Gebrauchtwagenmarkt Wirbel auf dem Hinterhof

Seit der Staat den Autokauf mit 2500 Euro subventioniert, gehen die Zulassungszahlen durch die Decke. Die Autohäuser machen mit Neuwagen glänzende Geschäfte. Doch bei den Gebrauchten auf dem Hinterhof ist das Bild nicht ganz so strahlend.

Die 17-jährige Anna ist genervt. Endlich hat sie den Führerschein, bald darf sie ohne Begleitung fahren. Und sie hat so lange gejobbt und gespart, dass sie nun das Geld für ein eigenes Auto zusammen hat. Doch ausgerechnet jetzt fehlt das passende Angebot. Denn seit in Deutschland das Abwrackfieber grassiert, sind billige Gebrauchtwagen selten geworden. "Das typische Anfängerauto, alt aber bewährt, mit sechs Monaten TÜV für 600 Euro, bei dem ein Parkrempler nicht ins Gewicht fällt, habe ich noch nicht gefunden", klagt die Schülerin.

Die Flaute auf dem Gebrauchtwagenmarkt hat einen einfachen Grund: Statt das Altauto billig zu verscherbeln, kassieren viele Fahrer jetzt lieber die Abwrackprämie. Und dann landen die typischen Fahranfängerautos in der Schrottpresse. Der Abwrackzuschuss hat nämlich nicht nur Neuwagenabsatz angeschoben, sondern auch den Handel mit gebrauchten Autos verändert.

Besonders auffällig sei das bei Jahreswagen, so die Einschätzung der Fahrzeugbewertungsfirma Eurotax-Schwacke aus Maintal, denn die seien ebenfalls bonusberechtigt. Vor allem in der Kompakt- und Mittelklasse, bei kleinen Geländewagen und Großraumlimousinen brumme das Geschäft. "Die Nachfrage nach Jahreswagen dieser Klassen hat sich im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt", sagt Eurotax-Sprecher Morvarid Talaei. Allein im Februar wechselten rund 68.000 Jahreswagen den Besitzer. Das waren 82 Prozent mehr als im Vorjahresmonat. Im Gegenzug sei der Bestand der Jahreswagen im Handel um fast ein Viertel geschrumpft.

Ein ähnliches Bild ergibt sich auf der Internet-Plattform Mobile.de. Im ersten Quartal seien die Suchanfragen nach Neu- und Jahreswagen um 80 Prozent gestiegen, heißt es. "Besonders deutlich wirkt sich die Prämie in den günstigen Preissegmenten aus. Neu- und Jahreswagen bis 10.000 Euro werden heute doppelt so häufig gesucht wie vor der Einführung der Abwrackprämie", berichtet Mobile.de-Chef Peter F. Schmid.

Bestimmte Typen sind nun noch schwerer verkäuflich

Diese Entwicklung ist allerdings nur eine Seite der Medaille. Nach wie vor stünden bei den Händlern rund zwei Millionen Gebrauchtwagen auf Halde, darunter viele große und hubraumstarke Modelle, die nun noch schwerer verkauft werden könnten, meldet Eurotax-Schwacke. Das verursache Kosten, wirble die Preise durcheinander und drücke auf die Restwerte. "Im vergangenen Jahr sind die Gebrauchtwagenpreise in Deutschland im Schnitt um vier Prozent gesunken", sagt Eurotax-Schwacke-Chef Michael Bergmann. Von der Mittelklasse aufwärts sei der Einbruch noch gravierender.

Außerdem werden derzeit massenweise Autos auf den Markt gespült, die zum Abwracken noch zu schade sind. "Trotz der staatlichen Prämie stellen wir bei Mobile.de einen Anstieg der Privatinserate für Pkw mit Erstzulassung 1999 und früher fest", meldet Schmid. "Derzeit inserieren viele private Halter, um mehr zu bekommen als 2500 Euro." Dies bestätige auch eine Analyse der durchschnittlichen Angebotspreise. Schmid: "Gängige Pkw-Modelle im Alter von neun Jahren sind deutlich mehr Wert als 2500 Euro. Ein VW Golf von 1999 wird für durchschnittlich 5000 Euro angeboten; auch ein ebenso alter Opel Astra liegt mit knapp 4000 Euro weit über der Abwrackprämie." Zu viel für Anna.

Vereinzelte Vernichtung von erhaltenswerten Modellen

Allerdings geht auch Schmid davon aus, dass es im Lauf des Jahres immer weniger Autos unter 2500 Euro geben wird. Doch nicht nur an billigen Autos für Einsteiger könnte es künftig mangeln. Autofans fürchten auch um das rollende Kulturgut, wenn immer mehr Gebrauchte in der Schrottpresse landen, bevor sie überhaupt die Chance auf ein Leben als Klassiker bekommen. Vielerorts formieren sich bereits Freundeskreise und Tauschbörsen, die Oldtimer in spe vor dem Abwracken retten wollen.

Das ist zwar sympathisch, aber unnötig. "Vereinzelt kommt es zwar zur Vernichtung erhaltenswerter Fahrzeuge", räumt ein Sprecher des Youngtimer Club e.V. ein, "aber ein Liebhaber wird ein gutes Fahrzeug nicht wegen der Abwrackprämie verschrotten." In erster Linie gehe es schlichten Alltagsautos an den Kragen. "Dazu zählen nahezu alle Importfahrzeuge, die nicht Coupé, Cabrio oder Geländewagen sind oder die von etwas spezielleren Herstellern wie Alfa Romeo, Citroën, Volvo oder Jaguar stammen."

Trotz massenhafter Verschrottung: Es gibt noch Altautos

Auch das Internet-Auktionshaus Ebay registriert eine starke Nachfrage nach günstigen Gebrauchten, meldet aber gleichzeitig auch ein wachsendes Angebot. Auktionen und Sofortkäufe bei Kleinwagen seien seit Anfang des Jahres stark gestiegen, berichtet Sprecherin Daphne Rauch. "Wir stellen beim VW Polo seit Einführung der Prämie eine Verdopplung der Angebote im Preisbereich bis 2500 Euro fest. Beim Opel Corsa sind es immerhin knapp 60 Prozent."

Die massenhafte Verschrottung bedeute nicht das Ende billiger Gebrauchtwagen, sagt Claudia Schiffer, Sprecherin des Zentralverbands des Deutschen Kraftfahrzeuggewerbes (ZDK). "Selbst wenn die Abwrackprämie weiterhin boomt, bleibt der Markt groß. Denn es fahren 16 Millionen Pkw auf deutschen Straßen, die älter sind als neun Jahre. Und knapp die Hälfte davon hat einen Wert unter 2500 Euro." Anna darf also weiter auf ein billiges, leicht verbeultes Auto hoffen.

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