Abgasskandal So könnte die Regierung Autohersteller zum Nachrüsten bringen

Die Hardware-Nachrüstung alter Dieselfahrzeuge könnte theoretisch bald starten. Doch einige Autohersteller stellen sich quer. Dabei hätte die Regierung eine Möglichkeit, die Autobauer zum Einbau zu zwingen.
Ein nachgerüsteter SCR-Katalysator.

Ein nachgerüsteter SCR-Katalysator.

Foto: Marijan Murat/ picture alliance / Marijan Murat/dpa

Schon auf der Pressekonferenz, auf der Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) und Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) ihren Dieselkompromiss vorstellten, taten sich erstaunliche Widersprüche auf: Ja, man fordere die Hersteller dazu auf, Kunden, die dies wünschten, auch eine Hardware-Nachrüstung anzubieten. Und im nächsten Atemzug: BMW würde sich weigern, eine Hardware-Nachrüstung anzubieten.

Je mehr Tage vergehen, desto klarer wird: Die Hersteller setzen auch weiterhin primär auf Rabattaktionen und wollen lieber neue Autos verkaufen, als alte umzurüsten. Als Dieselfahrer kann man da ins Grübeln kommen. Was bedeutet das alles für mich? Hier sind die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.

Wer kann seinen Diesel nachrüsten lassen?

Für Euro-5-Diesel fordert die Bundesregierung in ihrem Konzept von den Herstellern auch die Möglichkeit, zusätzliche Abgasreinigungstechnik einzubauen: Einen sogenannten SCR-Katalysator, der gesundheitsschädliche Stickoxide mithilfe einer Harnstofflösung zu großen Teilen in harmlosen Stickstoff und Wasserdampf umwandelt. Die Kosten für diesen Umbau sollen die Hersteller tragen - dazu zwingen kann man sie jedoch nicht. Außerdem kommen für diesen Umbau nur Dieselbesitzer infrage, deren Fahrzeuge in einer von 14 besonders abgasgeplagten Städten oder den angrenzenden Landkreisen gemeldet sind.

Bei den 14 "Intensivstädten" handelt es sich um München, Stuttgart, Köln, Reutlingen, Düren, Hamburg, Limburg an der Lahn, Düsseldorf, Kiel, Heilbronn, Backnang, Darmstadt, Bochum und Ludwigsburg. Die Bundesregierung rechnet mit 1,38 Millionen Dieselautos, die dafür infrage kommen, von deren Besitzern sich maximal 20 Prozent für die Hardware-Nachrüstung entscheiden werden. Sollten alle 20 Prozent der Kunden das Angebot annehmen, würden die Kosten für die Hersteller bei rund 660 Millionen Euro liegen.

Was bringt der Einbau eines SCR-Katalysators?

Laut ADAC kann der Einbau eines SCR-Systems den Stickoxidausstoß bei einem Euro-5-Diesel um bis zu 90 Prozent senken. In einem Test  mit einem Prototyp des Herstellers Twintec lagen die Stickoxidwerte eines umgebauten VW Passat unter dem gesetzlichen Grenzwert der Abgasnorm Euro 6. Allerdings stiegen durch das System der Verbrauch und der CO2-Ausstoß um circa fünf Prozent.

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Hardware-Nachrüstung: Ist das die Lösung?

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Müssen die Hersteller eine Nachrüstung vornehmen?

Nein, denn zum großen Teil geht es bei den betroffenen Autos nicht um manipulierte Diesel-Pkw, sondern um ordnungsgemäß zugelassene, nicht manipulierte Modelle. Deshalb sehen Politiker der Großen Koalition keine Möglichkeit, die Hersteller zur Hardware-Nachrüstung zu zwingen. Die Fahrzeuge stoßen zwar im Realbetrieb deutlich mehr Abgase aus als unter Laborbedingungen, würden aber die rechtlichen Vorgaben erfüllen, erklärte SPD-Fraktionsvize Sören Bartol. Vor allem Euro-5-Diesel übertreffen ihren eigentlichen Grenzwert deutlich: Der liegt bei 180 Milligramm Stickoxiden (NOx) pro Kilometer, tatsächlich stoßen sie durchschnittlich rund 900 Milligramm NOx pro Kilometer aus.

Gibt es eine andere Möglichkeit, die Hersteller zum Umrüsten zu bewegen?

Die Bundesregierung könnte indirekt Druck auf die Hersteller ausüben. Möglich wäre das durch die illegalen Abschalteinrichtungen, die in den Modellen einiger Hersteller gefunden wurden, darunter 2,4 Millionen Autos von Volkswagen und möglicherweise 750.000 bei Daimler. Neue Fahrzeuge dürfen nämlich nur mit einer gültigen Übereinstimmungsbescheinigung verkauft werden. Darin wird bescheinigt, dass das Fahrzeug mit den bei der Genehmigung des Modells gemessenen Werten übereinstimmt. Durch die Manipulationssoftware ist das jedoch nicht der Fall und es können Bußgelder von bis zu 5000 Euro pro verkauftem Fahrzeug verhängt werden. Diese Regelung gilt auch für Fahrzeugtypen, die in anderen EU-Staaten genehmigt wurden, somit hätten die Behörden auch eine Sanktionsmöglichkeit gegenüber ausländischen Herstellern.

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Abgasnorm Euro 6d-temp: Die Lieblingsautos der Deutschen - nicht alle gibt es als saubere Diesel

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Welche Hersteller haben sich zu Umrüstungen bereit erklärt?

Bisher können sich nur Volkswagen und Daimler vorstellen, Hardware-Nachrüstungen anzubieten - allerdings unter gewissen Bedingungen. Beide fordern, dass zertifizierte und zugelassene SCR-Systeme existieren. Volkswagen machte außerdem zur Bedingungen, "dass die Bundesregierung sicherstellt, dass sich alle Hersteller an den entsprechenden Maßnahmen beteiligen". BMW und Opel schlossen das jedoch kategorisch aus. Zusätzlich führten die Hersteller immer wieder Probleme bei Haftung und Gewährleistung gegen die Hardware-Nachrüstung ins Feld - die sollen laut Bundesregierung jedoch die Nachrüster übernehmen.

Wäre der Einbau solcher Katalysatoren kurzfristig möglich?

Ja, laut Zulieferern könnten die ersten SCR-Katalysatoren schon Anfang 2019 zur Verfügung stehen. Auch die Übernahme der Gewährleistung sei kein Problem, erklärte der Chef des Nachrüstanbieters Baumot, Marcus Hausser: "Damit haben wir langjährige Erfahrung." Bei Baumot rechnet man mit Umbaukosten von 1500 bis 2000 Euro pro Fahrzeug, beim ADAC mit bis zu 3300 Euro. "Für viele Kunden ist es attraktiver nachzurüsten, als sich trotz Prämien einen neuen Wagen zu kaufen", so Hausser. Der Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) hält den Einbau ebenfalls für schnell umsetzbar. Die Werkstätten seien darauf eingerichtet, erklärte ZDK-Vizepräsident Thomas Peckruhn. Das hätten frühere Umrüstaktionen wie etwa die Rußpartikelfilter für Dieselautos gezeigt. SPIEGEL-Informationen zufolge arbeitet ein Autohersteller bereits an einer Nachrüstlösung: Volvo hat gemeinsam mit dem Zulieferer Dr. Pley eine Genehmigung für ein Nachrüst-System beim Kraftfahrt-Bundesamt beantragt.

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