
Fisker Force 1: Das Raubein ist zurück
Fisker Force 1 Lasst uns roh und schmutzig sein
Henrik Fisker ist zurück im Rampenlicht. Der Star-Designer, der für BMW den Z8 zeichnete, für Aston Martin den DB 9 und für Artega den GT, präsentierte bei der Autoshow in Detroit einen Supersportwagen. Einen martialischen Tiefflieger, der in vielerlei Hinsicht bemerkenswert ist.
Wir erinnern uns: Henrik Fisker, das ist der Tausendsassa, der noch vor Elon Musk mit seinem Tesla den arrivierten Herstellern zeigen wollte, wie man ein Elektroauto baut. Schnell, stark, teuer, exklusiv - das waren die Zutaten für Fiskers E-Supermobil Karma, das auf die solventen Eliten von Hollywood zielte und ihnen versprach, was bis dato kein anderer Hersteller bieten konnte: Den Punch eines Ferrari und die Abgase eines Golfcarts.
Doch damit ist jetzt Schluss, der Karma Geschichte. Marke und Modell gehören chinesischen Investoren, der Traum vom sauberen Öko-Sportler ist ausgeträumt. Das Comeback von Fisker hat deswegen fast schon einen trotzigen Charakter, wie ein Kind, das wütend auf den Boden stampft und dann guckt, was passiert: Unter die Haube des Force 1 hat der Däne ein archaisches Motor-Monstrum gezwängt: Einen V10-Motor, dessen 8,4 Liter Hubraum nicht, wie inzwischen üblich, von Turbos beatmet werden, sondern die Luft ansaugen. 745 PS leistet das Triebwerk, peitscht den Wagen in unter drei Sekunden von null auf hundert und in 10,79 Sekunden über die Viertelmeile weiter, immer weiter, bis Tempo 350 auf dem Tacho steht.
Ein Auto wie ein blutiges T-Bone-Steak
Verrat an den alten Öko-Idealen? Nicht für Fisker. Er hat auch zu Zeiten des Karma nie einen Hehl daraus gemacht, dass er seinen konventionellen Sportwagen nicht missen möchte. Umgekehrt fährt er auch heute noch mit seinem E-Flitzer. "Das ist genau wie beim Essen: Immer nur Salat ist doch langweilig", sagt Fisker. Jetzt tischt er der Vollgasfraktion eben wieder ein ordentliches Steak auf. Schön fett und bitte noch blutig.
Im Gegensatz zum elektrifizierten Karma ist der Force 1 zudem keine komplette Eigenentwicklung mehr: Fisker bedient sich der Plattform der Dodge Viper, die sich für Fiat Chrysler zum Ladenhüter entwickelt hat und deshalb offenbar billig zu bekommen ist. Mit der kreativen Nutzung bestehender Technologien kennt sich der 1963 in Dänemark geborene Fisker bestens aus. Nach seinen Engagements als Designchef bei BMW und danach bei Aston Martin gründete er seine eigene Firma. Mit ihr schuf er aus umfassend modifizierten Serienfahrzeugen anderer Hersteller seine eigenen Traumautos: Auf Basis des Mercedes SL den Tramonto, aus dem BMW Sechser machte er den Latigo, zuletzt brachte er es mit dem Mustang "Rocket" noch einmal in die Schlagzeilen.
Fisker zieht sich nach dem finanziellen Abenteuer Eigenentwicklung mit dem Force 1 in doppelter Hinsicht auf vertrautes Terrain zurück, mit entsprechend höheren Gewinnaussichten. "Die enormen technologischen Entwicklungsausgaben für neue Antriebe und Sicherheits- oder Connectivity-Systeme sind von den kleineren Manufakturen kaum noch aufzubringen", sagt Stefan Bratzel, Professor an der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach. Der von Fisker nun eingeschlagene Weg, die Nutzung ausgereifter Basistechnologie, biete dagegen durchaus Erfolgsaussichten. "Wenn Exklusivität und Preis steigen, befriedigt das das Abgrenzungsbedürfnis einer bestimmten Klientel", sagt Franz-Rudolf Esch, Professor an der European Business School.
Ein Import der Wahnsinnskiste nach Deutschland ist möglich
Dass Fiat Chrysler die Produktion der Viper bald einstellen will, ficht Fisker dabei nicht an. Nicht umsonst hat er Ben Keating ins Boot geholt. Der Mann ist Rennfahrer und weiß als Besitzer eines Rennstalls, wie man ein Serienauto noch schneller und schärfer macht. Vor allem aber ist er "der größte Viper-Händler in den USA", sagt Fisker. Seit dem Force-1-Projekt stockt Keating deshalb seinen Lagerbestand so weit auf, dass es für mindestens 50 Autos reichen wird.
Von diesen 50 Autos bleibt indes nicht viel übrig. Bis aufs Grundgerüst gestrippt, außen mit Karbon neu ein- und innen mit Leder vornehmer ausgekleidet und in Sachen Leistung noch einmal kräftig nachgeschärft, werden sie binnen jeweils fünf Wochen von Hand in einer Manufaktur in Michigan montiert und ab April ausgeliefert. "Auf Wunsch auch nach Deutschland", sagt Fisker, der für den Wagen alle EU-Normen eingehalten hat und seine erste Autobahntour kaum erwarten kann.
Bei der Produktion und Vermarktung bekommt Fisker Hilfe von Gilbert Villarreal und Bob Lutz, deren Initialen zusammen mit Fiskers "F" den Firmennamen VLF ergeben. Die beiden sind für Fisker alte Bekannte. Mit dem Produktionsspezialisten Villarreal und dem zuletzt bei GM aktiven Vollgas-Veteranen Lutz betreibt Fisker nämlich sein zweites Projekt neben der Schöpfung des Force 1: Die drei kaufen im großem Stil Elektro-Karma vom neuen Markeneigentümer in China zurück und machen damit eine komplette Rolle rückwärts: Sie implantieren dem einstigen Vorzeigeflitzer den V8-Motor aus der Corvette - und verkaufen ihn als Destino.
Gerichtsstreit mit Aston Martin pünktlich zur Premiere
Begleitet wird die Premiere des Force 1 vom Getöse eines Rechtsstreits: Kaum hatte Fisker die erste Skizze seines neuen Sportlers veröffentlicht, sah sein früherer Arbeitgeber große Parallelen zur Formensprache von Aston Martin und forderte den Ex-Mitarbeiter zur Unterlassung auf. Weil die Skizze aber nicht mehr zeigt als einen Sportwagen mit langer Haube, nach hinten gerückter Kabine und weit ausgestellten Kotflügeln und man dieses Muster in seinen Augen nun wirklich nicht schützen kann, hat Fisker zum Gegenschlag ausgeholt und die Briten wegen Geschäftsschädigung auf 100 Millionen Dollar verklagt.
Zwar haben viele seiner Autos eine ähnliche Linie und deshalb vielleicht auch entfernte Ähnlichkeiten mit seinen Aston-Martin-Schöpfungen, gibt der Däne zu. Doch wer in Detroit das fertige Auto gesehen hat, fühlt sich an vieles erinnert, aber nicht an einen Aston Martin. Beobachter halten das Verfahren mit einer angeblich telefonbuchdicken Anklageschrift für einen geschickten PR-Coup, der vor der Premiere schon mal die Neugier anheizen sollte. Fisker bestreitet das natürlich, für ihn ist der Rechtsstreit "eine Sache der Ehre". Er sagt, er wolle sich von Aston Martin nicht die Arbeit verbieten lassen.
Ehre ist ein Begriff, den Fisker und seine Kompagnons gerne in den Mund nehmen und sich insgesamt ziemlich patriotisch geben. Für VLF ist der Force 1 ein "True American Sportscar" und die erste und einzige Antwort Amerikas auf Ferrari oder eben Aston Martin. Zwar habe Detroit vom Ford Mustang bis zur Chevrolet Corvette zahlreiche faszinierende Musclecars mit viel Leistung für wenig Geld hervorgebracht, tönt Fisker. "Doch einen echten Supersportwagen, der in der Liga von Lamborghini & Co. spielt, gibt es nicht", meint er - und unterschlägt dabei geflissentlich Autos wie den Ford GT oder den Falcon F7.
"Wer in den USA mehr als 200.000 Dollar für einen Sportwagen ausgeben möchte, landet zwangläufig bei italienischen, englischen oder deutschen Herstellern", sagt Fisker. Wie der Streit mit Aston Martin ausgeht, wird sich noch zeigen. Doch zumindest dieses Problem hat Fisker schon mal gelöst: Die Preise für den Force 1 beginnen bei knapp 270.000 Dollar - und sind nach oben offen.