Holz statt Blech Forscher schnitzen am Auto der Zukunft

Holzbauteil: Für die Entwicklung von Autokomponenten ist die Möbelindustrie Vorbild
Foto: Fritz BeckerOhne Holz wäre die Entwicklung des Automobils kaum denkbar gewesen: Das Material diente der Herstellung von Karosserierahmen und Aufbauten der Chassis - zum Beispiel beim legendären Modell T von Ford. Dann setzte die Industrie auf Stahl. Holz spielte beim Fahrzeugbau kaum mehr eine Rolle.
Daniel Kohl und Stefan Böhm wollen das ändern. Die Forscher an der Universität Kassel sehen gute Chancen, dass Holz im Automobilbau eine Renaissance erlebt. Besonders Buchenholz, das einen niedrigen Harzanteil hat, eignet sich für die Verarbeitung.
Für die Verwendung des Naturmaterials sprechen nach Ansicht der beiden Forscher mehrere Gründe:
- "Mit Holz können leichtere Bauteile hergestellt werden als mit Stahl", sagt Stefan Böhm, "denn ein Holzstück wiegt zehnmal weniger als ein Stahlteil der gleichen Größe."
- "Holz hat zwar nur ein Drittel der Festigkeit von Stahl, lässt sich aber durch seine Faserstruktur gut mit anderen Stoffen verbinden, zum Beispiel mit Textilien und Metallfolien", sagt Daniel Kohl. "Dadurch wird es durchbruchsicher."
- "Holz ist ein natürlicher Rohstoff und es lässt sich recyceln", sagt Böhm. "Die Verarbeitung ist nicht teurer als bei Stahl - aber die Produktion ist energiesparender und es fällt weniger Transportaufwand an. Große Buchenwälder haben wir in Deutschland praktisch vor der Haustüre."
- "Holz wurde wiederentdeckt, weil man möglichst leicht bauen will", sagt Böhm. "Bislang wurde in dieser Hinsicht vor allem auf faserverstärkten Kunststoff gesetzt." Die Kunststoffe können laut Kohl aber noch nicht in der Masse und vollautomatisch hergestellt werden - im Gegensatz zu dem entsprechenden Holzmaterial: "Hier sind durch die Möbelindustrie die Maschinen bereits vorhanden." Dabei werden aus einem Buchenstamm dünne Schichten geschnitten und in Form gefräst - sogenannte Laminate.
- "Man besinnt sich nun auch wieder auf Holz", sagt Böhm, "weil der Leidensdruck bei den Ressourcen gestiegen ist - die Rohstoffe zur Gewinnung von Stahl werden immer teurer."
Böhm und Kohl sollen nun herausfinden, welche Bauteile aus sogenanntem holzbasierten Multimaterial konkret gefertigt werden können. Dazu wurde an der Universität Kassel das Projekt "Holzformteile als Multi-Material-Systeme für den Einsatz im Fahrzeug-Rohbau" (HAMMER) ins Leben gerufen.
"Die B-Säule, also die Verbindung vom Autoboden zum Dach zwischen Vorder- und Hintertür, könnte dafür in Frage kommen", sagt Böhm. "Sie besteht derzeit aus drei bis vier Stahlblechen. Stattdessen könnte man Holz verwenden, das mit Glasfasertextilien oder Kunststofffolien verstärkt ist. Im Fall eines seitlichen Aufpralls bei einem Unfall würde sie stabil bleiben und gleichzeitig durch die Verformbarkeit Kräfte abfangen."
Mehr als nur Abstellfläche
Thilo Röth, der an der FH Aachen das Labor für Automobiltechnik und den Studiengang Karosserietechnik leitet, sieht in dem Projekt große Chancen: "Im Verbund mit metallischen Stoffen kann Holz tatsächlich sehr attraktiv sein. Es eignet sich beispielweise auch für die Konstruktion der Spritzwand, die den Innenraum des Autos zum Motor hin abschottet."
Die Forscher aus Kassel wissen, dass es bei ihrem Projekt noch einige Hürden gibt. "Wie gut die Holzstoffe sich in die Fahrzeugstruktur integrieren lassen, müssen wir erst herausfinden", sagt Böhm. "Wir wissen zum Beispiel noch zu wenig darüber, wie sie sich ausdehnen."
Brandgefahr und Fäulnisbefall von Holz bereiten den Wissenschaftlern dagegen weniger Kopfzerbrechen, dafür seien bereits wirksame Imprägnierstoffe entwickelt. In spätestens anderthalb Jahren wollen die Forscher den Prototyp für Bauteil aus Holz präsentieren.