Elektro-Smart für London Umsonst im Sperrbezirk

Wirtschaftlich rechnen sich Autos mit alternativen Antrieben in der Regel nicht - außer in London. Dank der dortigen City-Maut boomen Öko-Wagen, Mercedes rüstet in der britischen Hauptstadt eine ganze Flotte Smart-Kleinwagen mit Akkus aus.

"Keine Stadt der Welt ist so autofeindlich wie London", sagt Thomas Weber, oberster Forscher und Entwickler von Mercedes. Tatsächlich müssen sich Autofahrer in der britischen Hauptstadt mit hohen Kfz-Steuern, horrenden Parkgebühren, saftigen Bußgeldern und Dauerstau herumschlagen. Seit 2003 kommt außerdem der sogenannte Congestion Charge hinzu. Wer mit dem Wagen in die Stadt will, muss acht Pfund (etwa zwölf Euro) und ab 2009 sogar 25 Pfund Eintritt zahlen. Nur ausnehmend umweltfreundliche Autos fahren umsonst. London ist damit die wohl erste Großstadt, in der sich die wirtschaftliche Logik in Bezug auf Ökoautos gravierend verändert hat. Der Kaufpreisaufschlag für einen Hybridantrieb oder eine große Batterie erscheint in einem ganz anderen Licht, wenn Pendler die City-Maut sparen und kostenlos parken können. "Das führte zu einem Boom für umweltfreundliche Autos", sagt Debbie Fox vom Marktbeobachter Jato Dynamics. "Die Verkäufe bei den 'Ecocars' haben sich von Jahr zu Jahr verdoppelt, und allein in den ersten sechs Monaten wurden mehr als 6500 Hybridautos zugelassen."

Auch Smart will von der City-Maut profitieren

Auch Mercedes-Manager Weber und sein Unternehmen möchten von diesem Trend profitieren. Für einen Flottenversuch mit Firmen und Behörden werden deshalb derzeit hundert Smart der ersten Modellgeneration auf Elektroantrieb umgerüstet. Der Kleinwagen des Daimler-Konzerns soll schon bald nahe Piccadilly Circus und Buckingham Palace herumfahren, ohne Kohlendioxid (CO2) in den Londoner Himmel zu blasen. Ganz ohne Emissionen geht es trotzdem nicht. Natürlich muss auch der Strom irgendwie hergestellt werden. Und nicht jeder hat, wie Mercedes in London, ein Windkraftwerk im Hof. "Doch schon wenn wir den Wagen mit dem ganz normalen Strom-Mix betanken, sparen wir CO2 ein", sagt Entwickler Timo Schweers.

Das Wesentliche aber: Vor Ort beim Autofahren gibt es weder Emissionen noch Lärm. Dabei macht der Wagen seine Sache ausgesprochen gut. Mit 41 PS kann er vieles besser, als der alte Benziner. Weil bei Stromern das maximale Drehmoment quasi direkt nach dem Start zur Verfügung steht, beschleunigt der Zweisitzer im Stadtverkehr wie ein Autoscooter auf Speed - spürbar schneller als etwa der alte Smart Brabus. In 5,7 Sekunden auf Tempo 60 – da macht der Sprint an der Ampel richtig Spaß. Weil das Originalgetriebe einfach im zweiten Gang blockiert wurde, gibt es im Elektromodell keine nervenzehrenden Schaltrucke. Und dass der Smart mit der Steckdose hinter der Tankklappe auf 112 km/h Höchstgeschwindigkeit begrenzt wurde, stört in der Stadt keinen.

Die Batterie liefert Strom für 100 Kilometer

Herzstück des Autos ist außer dem Elektromotor im Heck die Batterie, die unter dem Wagenboden festgeschraubt ist. Die Batterietechnik, es handelt sich um eine sogenannte Zebra-Zelle, ist konventionell. Das Gewicht geht mit gut 100 Kilogramm in Ordnung, die Ladezeit liegt bei fünf Stunden für 80 Prozent und acht Stunden für 100 Prozent Leistung, und die Lebensdauer ist mit 80.000 Kilometern für ein Stadtfahrzeug ausreichend.

Dennoch hat die Sache einen Haken: der Preis. Zwar ist die Umrüstung vergleichsweise günstig, doch würde sich den Strom-Smart unter normalen Umständen wohl kein Kunde leisten wollen. "In London ist das anders", sagt Marketing-Mann Pitt Moos. "Obwohl unsere Flottenkunden für den Stromer etwa die zweieinhalbfache Monatsmiete eines normalen Smarts bezahlen, geht für sie die Rechnung beinahe auf", sagt er und kalkuliert für Pendler fast 2000 Pfund Congestion Charge pro Jahr. Außerdem haben Elektroautos zwar hohe Anschaffungs-, dafür aber geringe Betriebskosten. "Einmal volltanken kostet nur zwei Euro", sagt Moos. Selbst wenn man mit einer Tankfüllung nicht wie bei einem Dieselmodell mehr als 1000 sondern nur gut 100 Kilometer schafft, sinkt der Kilometerpreis so auf unschlagbare zwei Cent.

Sind Elektroautos wirklich eine Lösung?

Vor diesem Hintergrund ist es kein Wunder, dass die kleinen Saubermänner in London gut ankommen. "Die hundert Autos sind längst verteilt, und beinahe täglich bekommen wir neue Anfragen", sagt Moos. Dass die Kunden auch mehr Autos kaufen würden, zeigt der in Indien hergestellte G-Wiz, der hierzulande als Greeny angeboten werden soll. Obwohl der winzige und modisch bunte, innen aber sehr enge und triste Viersitzer mehr kostet als manch ausgewachsener Kleinwagen, hat er sich mit fast tausend Zulassungen im Jahr in Szene-Vierteln wie Notting Hill zum Kult entwickelt.

"Dennoch ist die Begeisterung für die Elektroautos nicht ungeteilt", sagt Jato-Managerin Fox. "Auf der einen Seite suchen natürlich eine Menge Leute eine gebührenfreie Alternative, mit der sie ohne Geldsorgen wieder in die Innenstadt kommen." Aber auf der anderen Seite fragten sich viele, ob London davon profitieren würde, wenn die Autofahrer keine Rücksicht mehr auf die Gebühren nehmen müssten. "Es geht schließlich nicht nur um saubere Luft. Sondern auch die Staus will keiner mehr sehen. Auch wenn Elektroautos leise sind und nicht stinken, sieht eine schöne Innenstadt wohl anders aus."

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