Empörung über ADAC-Betrug Ein schrecklich ehrenwerter Club

ADAC-Zentrale in München: Wie groß ist der Vertrauensverlust?
Foto: Peter Kneffel/ dpaBerlin/München - Es geht um Macht. Und um die Frage, was passiert, wenn sich eine Institution zu mächtig fühlt. Wenn sie Dinge tut, die nicht in Ordnung sind. Wird das öffentlich, dann kann von einem Tag auf den anderen eine ganze Menge verloren gehen. Vor allem Vertrauen.
Der Allgemeine Deutsche Automobil-Club e. V., abgekürzt ADAC, steckt in einer tiefen Krise. Was kann man dem bislang so ehrenwert erscheinenden Club noch glauben?
Von allen Seiten hagelt es Kritik, nachdem der ADAC eingestanden hat, dass bei der aktuellen Vergabe seines Preises "Gelber Engel" manipuliert worden ist. Darüber dürfen die Clubmitglieder seit 2005 abstimmen und ihre Lieblingsautos wählen. "Der ADAC hat jetzt die Aufgabe, dafür zu sorgen, dass die Karten auf den Tisch gelegt werden", sagt Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt von der CSU. Deutlicher wird Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter: "Einen solchen Betrug" dürfe der ADAC sich nicht leisten. "Der ADAC muss diesen Fall lückenlos aufklären", sagte Hofreiter SPIEGEL ONLINE.
Er ist sich dabei einig mit den großen deutschen Automobilkonzernen VW und BMW, deren Chefs ebenfalls Aufklärung fordern. Für die Wolfsburger ist die Sache besonders ärgerlich, weil es bei dem bisher eingeräumten Manipulationsfall um die Wahl des VW Golf zum "Lieblingsauto der Deutschen 2014" geht: Statt der angeblich 34.299 ADAC-Mitglieder stimmten offenbar nur 3409 für den Golf.
Der ADAC punktete bisher mit seinem Image
19 Millionen Deutsche sind in dem Club, seine Zeitschrift "Motorwelt" lesen 16 Millionen, einen der zahllosen ADAC-Pannenhelfer haben die meisten deutschen Autofahrer schon einmal lieben gelernt. "Der ADAC ist Deutschland" schrieb kürzlich die "Süddeutsche Zeitung", die den Skandal aufgedeckt hat . Der Club ist zudem Versicherer, Reiseveranstalter, Autovermieter. Und punktete bisher mit seinem Image. Regelmäßig landete der ADAC an der Spitze deutscher Organisationen, wenn Demoskopen nach Vertrauenswürdigkeit fragten. Aber jetzt?
Es ist wie immer im Leben: Wer einmal schwindelt, dem glaubt man nicht. Oder um es mit den Worten des Autoexperten Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen zu sagen: "Wenn sie beim 'Gelben Engel' lügen, kann man das auch für die anderen Bereiche nicht ausschließen." Die Pannen- und Tunnelstatistik und weitere Tests des ADAC müsse man jetzt ebenfalls untersuchen, fordert Dudenhöffer.
Die Glaubwürdigkeit des Automobilclubs ist auch deshalb so angeknackst, weil der ADAC die Betrugsvorwürfe zunächst aufs entschiedenste zurückgewiesen hatte und die "Gelben Engel" am Donnerstagabend in gewohnt pompöser Weise in Münchens ehemaliger königlicher Residenz verlieh: Von "komplettem Unsinn" sprach Geschäftsführer Karl Obermair, Clubpräsident Peter Meyer nannte die Berichte einen "Skandal für den Journalismus". Zum Wochenende dann die Wende: Der ADAC räumte die Manipulation ein , der für den Preis zuständige Kommunikationschef und "Motorwelt"-Verantwortliche Michael Ramstetter trat von allen Funktionen zurück.
Präsident und Geschäftsführer wollen von nichts gewusst haben
Präsident Meyer und Geschäftsführer Obermair schieben nun alles auf den umtriebigen Ramstetter: Sie hätten nie etwas mit den Zahlen zu tun gehabt. Peinlicher geht es kaum. Schon soll es die ersten Austritte beim ADAC geben, im Internet ergießt sich Hohn und Spott über den Automobilclub.
Und wer weiß, ob der Manipulationsskandal sich nicht noch ausweitet? Wenn Oberkommunikator Ramstetter die aktuellen Zahlen frisierte, könnte er das ja auch schon zuvor getan haben. ADAC-Präsident Meyer kündigte bereits an, die Vergabe der "Gelben Engel" bis zur Premiere vor neun Jahren zu überprüfen. Die "Süddeutsche Zeitung" berichtete von früheren Manipulationen .
Der Vertrauensverlust ist das eine, seine ökonomischen Folgen das andere: Der ADAC ist mit seinen zig Millionen Mitgliedern und all den Geschäftsfeldern ein gigantisches Unternehmen geworden, über eine Milliarde Euro soll das Clubvermögen betragen. Nun werden durch den Betrugsfall ganz allgemeine Fragen aufgeworfen: Ist der ADAC für diese Aufgaben richtig aufgestellt? Wer kontrolliert eigentlich die Entscheidungsträger?
Und mancher in der Politik, in der öffentlichen Verwaltung oder der Automobilindustrie dürfte mit Blick auf die jüngsten ADAC-Entwicklungen insgeheim auch ein bisschen schadenfroh sein. Wie hat man sich bei Deutschlands größtem Automobilclub doch immer gebrüstet, welchen Einfluss man in der Republik habe. Der ADAC ist eine mächtige Lobbyorganisation, im vermeintlichen Namen der deutschen Autofahrer melden sich die Clubvertreter gerne zu Wort. Anders herum wollte sich in der Vergangenheit kaum einer mit dem ADAC anlegen. Nun sagt Verkehrsminister Dobrindt, die Vorgänge zeigten, dass "großen Verbänden manchmal etwas mehr Bescheidenheit im Auftreten gut täte".
Ihn dürfte besonders geärgert haben, wie massiv der Automobilclub zuletzt gegen die von ihm geplante Pkw-Maut protestierte.