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Neue Zustellkonzepte: So packen wir das

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Paketzustellung in der Zukunft So geht die Post ab

Der E-Commerce boomt, die Zahl der Warensendungen nimmt zu. Damit nicht immer mehr Lieferwagen die Innenstädte verstopfen, wird intensiv an neuen Zustelllösungen gearbeitet. Und nein: Drohnen sind keine.

Der größte Feind des Autofahrers im Stadtverkehr ist nicht die Ampel, sondern das Päckchen von Amazon oder Zalando: Heerscharen von Kleintransporten kämpfen sich für die Auslieferung von Warensendungen durch die Innenstädte, verlängern den Stau, weil sie in zweiter Reihe parken. Von der zusätzlichen Schadstoffbelastung ganz zu schweigen.

Was schon jetzt vielerorts ein Ärgernis ist, könnte sich in Zukunft zu einem echten Problem auswachsen. Der E-Commerce boomt, schon heute werden jeden Tag Millionen Päckchen ausgeliefert, die Post meldet pro Jahr einen Anstieg des Paketvolumens um fünf bis sieben Prozent. Chaos in den Innenstädten scheint unausweichlich.

Zumindest, wenn alles so weiterläuft wie bisher.

"Damit die Städte nicht in der Flut der Päckchen ertrinken und in den Abgasen der Transporter ersticken, brauchen wir neue Lieferwagen und neue Logistik-Konzepte", sagt Kfz-Experte Klaus Schmitz von der Strategieberatung Arthur D. Little. Für ihn ist der Umbruch auf der so genannten "letzten Meile" in der Lieferkette eines der wichtigen Themen für die bevorstehende Nutzfahrzeug-IAA in Hannover.

Oberste Priorität hat für Schmitz dabei die zügige Umstellung auf den lokal emissionsfreien Elektroantrieb, der in der Nutzfahrzeugbranche noch weniger verbreitet ist als bei den Pkw-Herstellern. "Das Gros der Feinstaubbelastungen in den Städten wird von den Last- und Lieferwagen verursacht", macht der Experte die Dringlichkeit deutlich.

Die Chancen, dass der Wandel gelingen kann, stehen gut: Anders als im Pkw fällt die Elektrifizierung von Kurierfahrzeugen vergleichsweise leicht, weil die Wagen im Kurier- und Expressdienst immer an die gleiche (Stromtank-)Stelle zurückkommen. Zudem legen sie nach einer Erhebungen von Mercedes im Schnitt nicht mehr als 40 Kilometer am Tag zurück. Das gewichtigste Argument gegen Elektroautos - die geringe Reichweite - zieht bei diesem Nutzungsszenario nicht.

Sobald es zudem Möglichkeiten der Übergabe ohne direkten Personenkontakt, zum Beispiel über die weitere Verbreitung von Packstationen, gibt, könnten elektrische Lieferwagen ohne Lärmbelastung auch die verkehrsarmen Nachtstunden nutzen, skizziert Arthur D. Little-Logistik-Experte Michael Zintel seine Idealvorstellung. Allerdings würden dadurch Retouren erschwert, die bisher bei der Auslieferung übergeben werden können.

Viele Ansätze sind schon in der Erprobung

Ein weites Feld der Optimierung sieht Zintel zudem in der Vernetzung von Routen- und Lieferplanung. "Je genauer man die Ankunftszeit ankündigen kann, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass man die Sendung auch im ersten Versuch los wird und für die Zustellung eines Päckchen nicht mehrfach fahren muss."

"Vision Van" - so stellt sich Mercedes-Benz die Zukunft des Zustellwagens vor

"Vision Van" - so stellt sich Mercedes-Benz die Zukunft des Zustellwagens vor

Foto: Daimler

Inzwischen beschäftigen sich auch etliche Fahrzeughersteller mit dem Thema. So hat Iveco zum Beispiel im Frühjahr auf der Autoshow in Peking das Konzept eines künftigen Kurierautos mit Hybridantrieb, Autopilot und automatischer Ladungssicherung vorgestellt. Und im Vorfeld der IAA Nutzfahrzeuge in Hannover hat jetzt auch Mercedes demonstriert, wie ein Bote dieser neuen Zeit aussehen könnte. Dafür haben die Schwaben den sogenannten "Vision Van" auf die Räder gestellt - eine futuristische Weiterentwicklung des Sprinters. Mit Elektroantrieb und Joystick-Cockpit, mit automatischer Warensortierung und elektronischer Paketklappe, mit einem Schnellladesystem für kurze Umschlagzeiten - und mit zwei Drohnen auf dem Dach.

Natürlich ist das Zukunftsmusik. Gleichzeitig finden sich viele interessante Ansätze oder clevere Detaillösungen schon heute im Einsatz - oder zumindest in der Erprobung. So hat die Post zum Beispiel einen eigenen elektrischen Lieferwagen entwickelt, der jetzt in immer mehr Städten sauber und leise durch die Wohngebiete schnurrt und dem Begriff "Stille Post" eine ganz neue Bedeutung gibt.

In der Schweiz geistern die ersten autonomen Roboterameisen mit Päckchen auf dem Buckel über den Bürgersteig. In London testen Lieferdienste die Zustellung von Waren mit den autonom fahrenden Robotern der Firma Starship. Amazon in Amerika und die Post in Deutschland testen zumindest in entlegenen Gebieten die Paketzustellung mit Drohnen. Und Autos von Volvo oder Smart wollen Paketempfänger glücklich machen, in dem sie dem Kurierfahrer freiwillig ihren Kofferraum öffnen - damit dieser seine Warensendungen auch dann los wird, wenn gerade mal niemand die Haustür aufmacht.

Die letzten Meter sind entscheidend

Genau das ist nämlich die Stelle, an der auch die intelligenteste und effizienteste Logistikkette zu reißen droht, mahnt Zintel: Denn die ganze Vernetzung und Kapazitätssteigerung wird hinfällig, wenn am Ende die Übergabe nicht klappt und das Päckchen weitere Runden drehen muss.

Post-Roboter in der Schweiz

Post-Roboter in der Schweiz

Foto: Beatrice Devenes/ DIE POST

Die Übergabe ist zudem ein Grund dafür, dass das große Trend-Thema der PKW-Branche bei den Lieferlogistikern eine eher kleine Rolle spielt: das autonome Fahren. Denn in den Transportern wird noch lange eine Person an Bord sein, schließlich muss am Ende jemand die Sendungen abliefern. Gleichzeitig böte ein selbstständig fahrender Lieferwagen auch Vorteile, weswegen die Technologie nicht mit Hochdruck, aber perspektivisch implementiert werden soll: Schließlich könnte der Zusteller die freiwerdende Zeit dazu nutzen, die Auslieferung zu planen, die Ladung zu sortieren oder, wie etwa ein Müllmann, seinem Fahrzeug zu Fuß folgen - nur dass er nicht einsammelt, sondern austeilt.

In noch weiterer Zukunft als das autonome Fahren sieht Fabian Dömer, Innovationsberater bei Arthur D. Little, den Einsatz von Drohnen. Dutzende Quadrocopter schwärmen von einem Lieferwagen aus wie von einem Flugzeugträger und befördern die Post über den Stau und den Gartenzaun hinweg bis auf den Balkon - das klingt in der Theorie verheißungsvoll. Doch in der Praxis sei das schwer vorstellbar, zerstört der Arthur-D.-Little-Experte die Utopie.

Zu kompliziert sei der umbenannte und elektronisch gesteuerte Flug und zu riskant seien Entladung oder Landung, als dass sich solche Konzepte in den nächsten ein, zwei Jahrzehnten umsetzen ließen. "Gegen eine autonom fliegende Drohne ist ein autonomes Auto ein Kinderspiel", sagt Dömer. Und als wären die technischen Herausforderungen nicht schon groß genug, führt er auch noch politische und gesellschaftliche Fragen von der Lärmbelastung bis zur Terrorangst ins Feld. "All das lässt eine Lösung aus der Luft für den breiten Einsatz auf lange Zeit als denkbar unwahrscheinlich erscheinen."

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