Elektromobilität in Deutschland Emissionslos und unsichtbar

E-Mobil-Steckdose: "Man kann nicht alles haben"
Foto: Marijan Murat/ picture alliance / dpaBerlin - Im Bundesverkehrsministerium verwaltet er die Glaskugel für den Verkehr der Zukunft: Rainer Bomba. Wenn man den Staatssekretär auf Elektroautos anspricht, gerät die Politik schnell in den Hintergrund, und der ausgebildete Ingenieur zeichnet aus dem Stegreif in groben Strichen ein Szenario von der Zukunft der Mobilität. Autos kommen darin vor, aber längst nicht nur.
Großstädter allemal. Sie sind es, die auch in Bombas Denkmodell als Vorreiter an den Start gehen: "Sie rufen auf ihrem Smartphone eine App auf, bevor sie aus dem Haus gehen, um sich zum nächstgelegenen E-Mobil lotsen zu lassen", erklärt er. "Das erkennt seinen Fahrer von weitem, ruft die Verkehrssituation auf der üblichen Route ab und stellt gegebenenfalls Alternativen zur Wahl."
Der beschriebene Ablauf sei natürlich nur eine Variante von vielen, räumt der CDU-Politiker ein. Wirklich voraussehen, auf welche Weise man in 30 Jahren von A nach B reisen werde, könne derzeit niemand. Doch in einem Punkt ist sich Peter Ramsauers Adlatus sicher: In jedem Fall wird der elektrische Antrieb dabei eine zentrale Rolle spielen.
Mit Macht treibt die Regierung deshalb das Projekt Elektromobilität voran - das erste Förder- und Forschungsprogramm umfasst rund 1,5 Milliarden Euro. Davon entfallen allein auf die Entwicklung der Batterietechnik rund 800 Millionen. Mit dem Geld entsteht unter anderem eine Pilotanlage in Ulm, mit der die Massenproduktion von Lithium-Ionen-Akkus für Elektroautos erforscht werden soll.
Eine weitere Milliarde steht bis 2013 zur Verfügung. Eine eigens eingerichtete Nationale Plattform Elektromobilität und sogenannte Schaufensterregionen sollen Lust auf die E-Mobile wecken und Erkenntnisse darüber liefern, welche Voraussetzungen der Technologie noch zum Durchbruch fehlen.
Euphorie währte nur kurz
Eine erste Zwischenbilanz lässt die Bemühungen jedoch eher wie Aktionismus erscheinen. Denn die anfänglich entfachte Euphorie währte nur kurze Zeit. Von den etwa 1500 neu zugelassenen E-Autos in den ersten fünf Monaten dieses Jahres - insgesamt sind es rund 4500 - wurden nur etwas mehr als hundert von Privatleuten gekauft, ergab eine Studie des Centre Automotive Research (CAR) der Universität Duisburg-Essen. "Das Elektroauto ist außer in Werbespots in Deutschland unsichtbar", sagt CAR-Chef Ferdinand Dudenhöffer.
Das liegt nicht zuletzt auch am eher mäßigen Angebot. Derzeit ist nur eine schmale Palette an Fahrzeugen verfügbar. Deutsche Hersteller sind bislang gar nicht vertreten, mal vom Opel Ampera abgesehen. Daimler bietet den Smart mit Elektroantrieb erst ab Spätsommer an. Volkswagen startet 2013, dafür aber mit zwei Fahrzeugen, dem E-Golf und den Up, genauso wie BMW mit dem i3.
Vom einst von Bundeskanzlerin Angela Merkel ausgelobten Ziel, bis 2020 eine Million Elektroautos auf die Straße zu bringen, ist auch die Nationale Plattform Elektromobilität längst abgerückt, 600.000 hält man inzwischen für machbar. Experten halten aber auch das für sehr ambitioniert.
Industrie profitiert am meisten
Andreas Knie vom Berliner Innovationszentrum für Mobilität und gesellschaftlichen Wandel (InnoZ) weist der Regierung eine Mitschuld für die unbefriedigende Entwicklung zu. "Zunächst dienten die Fördergelder in erster Linie dazu, die deutschen Hersteller im Wettbewerb zu stärken", sagt er. Dabei könnten die reichen Platzhirsche ihre Aufgaben leicht selbst finanzieren. Beispiele dafür gibt es einige.
- So kassierte etwa der Sportwagenhersteller Porsche 3,7 Millionen Euro für die Umrüstung von drei Boxstern. Das offizielle Ziel war dabei zu zeigen, dass die E-Boliden ihren benzinbetriebenen Pendants in nichts nachstehen.
- Der bayerische Autobauer BMW wilderte mit Fördergeldern gar in fremden Gewässern. Die Bayern sicherten sich mehr als eine Million Euro für die Entwicklung eines Elektro-Faltrads. 200 davon sollen bei den Olympischen Sommerspielen im Olympischen Dorf zur Verfügung stehen.
- Auch in anderer Hinsicht erledigt die Bundesregierung die Arbeit der Autoindustrie. So lobte sie im Frühjahr 2011 eine Untersuchung aus, um festzustellen, welche Ansprüche die Kunden eines Elektromobils an ihr Auto stellen. Eine klassische Marktanalyse, wie sie in jeder Vertriebsabteilung zum Alltag gehört.
Selbst die Schaufenster Elektromobilität, für die Ramsauers Haus 180 Millionen bereitstellt, sind nicht unumstritten. Nach Einschätzung des Mobilitätsforschers Knie liefern sie immerhin Erkenntnisse darüber, welche Probleme noch zu lösen seien, um das Elektroauto für den Alltagsbetrieb fit zu machen. Auffällig ist hingegen, dass neben der Hauptstadtregion Berlin/Brandenburg ausgerechnet die Regionen zum Zuge gekommen sind, in denen die drei großen Autohersteller zu Hause sind. Andere Bewerber, die über weniger Geld verfügen, gingen leer aus. "Bedauerlich, dass sich die Bundesregierung bei ihrer Entscheidung offensichtlich nicht nur von inhaltlichen Argumenten hat leiten lassen, sondern von der Interessenlage der deutschen Automobilhersteller", ätzte der ehemalige nordrhein-westfälische Verkehrsminister Harry Voigtsberger.
Georg Wilke, Projektleiter am Wuppertaler Institut für Klima, Umwelt und Energie, bemängelt aber noch einen anderen Punkt an den Feldversuchen: ihren Inselcharakter. "Es geht dabei doch auch darum, die Haltung der Menschen zu beeinflussen und Neugier zu wecken. Diese Wirkung verpufft aber, wenn das Anschauungsobjekt ein paar hundert Kilometer entfernt liegt."
"Man kann nicht alles haben", erwidert darauf Staatssekretär Bomba. Die Schaufenster seien unterschiedlich konzipiert, um ein möglichst breites Spektrum an Erkenntnissen zu liefern.
Ob die gesammelten Erkenntnisse schließlich zu einem schnelleren Umstieg auf die Elektromobilität beitragen, muss sich erst noch erweisen. Denn nach wie vor bleiben die unkalkulierbaren Kosten insbesondere für die Batterien das entscheidende Kaufhindernis. Experten wie Knie fordern daher neben der Steuerbefreiung Privilegien für die E-Mobile, die diesen Nachteil zumindest zum Teil kompensieren könnten. So könnten die Kommunen etwa großzügig Parkraum für örtliche Carsharing-Flotten reservieren. Oder E-Mobil-Fahrer generell von der Pflicht befreien, Parkgebühren zu bezahlen. "Für Autofahrer, die täglich in Großstädten wie Hamburg oder München unterwegs sind, wäre das schon ein echter Grund, über den Kauf eines Elektroautos nachzudenken."
Auf so eine Möglichkeit angesprochen, zuckt Bomba nur hilflos mit den Schultern: "Solche Regeln sind Sache der Kommunen - da haben wir von Bundesseite aus wenig Einfluss."