Plug-in-Hybride in der Kritik Die Mär vom sauberen Dienstwagen

Plug-in-Hybride verbrauchen oft deutlich mehr Kraftstoff als angegeben - weil sie falsch genutzt werden
Foto: iStockphoto/ Getty ImagesÜber die Umweltbilanz von Plug-in-Hybriden ist derzeit eine Diskussion entbrannt. Die einen loben sie als klimafreundliche Alternative zum Verbrennerauto, die anderen als rollende Umweltsünde, die nur auf dem Papier sauber ist. Beides kann zutreffen - entscheidend sind die Nutzer.
Plug-in-Hybride haben zwei Antriebe an Bord. Einen klassischen Verbrennungsmotor und einen Elektromotor mit Batterie. Der Akku wird an der Steckdose ("Plug-in") geladen und reicht derzeit je nach Modell für elektrische Reichweiten von bis zu hundert Kilometern. Der Gedanke hinter dem Konzept: Auf vielen, meist nicht sehr langen Alltagsstrecken, wie beispielsweise dem Arbeitsweg oder der Fahrt zum Supermarkt, fährt man elektrisch und damit lokal emissionsfrei. Für längere Strecken, die bei durchschnittlichen Autofahrern in der Regel seltener absolviert werden, kann dann der Verbrennungsmotor genutzt werden. Der Plug-in-Hybrid soll so das Beste aus zwei Antriebskonzepten miteinander vereinen.
Die von den Herstellern angegebenen Normwerte dieser Fahrzeuggattung sind meist sehr niedrig. So gibt beispielsweise Mercedes für das 2,4 Tonnen schwere Hybrid-SUV GLE 350 de einen Normverbrauch von 1,1 Litern auf 100 Kilometer an. Ein Wert, der nur auf dem Papier erreicht wird, mit der Praxis aber nichts zu tun hat. Das liegt auch an der Berechnung des Verbrauchs von Plug-in-Hybriden.
Niedriger Verbrauch nur theoretisch
Grundlage zur Berechnung des Normwerts ist der sogenannte Utility-Faktor, der ausdrückt, wie viel das Fahrzeug elektrisch, und wie viel es mit Verbrenner fährt. Wenn das Fahrzeug beispielsweise 50 Kilometer elektrische Reichweite hat, beträgt der Utility-Faktor rund 75 Prozent. "Man geht dann davon aus, dass Fahrzeuge mit 50 Kilometer elektrischer Reichweite 75 Prozent aller Strecken elektrisch zurücklegen, die restliche Strecke mit dem Verbrennungsmotor", sagt Peter Mock vom International Council on Clean Transportation (ICCT).
Die Realität sieht meist aber anders aus. "Viele Plug-in-Hybride laufen in den Flotten großer Unternehmen und werden den Mitarbeitern als Dienstwagen zur Verfügung gestellt", sagt Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management (CAM). Das sei für die Firmen besonders attraktiv, weil die Fahrzeuge, sofern sie eine elektrische Mindestreichweite von 40 Kilometern gemäß WLTP haben, unter die 0,5-Prozent-Regelung für die Dienstwagenbesteuerung fallen. Damit sind sie schlicht günstiger. Und wo liegt das Problem?
Fahrer von Dienstwagen legen oft lange Strecken zurück, die weit über die rein elektrische Reichweite hinausgehen. Und ist die Batterie erst einmal leer, steigt der Verbrauch - und zwar drastisch. Bratzel zitiert eine Erhebung aus Großbritannien: "Eine Studie hatte gezeigt, dass der tatsächliche Verbrauch von Dienstwagen mit Plug-in-Technologie im Durchschnitt um 143 Prozent über den Herstellerangaben liegt", so Bratzel.
Dienstwagenfahrer laden nicht mit Strom
Wie die englische "BBC " über die Studie berichtete, lag der Realverbrauch von 1500 untersuchten Hybriden bei über sechs Litern pro 100 Kilometer. Der Hersteller gab den Normverbrauch für diese Fahrzeuge im Schnitt dagegen mit nur knapp zwei Litern an. Der Grund für die Diskrepanz, auch das gaben die Daten her: Die Fahrer hätten die Batterie nur selten oder nie geladen. "Wenn ich den Plug-in-Hybrid nicht lade, habe ich das Schlechte aus zwei Welten", sagt Bratzel. Das Auto fährt dann nur noch mit Verbrennungsmotor und hat durch das höhere Gewicht des Hybridsystems zusätzlich einen höheren Verbrauch.
Der Grund für den mangelnden Ladewillen vieler Dienstwagenfahrer: Meist bekommen die Mitarbeiter von Firmen Tankkarten ausgestellt, mit denen der Kraftstoff für sie kostenlos ist. Das Nachladen mit Strom, beispielsweise zu Hause, müssten sie hingegen in vielen Fällen selbst zahlen. Die Folge: Die Fahrzeuge sind größtenteils im Verbrennermodus unterwegs.
"Das kann man verhindern, indem man falsche ökonomische Anreize wie kostenloses Tanken und selbst bezahltes Laden vermeidet", sagt Patrick Plötz vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI). Auch die steuerliche Bevorzugung solle man überdenken. In England wurde die Steuervergünstigung bei Plug-in-Hybriden daher wieder abgeschafft. Auch in den Niederlanden werden Plug-in-Dienstwagen seit drei Jahren nicht mehr gefördert. Und Deutschland? Ist als Geisterfahrer unterwegs: Hierzulande wird aus dem Fördertopf noch eine Schippe nachgelegt.

Preisvergleich: Elektroauto vs. Verbrenner
Neben der Dienstwagenregelung werden Plug-in-Hybride in Deutschland zusätzlich mit einer staatlichen Kaufprämie gefördert. Diese plant die Regierung nun sogar von 3000 Euro auf 4500 Euro zu erhöhen. Das ist falsch, findet Experte Bratzel: "Die Förderung macht keinen Sinn, wenn diese Fahrzeuge nicht von denen gekauft werden, die ein passendes Fahrprofil haben." Der Plug-in-Hybrid sei sinnvoll für Autofahrer, die größtenteils in der Stadt unterwegs seien und nur selten eine Langstrecke führen.
Dass der Plug-in-Hybrid in der Stadt durchaus eine klimaverträgliche Alternative ist, belegen Untersuchungen des Fraunhofer-Instituts. "Privat genutzte Plug-in-Hybride mit realen elektrischen Reichweiten um die 50 Kilometer werden relativ viel elektrisch gefahren", sagt Wissenschaftler Plötz. Dann liege der Anteil elektrischer Fahrtstrecken im privaten Bereich bei über 70 Prozent.
Plug-in gleichauf mit E-Auto
In absoluten Zahlen fahren die Hybride sogar ähnlich viele Kilometer elektrisch wie reine E-Autos. Demnach tritt der E-Auto-Fahrer längere Strecken, die die Reichweite des Fahrzeugs überschreiten, gar nicht erst im Elektroauto an. Sie wechseln für diese Fahrten gleich auf einen Verbrenner, zum Beispiel einen Mietwagen, um zwischenzeitliche Ladevorgänge zu umgehen. Plug-in-Fahrer starteten die Langstrecke zumindest erst einmal elektrisch, bevor das Auto in den Verbrennermodus wechselt. So kommen die Hybride laut Plötz auf ähnlich viel elektrisch gefahrene Kilometer.
Oft überwiege der Vorteil des Plug-ins gegenüber dem reinen E-Auto. Entgegen der allgemeinen Befürchtung hätten Elektroautos oft Reichweiten, die viele Fahrer gar nicht ausnutzen würden. "Dann hat man eine große, schwere Batterie mit 400 oder 500 Kilometer Reichweite an Bord, die man in Wirklichkeit nur an 10 oder 15 Tagen im Jahr benötigt", so Plötz. In diesem Fall würde ein Plug-in-Hybrid deutliche Vorteile bieten. Dennoch sieht auch Plötz den Hybridantrieb nur als Übergangslösung hin zur reinen E-Mobilität, um zusätzliche Käuferschichten zu erschließen. In ein oder zwei Jahrzehnten sei das Thema Plug-in-Hybrid dann wohl vom Tisch.