Elektromobilität in Deutschland Von der Autonation zum Entwicklungsland

Nur rund 4000 Elektroautos rollen auf deutschen Straßen. Bis 2020 sollen es eine Million Exemplare werden. "Markthochlauf" lautet das Zauberwort von Autobranche und Bundesregierung. Doch die Zweifel am erhofften Durchbruch wachsen.
Stecker für Elektroauto: "Die Elektromobilität ist in Deutschland dabei zu sterben"

Stecker für Elektroauto: "Die Elektromobilität ist in Deutschland dabei zu sterben"

Foto: DANIEL MUNOZ/ REUTERS

Berlin - Deutschland hinkt bei der Entwicklung von Elektroautos weiter hinterher. Zwar sieht sich die Autoindustrie selbst auf einem guten Weg - allerdings gibt es zunehmende Zweifel am Regierungsziel von einer Million Strom-Fahrzeugen bis zum Jahr 2020.

In dem dritten Bericht der Nationalen-Plattform Elektromobilität (NPE) wird betont, dass ohne mehr Förderung höchstens 600.000 E-Autos bis dahin auf die Straße gebracht werden können.

Der Plan von Industrie und Regierung: Bis 2014 soll die Marktvorbereitung abgeschlossen sein, bis 2017 soll der Markthochlauf stattfinden - also die breite Einführung entsprechender Modelle - und bis 2020 dann der Aufbau eines Massenmarkts. Diese Vorhaben unterstützt die Politik auch finanziell. Die Entwicklung der Batterietechnik wird bisher mit 601 Millionen Euro gefördert und die Antriebstechnologie mit 230 Millionen Euro.

Außerdem sollen mit rund 20 Millionen Euro Fördergeld vom Staat die Zahl der Wasserstoff-Tankstellen in den kommenden Jahren von derzeit 15 auf 50 wachsen. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) und Unternehmensvertreter starteten am Mittwoch den bis 2015 geplanten Ausbau, wie das Verkehrsministerium in Berlin mitteilte. Beteiligt sind der Autobauer Daimler, der Tankstellenbetreiber Total und die Industriegase-Hersteller Linde, Air Products und Air Liquide.

Kaufprämien wird es nicht geben

Deutsche Autohersteller wollen bis 2014 rund 15 E-Auto-Modelle für den Verkauf entwickeln. Allein für die Marktvorbereitungsphase sollen bis zu 17 Milliarden investiert werden. In dem neuen NPE-Bericht wird darauf verwiesen, dass die Marktführerschaft der USA und Japans auf einem breiteren Angebot an Fahrzeugen "und einer deutlichen Förderung zwischen 5000 und 9500 Euro pro Fahrzeug" basiere.

Nach Meinung des Autoexperten Ferdinand Dudenhöffer läuft die Startphase jedoch miserabel. "Die Elektromobilität ist in Deutschland dabei zu sterben", sagte der Direktor des Center Automotive Research (CAR) der Universität Duisburg-Essen am Mittwoch. Die Pläne von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) seien Makulatur. "So wie es derzeit aussieht, wird man froh sein, wenn man zehn Prozent des Ziels, also 100.000 Fahrzeuge, erreicht", sagte Dudenhöffer.

In den ersten fünf Monaten des laufenden Jahres seien erst 1478 elektrisch betriebene Fahrzeuge zugelassen worden, davon entfielen nur 681 Autos auf Privatleute, Unternehmen und Vermieter. "Deutschland wird zum Entwicklungsland für Elektromobilität und nicht zum Leitmarkt, wie es die Kanzlerin so schön ausgedrückt hat." Notwendig seien nach Ansicht von Dudenhöffer großangelegte Offensiven statt "Schaufensterregionen". Innenstadtzonen müssten zum Beispiel nur für E-Autos zugänglich sein, und man brauche Car-Sharing-Angebote in Großstädten, damit man die Autos sehe.

Die Regierung hatte vor einem Jahr ein Paket zur besseren Förderung der Elektromobilität beschlossen, Kaufprämien von mehreren tausend Euro wie in den USA und Japan lehnt sie aber strikt ab. Elektroautos sollen stattdessen für zehn Jahre von der Kfz-Steuer befreit werden. Und im Straßenverkehr könnte es außer speziellen Parkflächen auch Sonderfahrspuren geben - sofern Länder und Kommunen mitziehen.

Weniger Strafzahlungen durch mehr E-Autos

Auch für die Autokonzerne wäre ein Erfolg der Elektromobilität wichtig. Sie könnte Strafzahlungen wegen strengerer CO2-Grenzwerte der EU in Zukunft vermeiden oder zumindest reduzieren. Trotz des möglichen Scheiterns mit dem 2020-Ziel bleibt der NPE-Vorsitzende Henning Kagermann optimistisch. "2014 endet die Phase der Marktvorbereitung. Dann werden wir kritisch Stellung beziehen zu dem bis dahin Erreichten", sagte er dem "Handelsblatt". 2014 habe man die Daten aus den "Schaufensterregionen" und kenne die Reaktion der Käufer auf die ersten deutschen Modelle.

Nach einer aktuellen Mitgliederumfrage des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU) wollen gerade die Stadtwerke ein Motor werden beim Umbau des Verkehrssektors hin zu einer geringeren Abhängigkeit vom immer teurer werdenden Öl. So gebe es bereits 900 öffentlich zugängliche Ladepunkte. Bis 2014 soll die Anzahl noch verdoppelt werden.

rom/dpa
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