Fernost-Hersteller auf Expansionskurs Showtime für die China-Kracher
Primitiv, hässlich und unsicher - Autos aus China haben noch immer einen denkbar schlechten Ruf. Trotzdem sollten sich etablierte Autohersteller in Acht nehmen: Ihr Vorsprung schmilzt.
Bislang waren Automessen in China ein PS-Panoptikum, bei dem sich westliche Besucher über kuriose Kopien, dreiste Plagiate und schräge Studien amüsierten. Das ist Vergangenheit.
Auf der aktuellen Autoshow in Shanghai sind zahlreiche Marken und Modelle vertreten, die sich wohl auch auf unseren Straßen gut behaupten könnten: Die neue Brilliance-Limousine zum Beispiel sieht besser aus als ein Renault Laguna oder Toyota Avensis; und die beiden neuen Geländewagen der Marke FAW stechen SUV-Modelle wie Kia Sportage oder Hyundai iX55 locker aus; und der Changan Sense ginge glatt als moderne Reinkarnation des Ford Capri durch. Selbst Kleinwagen wie der Cherry QQme (kein Schreibfehler!) müssen sich von Mitsubishi Colt oder Citroën C2 nicht verstecken.
Wie gut die Autos tatsächlich fahren, wie sparsam oder stabil sie sind, das konnte zwar noch kein westlicher Journalist ausprobieren. Doch zumindest auf dem Messestand machen eine ordentliche Figur. Kein Wunder: Schließlich gibt es kaum ein europäisches Konstruktions-, Ingenieurs- oder Designbüro, das nicht längst eine Filiale in Shanghai oder Peking eröffnet hat und dort als automobiler Aufbauhelfer fungiert.
Selbst das in China bislang weitgehend vernachlässigte Thema Crashsicherheit - die labile Bauweise brach ersten China-Exportautos wie dem Geländewagen Landwind vor einigen Jahren das Genick - wird jetzt angepackt. Der Hersteller Geely etwa eröffnete kürzlich ein neues Crashzentrum für umgerechnet mehr als 30 Millionen Euro. Und ein Sterne-System für Fahrzeugsicherheit, das mit dem Procedere der Euro-NCAP-Tests vergleichbar ist, gibt es in China inzwischen auch.
Vor allem aber bei den alternativen Antrieben sehen die chinesischen Hersteller ihre Chance auf dem Weltmarkt. "Die chinesische Regierung ist bestrebt, die eigenen Marken voranzutreiben", sagt August Joas von der Managementberatung Oliver Wyman. "Das Land will seine Hersteller als Vorreiter für alternative Antriebe positionieren und damit auch die Chancen in den Exportmärkten verbessern."
Bei Elektroautos setzen Chinas Hersteller auf weltweite Offensive
Vorneweg in diese Richtung fährt derzeit BYD. Der Konzern mit dem verheißungsvollen Namen Build Your Dreams habe das Zeug, die grüne Revolution aus China anzuführen, sagt Analyst Kevin Huang, der in Shanghai für den Branchenbeobachter Jato Dynamics arbeitet. Als führender Akku-Produzent habe BYD direkten Zugriff auf die begehrte Lithium-Ionen-Technologie, mit Warren Buffet einen finanzstarken Investor, und durch die Kooperationsvereinbarung mit Daimler einen exellent aufgestellten Partner im Ausland sowie internationale Reputation. "Das sind beste Ausgangsbedingungen", sagt Huang.
Fürs erste allerdings steckt BYD selbst in der Krise. Die Absatzahlen brachen im vergangenen Jahr um ein Viertel ein, der Marktanteil schrumpft. "Das ist eine ganz normale Konsolidierung auf einem überhitzten Markt", wiegelt Huang ab. "BYD ist zu schnell gewachsen und braucht jetzt eine Verschnaufpause, um sich neu zu sortieren."
Neu sortieren, das ist ein Prozess, der für den gesamten chinesischen Automarkt gilt. Die Regierung in Peking übt derzeit einen gewissen Druck auf ausländische Autohersteller aus, gemeinsam mit chinesischen Unternehmen eine lokale Marke aufzubauen. Der japanische Nissan-Konzern etwa plant mit Dongfeng eine neue Marke namens Li Nian. Europäische Hersteller reagieren bislang noch eher zögerlich. Doch über kurz oder lang werden sie sich dem Drängen aus Peking nicht entziehen können.
Aus vielen kleinen Herstellern sollen einige große Konzerne werden
"Die Konsolidierung hat bereits begonnen", sagt Oliver Wyman-Berater Joas. "Ziel der politischen Führung ist es, aus vielen kleinen Herstellern einzelne, umso schlagkräftigere Superkonzerne zu machen." Nach dem Vorbild von VW oder General Motors sollen zwei oder drei Unternehmen mit einer jährlichen Produktion von jeweils mehr als zwei Millionen Fahrzeugen entstehen. Darüber hinaus seien vier oder fünf Firmen mit jeweils einer Million Autos im Jahr vorgesehen, berichtet der Experte "Das bringt Skaleneffekte, reduziert Entwicklungskosten und hilft Überkapazitäten zu vermeiden."
Vor allem aber hätten die großen Autokonzerne auch das Potenzial für den Export. Kenner des Marktes räumen Firmen wie Great Wall oder Chery, die bereits erste Exporterfahrungen gesammelt haben, gute Chancen auf den Auslandsmärkten ein. Außerdem natürlich SAIC. Die Autogruppe aus Shanghai ist nicht nur Partner von General Motors, sondern auch Besitzer der englischen Marken Rover und MG. Und die sollen nun wiederbelebt werden. In wenigen Wochen soll im alten Rover-Werk in Longbridge mit der Produktion eines MG-Modells für England beginnen.
Know-how kaufen statt zu kopieren - das könnte auch zum Erfolgrezept für Geely werden, sagt Automobilwirtschaftler Stefan Bratzel von der Fachhochschule Bergisch Gladbach mit Blick auf die Übernahme von Volvo. Geely werde schon mittelfristig von der technologischen Kompetenz der Schweden profitieren. Und auch die Skandinavier profitieren von der Kooperation: "Volvo kann die Markt- und Vertriebskenntnis von Geely für eine erfolgreiche Strategie in China nutzen."
Die extravagante Studie Concept Universe legt bereits ein lebendige Zeugnis dafür ab, wie fruchtbar die Zusammenarbeit werden könnte.
Chinesische Hersteller wollen im Ausland neue Kunden finden
Aber warum drängt es die chinesischen Autobauer überhaupt ins Ausland? Schließlich wird ihr Heimatmarkt nach Prognosen des Automobilwirtschaftlers Ferdinand Dudenhöffer frühestens im Jahr 2030 den Mobilisierungsgrad Europas erreichen. Die Antwort von Analyst Huang: "Weil die Chinesen mit dem Wohlstand auch anspruchsvoll geworden sind." In China werden mehr und mehr Importfahrzeuge gekauft. Huang: "In den großen Städten kann man auf den Hauptstraßen oft minutenlang keine chinesischen Autos sehen, weil alle prestigeträchtige Importmodelle fahren wollen."
Als Konsequenz daraus streben die chinesischen Herstellers ins Ausland. "Dort erzielen sie dann auch die besseren Preise", sagt Huang. In Italien, Australien oder den USA kosten nach seiner Beobachtung chinesische Autos mehr als doppelt so viel wie auf dem Heimatmarkt. Und - was noch wichtiger ist - sie erwerben sich das Renommee, um auf dem heimischen Markt gegen die etablierte Konkurrenz aus der alten Welt bestehen zu können.
Noch ist der Pkw-Export freilich ein kleines Geschäft. Die fünf größten Exportmarken Chery, Changan, Great Wall, JAC und Dongfeng kamen im ersten Quartal 2011 insgesamt auf rund 50.000 Auslandsverkäufe. Gemessen am Inlandsabsatz der chinesischen Hersteller sind das nicht einmal fünf Prozent.