

Kollege D. möchte sein Telefon betanken und fragt nach einem Ladekabel. Ich kann ihm nicht helfen. Weder mein iPhone noch mein Blackberry sind mit seinem Nokia kompatibel. Obwohl es seit über 20 Jahren Handys gibt, existiert bis heute kein universeller Ladestecker.
Bei Elektroautos sieht die Sache besser aus. Die Nationale Plattform Elektromobilität, ein Thinktank der Bundesregierung, hat sich gerade auf den sogenannten Mennekes-Stecker geeinigt. Der ist normiert, jeder darf ihn nachbauen. Man könnte also sein Elektroauto überall einstöpseln.
Soweit die Theorie. In der Praxis strandet man mit seinem Stromer, selbst wenn eine Steckdose in Sichtweite ist. Das mussten etwa die SPIEGEL-ONLINE-Autoren Sarah Judith Hofmann und Benjamin Hammer feststellen, als sie ihren Tesla Roadster unterwegs laden wollten. Der Stecker passte. Der Bordcomputer meldete trotzdem "Bad Extension Cord" und verweigerte den Ladevorgang.
Ein jeder bastelt vor sich hin
Das Fehlen einer einheitlichen Ladeinfrastruktur könnte sich als größte Bremse in Sachen E-Auto-Revolution erweisen. Weitgehend ausgereifte Fahrzeuge wie den Elektro-Smart gibt es inzwischen. Wenn man mit ihnen jedoch nicht verlässlich und nervenschonend von A nach B gelangen kann, wird sie keiner kaufen.
Neben der Steckerfrage gibt es etliche weitere Probleme, die gelöst werden müssen. Da ist zunächst der Ladevorgang. Für den ist außer Stecker und Kabel ein kleiner Kasten notwendig. Er enthält eine elektronische Schaltung, die den Ladevorgang steuert, ähnlich wie beim Handy.
Aber wo befindet sich dieses Gerät? Natürlich im Auto, sagt etwa der Zulieferer Bosch, der entsprechende Technologien entwickelt. Natürlich nicht im Auto, sondern in der Ladesäule, entgegnen die japanischen Pkw-Hersteller, die sich in einem Normierungskonsortium namens Chademo zusammengeschlossen haben.
Jeder hat für seinen Ansatz gute Argumente: Der Zulieferer möchte aus produktionstechnischen Gründen, dass alle Komponenten in einem Modul stecken. Der Pkw-Hersteller hingegen will Gewicht sparen. Doch solange die Frage ungeklärt ist, kann nicht jedes Auto an jeder Stromquelle geladen werden.
Die Möglichkeit vieler Inseln
Ebenfalls offen ist die Authentifizierung. Wer an einer Ladestation von Eon oder Aral vorfährt, dessen Auto muss mit der Zapfsäule kommunizieren. Hat der Besitzer eine Strom-Flatrate? Bei welchem Anbieter? Wünscht er eine Einzelabrechnung per Kreditkarte?
Technisch ist das einfach lösbar - eigentlich. Aber auch dazu müsste man sich zunächst auf irgendetwas einigen. Das ist bisher nicht geschehen. RWE etwa möchte sein eigenes Netz von Ladesäulen aufbauen und kooperiert unter anderem mit Daimler. Andere Autohersteller hingegen wollen den Strom lieber selbst verkaufen.
Wer sich ein bisschen in der Branche umhört, dem wird klar: Zurzeit bastelt jeder an seiner Insellösung. Ein Ingenieur eines großen deutschen Pkw-Herstellers antwortet auf die Frage, ob ein technologischer Alleingang denn eine gute Idee sei: "Wir glauben halt, dass unsere Lösung die überlegene ist."
Ich wette, das haben die Erfinder der Videorecorder-Standards VHS, Video 2000 und Betamax damals auch gesagt.
Selbst der Mennekes-Stecker, den die Regierung als ersten Normierungserfolg feiert, muss sich noch durchsetzen. Der Vorstand eines norddeutschen Zulieferers sagt: "Der ist nicht Standard. Der ist Mist." Man verwende lieber ganz andere Stecker.
Vier verschiedene Steckdosen an der Ladesäule
Wenn 2011 die ersten Serienstromer im Autohaus stehen, dann wird es vermutlich ein großes Kuddelmuddel geben. Man stelle sich einen Mobilfunk ohne Roaming vor, dann bekommt man eine Ahnung davon, wie unpraktisch unnormierte E-Autos sein könnten. Es wird wohl keinen europäischen Standard geben - es gibt bisher ja nicht einmal ein Konsortium, in dem alle wichtigen Autohersteller der EU ernsthaft an dieser Frage arbeiten.
Die scheinen von dem technologischen Hickhack inzwischen ziemlich genervt zu sein. BMW etwa teilt auf Anfrage mit, man arbeite in keinem Konsortium mit, sondern "warte die Entwicklung ab".
Der Siegeszug von Technologien wird häufig von einheitlichen Standards befördert. Erst, wenn sich eine Norm durchsetzt, kommt die Sache ins Rollen. Das galt für Videorecorder, für Schiffscontainer, fürs Internet. Und vermutlich gilt es auch für Elektroautos.
Was eine Einigung in diesem Fall besonders schwierig macht: Um Ladetechnik, Abrechnungssysteme und weitere Elemente der E-Auto-Infrastruktur zu normieren, müssen drei Branchen zusammenarbeiten, die bisher relativ wenig miteinander zu tun hatten: Pkw-Hersteller, IT-Industrie und Energieversorger. "Die sprechen", frotzelt ein Unternehmensberater "ja nicht mal die gleiche Sprache."
Deshalb kann die Sache noch etwas dauern. Einige Pioniere setzen deshalb auf flexible Übergangslösungen. Die Stadtwerke Erding etwa haben unlängst ihre erste Ladesäule aufgestellt. Sie hat vier verschiedenen Steckdosen - "denn wir wissen ja noch nicht, was sich am Ende durchsetzt", so ein Sprecher. Zumindest um die Abrechnungsmodalitäten muss sich der Kunde in Erding noch keine Gedanken machen. Den Strom gibt es vorerst gratis.
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Kanzlerin Merkel mit Energie- und Automanagern an einer Elektrozapfsäule: Die Bundesregierung möchte gerne einheitliche Technologiestandards für E-Autos etablieren - bisher gibt es nur Insellösungen.
Stecker eines Tesla Roadster: Bei Einstecken wird nicht nur Strom geladen, sondern es werden auch Daten zum Ladezyklus oder zu den Abrechnungsmodalitäten übertragen. Wenn die Software nicht kompatibel ist, gibt es mitunter eine Fehlermeldung.
Der andere Ansatz: Die Firma Better Place möchte die Akkublöcke von E-Autos komplett austauschen, wenn die Batterien leer sind - Voraussetzung hierfür sind Pkw mit einem Loch im Boden.
Noch ein Ansatz: Statt per Kabel könnte man E-Autos auch über eine Induktionsplatte unter dem Pkw laden.
Mennekes-Stecker: Auf dieses Modul hat sich die Nationale Plattform Elektromobilität der Bundesregierung geeinigt.
Ladesäule von RWE Autostrom: Das Essener Unternehmen ist mit seinen Plänen für eine eigene Infrastruktur schon sehr weit fortgeschritten.
Elektrotankstelle der Stadtwerke Erding: Vier verschiedene Stecker, weil es keine einheitlichen Standards gibt.
Lohner-Porsche: Der Urvater des Elektromobils wurde erstmals auf der Weltausstellung in Paris im Jahr 1900 gezeigt. Die in den Radnaben der beiden Vorderräder eingebauten Elektromotoren erbrachten eine Leistung von 2,5 PS, der Akkumulator erlaubte eine Fahrstrecke von 50 Kilometern pro Ladung.
Die Leistungswerte von Elektroautos veränderten sich über Jahrzehnte kaum, weil sich die Autoindustrie in den hundert Jahren nach dem Debüt des Lohner-Porsches ausschließlich auf Verbrennungsmotoren konzentrierte.
EV1:1996 brachte General Motors in Kleinserie dieses Elektroautos auf den Markt. Nach einigen Jahren wurden die etwa 800 verleasten Fahrzeuge verschrottet und das Projekt eingestellt. GM führte betriebswirtschaftliche Gründe an - der Dokumentarfilm "Who killed the electric car" unterstellte jedoch, die Mineralöllobby habe dem Stromer den Garaus gemacht.
Think City: Der norwegische Zweisitzer war das erste in nennenswerter Stückzahl gefertigte europäische Stromvehikel. Der Think ist durchaus alltagstauglich, offenbart allerdings auch die Probleme vieler Stromer: Die meist in Kleinserie gefertigten Autos sind spartanischer als herkömmliche Pkw; Innenausstattung und Handling des Think erinnern an einen japanischen Kompaktwagen aus den Siebzigerjahren.
Tesla Roadster: Dass Elektroautos nicht freudlos daherkommen müssen, zeigt dieser kalifornische Sportwagen auf Lotus-Elise-Basis. Der Tesla Roadster ist mit 7000 Akkupacks vollgestopft und beschleunigt schneller als ein Porsche 911.
Chevrolet Volt: Seit 2010 verkauft die GM-Tochter ein Auto, dass von einem Elektromotor angetrieben wird und nur auf längeren Strecken ein Verbrennungsaggregat als Generator zuschaltet.
Ein technisch identisches Modell bietet auch Opel unter der Bezeichnung Ampera an.
Toyota Prius Plug-in-Hybrid: Seit dem Spätsommer 2012 bietet der japanische Hersteller dieses Modell an. Im Vergleich zum herkömmlichen Prius besitzt die Plug-in-Variante einen größeren Akku, der an einer Haushaltssteckdose aufgeladen werden kann. Die gesteigerte Kapazität des Speichers sorgt für eine größere Reichweite im Elektrobetrieb. Außerdem ist der Benzinverbrauch im Hybridmodus geringer. Laut Hersteller soll der Wagen nun nur noch 2,6 Liter auf 100 Kilometern verbrauchen.
Elektro-Porsche von Ruf: Das Interesse an strombetriebenen Fahrzeugen hat viele Bastler auf den Plan gerufen.
Der Allgäuer Porsche-Tuner Ruf hat auf eigene Faust einen 911er mit E-Antrieb entwickelt. Äußerlich ist dem Sportwagen nicht anzusehen, dass er mit Strom fährt.
Aptera Typ-1: Ein weiteres Tüftlerprojekt ist dieses besonders aerodynamische Vehikel von Aptera Motors aus dem kalifornischen Carlsbad.
Das Fahrzeug dürfte für den Einsatz im winterlichen Nordeuropa allerdings kaum geeignet sein.
Smart ed: Der Kleinstwagen aus dem Daimler-Konzern ist auch mit Elektroantrieb erhältlich. Die Preise beginnen bei 18.910 Euro. Darin ist aber noch nicht die Batterie enthalten. Wer mit dem Smart ed unterwegs sein will, muss den Stromspeicher für 65 Euro im Monat leasen. Die E-Maschine leistet maximal 75 PS und liefert ein Drehmoment von 130 Nm. Die Reichweite gibt der Hersteller mit 145 Kilometern an.
... Elektroversion des Smart. Nach einem erfolgreichen Testlauf in Großbritannien wird der Daimler-Kleinwagen nun auch in Berlin und Rom eingesetzt.
Im Jahr 2012 könnte das kleine E-Auto in Serie gehen. Auch die Mercedes-Modelle A- und B-Klasse könnten elektrifiziert werden. Daimler will zudem gemeinsam mit dem Mischkonzern Evonik ein eigenes Werk zur Akkuproduktion bauen
Mini E: Die kürzlich vorgestellte Elektroversion des BMW-Lifestyle-Wägelchens fährt komplett elektrisch.
Die Münchner starten demnächst einen größeren Feldversuch in den USA, bei dem die Strom-Minis an 500 ausgewählte Beta-Tester verleast werden.
Honda FCX Clarity: Auch Wasserstoffautos, wie dieser zurzeit in Kalifornien im Testlauf befindliche Wagen, sind im Prinzip Elektrofahrzeuge. Das Hydrogen wird in einer Brennstoffzelle in Strom umgewandelt.
Kritiker monieren, dass Wasserstofffahrzeuge ineffizient seien; zunächst müsse Strom aufgewandt werden, um Wasserstoff zu erzeugen - der dann wieder in Strom konvertiert wird.
Solarenergie-Anlage: Viele Experten halten es deshalb für sinnvoller, Autos direkt an die Steckdose anzuschließen.
Eine Studie des Fraunhofer Instituts für System- und Innovationsforschung stützt diese Sichtweise. Die Wissenschaftler haben errechnet, ...
... dass die Stromversorgung für Elektroautos auch ohne den Bau neuer Kraftwerke gewährleistet werden könne. Selbst wenn bis 2050 rund 17 Prozent
des heutigen Fahrzeugbestandes durch Elektroautos ersetzt würden, sei der Bau neuer Kraftwerke nicht nötig.
Hintergrund ist, dass Elektroautos idealerweise über Nacht aufgeladen werden könnten (hier der Tankdeckel eines Mini E). Das ermöglichte es den Energieversorgern, zusätzlichen Strom aus Wind- oder Wasserkraftwerken ins Netz einzuspeisen, der bisher nächtens verloren geht, weil die Stromnachfrage zu niedrig ist.
Ladestation für Elektroautos: Wo und wann der Autofahrer der Zukunft sein Auto einsteckt, ist noch offen. Die kalifornische Firma Project Better Place entwickelt ein Elektrotankstellennetz, hier im Bild eine Ladestation im Ramat Hasharon nahe Tel Aviv.
Firmenchef Shai Agassi schwebt ein Modell vor, das der Mobilfunkbranche entlehnt ist: Der Kunde soll den Strom abonnieren und sich per Vertrag langfristig an PBP binden. Im Gegenzug bekommt er sein Elektroauto mit Rabatt, vielleicht sogar umsonst.
Mitsubishi iMIEV: Beim Rennen um das erste Elektroauto hatte kaum jemand den asisatischen Hersteller auf dem Plan - nun produziert Mitsubishi eines der ersten Serienfahrzeuge. Im nächsten Jahr soll die Produktion verdoppelt und das Auto auch nach Europa exportiert werden. Und als wäre das für Daimler & Co. nicht schon Schmach genug, stecken im doppelten Wagenboden des Elektro-Eis bereits die modernen Lithium-Ionen-Akkus.
Nissan Leaf: Das zur Kompaktklasse zählende Schrägheckauto mit Platz für fünf Erwachsene ist ein reines Elektrofahrzeug und benötigt keinen zusätzlichen Verbrennungsmotor. Sein Lithium-Ionen-Batteriepaket sorgt für eine Reichweite von mehr als 160 Kilometern. Der Leaf kommt Ende 2010 in Japan, den Vereinigten Staaten und Europa auf den Markt.
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