger Jahren. Hauptsache bei uns ist es sauber - der Rest interessiert uns nicht.

Noch ist es nicht zu spät. Die Regierung sollte ihren Fehler eingestehen und die E10-Verordnung schnellstmöglich kassieren - weil sie ineffektiv, ökologisch fragwürdig und ordnungspolitisch kritikabel ist. Stattdessen gilt es, den CO2-Ausstoß mit nachhaltigeren Maßnahmen zu senken, siehe oben.

Wenn Berlin das nicht kann - oder nicht will - , werden die Tankstellen demnächst vermutlich wieder normales Superbenzin anbieten. Und es dann mit fünf bis zehn Cent Preisaufschlag versehen, um die anfallenden Bußgelder für nicht verkauftes E10 an die Verbraucher weiterzureichen.

Möglicherweise bringt das sogar mehr fürs Klima. Ein höherer Benzinpreis führt nämlich zu einer niedrigeren Nachfrage - und damit insgesamt zu weniger CO2-Emissionen. Adam Smith ist eben meistens besser als Jean Colbert. Das wusste Brüderle ja bereits. Jetzt müsste er nur noch danach handeln.

Übrigens: Die einfachste Möglichkeit, den Spritkonsum der Deutschen zu zügeln, wäre, die Mineralölsteuer kräftig zu erhöhen.

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