
VW Ein-Liter-Auto: Piechs dickste Zigarre
Ein-Liter-Auto von VW Gegen den Strom
Einen gelungenen Auftritt lässt sich Ferdinand Piëch gern etwas kosten. Auch wenn der VW-Patriarch sonst auf jeden Cent schaut, dürfen seine Entwickler bei Prestigeprojekten aus dem Vollen schöpfen. In seiner Amtszeit als VW-Chef hat er deshalb nicht nur Hunderte von Millionen Euro in die Wiedergeburt der Marke Bugatti gepumpt, sondern auch die Idee vom Ein-Liter-Auto forciert.
Damals wollte Piëch beweisen, was technisch alles machbar ist. Zur Hauptversammlung des Jahres 2002 rollte er mit einer Karbon-Zigarre von Wolfsburg nach Hamburg, deren nicht einmal zehn PS starker Einzylindermotor tatsächlich mit weniger als einem Liter Sprit zufrieden war.
Während die anderen Vorstände aus ihren Phaeton-Limousinen stiegen, kletterte Piëch mit seinem Nachfolger Bernd Pischetsrieder aus dem schmalen Sparer und hatte wie geplant den großen Auftritt für seinen Abgang. Während es um Piëch danach allerdings nie richtig still wurde, hörte man vom Ein-Liter-Auto kaum noch etwas. Zu teuer sei die Technik, als dass man den Wagen in Serie bringen könne, lautete der Nachruf auf das Konzept, das als Serienfahrzeug wohl bis zu 35.000 Euro gekostet hätte.
Jetzt ein bisschen durstiger
Das war gestern. Nun ist der Extremsparer wieder da: Zum Auftakt der IAA stand er bei VW. Und während der geistige Vater des Projekts in der ersten Reihe wohlgefällig nickte, ließen sich Piëch-Erbe Martin Winterkorn, Entwicklungsvorstand Ulrich Hackenberg und Designer Walter de Silva strahlend vor dem L1 fotografieren. Hackenberg: "Wir haben nie aufgehört, am Ein-Liter-Auto weiterzuentwickeln."
In der zweiten Auflage ist der L1 zwar nicht mehr ganz so sparsam, geht aber mit 1,49 Litern Verbrauch gerade noch als Ein-Liter-Auto durch, vorausgesetzt, man macht von der Rundungsregel Gebrauch. Dafür sind die Fahrleistungen jetzt keine Zumutung mehr, etwas Komfort ist auch an Bord. Und vor allem: Anders als vor sieben Jahren ist der Weg vom Wunsch zur Wirklichkeit nun offenbar vorgezeichnet: "Volkswagen macht mit der zweiten Generation eindeutig klar: Der L1 wird entwickelt; als Update der Zukunft. Mit komplett neuer Technologie und neuem Design. Revolutionär und seriennah", heißt es in einer Konzernmitteilung. Und weiter: "2013 wäre eine gutes Jahr für den Beginn der Zukunft."
Mit einem konventionellen Auto hat der L1 freilich nicht mehr viel gemein. "Radikales Umdenken" seit nötig gewesen, erklären die Verantwortlichen. Als säßen die beiden Insassen auf einem voll verkleideten Motorrad, reist man in dem Segelflieger ohne Flügel (3,81 Meter lang, 1,20 Meter breit, 1,14 Meter hoch) durchaus beengt. Dem Wind bietet die Karosserie kaum noch Angriffsflächen: der Kühlergrill ist voll verkleidet, die Außenspiegel wurden durch Videokameras ersetzt, statt Türgriffen gibt es Sensorfelder. Der cW-Wert liegt bei 0,195; zum Vergleich: Beim VW Golf beträgt er 0,295.
Jedes Gramm zählt
Eine Karosserie aus Kohlefaser und ein Leichtbaufahrwerk drücken das Gewicht auf 380 Kilo. Schon der kleinste Polo ist fast dreimal schwerer. Zwar war das Modell von 2002 noch um 90 Kilo leichter, doch sind diesmal Airbags, Klimaanlage und ein Navigationssystem an Bord. Und auch sonst wirkt der Wagen alles andere als spartanisch, wenn man wie ein Jetpilot vor dem 180-Grad-Cockpit sitzt und die Welt aus der Perspektive eines Motorradfahrers sieht.
Auch wenn der sparsamste Seriendiesel von VW im Polo Blue-Motion auf 3,3 Liter kommt, war kein aktueller Motor genügsam genug für den L1. Stattdessen haben die Niedersachsen den bislang kleinsten VW-Diesel entwickelt, einen Zweizylinder-TDI mit 0,8 Liter Hubraum und zwei Betriebsmodi. Im Eco-Modus arbeitet die Maschine mit lediglich 27 PS. Erst wenn die Sporttaste gedrückt ist, stehen 39 PS bereit - und machen eine Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h möglich.
Auch wenn der L1 die fahrende Antithese zum Siegeszug des Elektroautos ist, kommt er ohne elektrische Unterstützung doch nicht aus. Ins Gehäuse des siebenstufigen Doppelkupplungsgetriebes hat VW einen E-Motor eingebaut. Gespeist aus einem Lithium-Ionen-Akku hat er mit 14 PS genug Kraft, um den TDI zu unterstützen und den L1 in 14,3 Sekunden auf Tempo 100 zu schieben - und sogar, um die Fuhre auf kurzen Strecken alleine zu bewegen.
Bis der L1 in Serie gehen könnte, müssen noch eine Fülle von Problemen gelöst werden. "Es ist eine gigantische Herausforderung, die Fertigung des Monocoque aus Karbon im Hinblick auf die Kosten in den Griff zu bekommen", sagt Entwicklungschef Hackenberg. Auch der Motor ist eine Neuentwicklung, ebenso das Fahrwerk und auch das Interieur hat keine Gemeinsamkeiten mit anderen VW-Modellen. Das gilt nicht zuletzt für den Tank, der kaum größer ist als ein Reservekanister. Trotzdem reicht das Zehn-Liter-Volumen bei einem Verbrauch von 1,49 Litern für fast 700 Kilometer.