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Kalkhoff Berleen: E-Bike für die Stadt mit Macken

Foto: Stefan Weißenborn

Kalkhoff-E-Bike für die Stadt Berleen, du bist so sonderbar!

Mattschwarz, elektrisch, nicht so teuer: Das Kalkhoff Berleen ist ein cooles Rad für die Großstadt. Hinter der Fassade verbirgt sich jedoch ein komplizierter Charakter, der generelle Schwächen vieler E-Bikes aufzeigt.

Der erste Eindruck: Bike in Black - das matte Schwarz wirkt cool und dient als Tarnfarbe. Es fällt kaum auf, dass alles an Bord ist, was das Gesetz fordert: Beleuchtung, Reflektoren und so weiter. Auch als E-Bike ist das Rad erst auf den zweiten Blick erkennbar: Der Motor versteckt sich im Hinterrad.

Das sagt der Hersteller: Berleen - das klingt nicht ohne Grund wie Berlin, sagt Alexander Hülsmann vom Hersteller Kalkhoff. Die Assoziation mit der hippen Hauptstadt soll auch Radfahrer in Hamburg, München und anderen Großstädten reizen.

Als Zielgruppe nennt Hülsmann "den Schüler ab 17, aber auch den Mitarbeiter einer Kreativagentur Ende 40". Sie alle sollen sich mit der minimalistischen E-Bike-Technik zufriedengeben: Der Akku fasst nur 250 Wattstunden (Wh) Strom, was im Großstadtdschungel aber wohl reicht. "Mehr als 50 Prozent aller Fahrten sind unter acht Kilometer", sagt Hülsmann. Außerdem spart die Halbierung gegenüber Akkus von Reise-E-Rädern oder E-Mountainbikes viel Gewicht - Batterien gehören zu den schwersten Komponenten eines Elektrofahrrads.

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Kalkhoff Berleen: E-Bike für die Stadt mit Macken

Foto: Stefan Weißenborn

Auch die 32 Newtonmeter (Nm) Drehmoment, die der Bafang-Heckmotor auf die Achse bringt, klingen kläglich. Doch weil die Kraft dort erzeugt wird, wo sie gebraucht wird - am Hinterrad - ist der Wirkungsgrad höher. "Es gibt keine Effizienzverluste über die Kette und Übersetzung wie beim Mittelmotor", betont Hülsmann. Das Fahrgefühl ähnele der Dynamik eines Autos mit Heckantrieb - der Motor überträgt die Kraft wirksam auf den Boden und beschleunigt besser. Weiterer Vorteil: Der Nabenantrieb ist günstiger.

Das ist uns aufgefallen: Den Rotstift hat Kalkhoff auch an anderer Stelle angesetzt - das Rad kommt ohne Bediendisplay aus. Der Hersteller verkauft das als Vorteil: "Warum sollten wir die ganze Technik nachbauen, wenn jeder sein Handy dabei hat?", fragt Hülsmann. Eine App informiert über Tempo und Reichweite, die eingebundene Google-Navigation weist den Weg. Eine Handyhalterung kostet allerdings um die 40 Euro extra. Fahrer sollten sich vergewissern, dass ihr Smartphone wasserdicht ist oder sich eine Schutzhülle zulegen.

Fahren lässt sich das Rad aber auch ohne Handy. Auf dem Oberrohr sitzt ein "On"-Schalter. Ein etwas längerer Knopfdruck, dann glimmen die LEDs, der Motor ist startklar. Bei vollem Akku leuchten alle vier Dioden blau. Die genaue Restreichweite hält allerdings nur die App bereit. Über einen weiteren Knopf wählt der Fahrer, wie stark ihn der Motor unterstützen soll. Es gibt vier Stufen, angezeigt von denselben Lämpchen in Grün.

So simpel die Bedienung ist, so bockig gibt sich der Motor. Am Berg pausiert die E-Maschine mitunter einfach - ein ärgerlicher Bremseffekt. Offenbar sind die Trittfrequenz- und Drehmomentsensoren schlampig abgestimmt. Das zeigt sich auch bei moderatem Tempo: Lässt der Fahrer die Kurbel ohne größeren Druck auf die Pedale rotieren, schiebt der Motor kräftig an. Das irritiert, zumal der Motor eines Pedelec nur tretunterstützend wirken und nicht allein antreiben darf. So fährt das Berleen in einen rechtlichen Graubereich. Weder über die App-Funktionen noch mit einer neu aufgespielten Firmware ließ sich der Motor völlig sauber abstimmen.

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Recht fließend geht das Rad dagegen in den nicht unterstützten Tempobereich ab 25 km/h über. Darüber wird es etwas mühsam - ein generelles Problem von Pedelecs. Dass das Berleen bis 25 km/h flott beschleunigt, ist auch der leicht gebückten Sitzposition geschuldet sowie den 35-mm-Reifen, die kaum abfedern. Zudem fehlt eine Federgabel - sie würde das Rad träger und unerwünscht teuer machen.

Im Video: Fahrrad-Enthusiasten - Wer cool sein will, fährt Fixie

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Das muss man wissen: In der Stadt mag das Berleen zum Pendler-Bike taugen, doch schon im Speckgürtel kann es eng werden. Nach 50 Kilometern mit mittlerer Tretunterstützung verabschiedete sich die Batterie mit einer blinkenden letzten LED. Immerhin lässt sich der Stromspeicher zum maximal vierstündigen Laden per Hebelverschluss gut entnehmen und einsetzen - nur muss man ihn gut festhalten, sonst fällt er auf den Boden. Das womöglich größere Manko: Bei Regen lief Wasser am Unterrohr hinter die Akkuabdeckung. Zudem ist der Gummiverschluss für Ladebuchse und Akkuschloss fummelig. Auch dort droht Wassereintritt, wenn der Pfropfen nicht richtig sitzt. Der Hersteller betont, die Batterie sei gut geschützt. Eine als Zubehör erhältliche Abdeckung könne zusätzlich dazu beitragen, dass die Elektrik keinen Schaden nimmt.

Ratgeber Rad

An dem Rad fehlt ein integrierter USB-Anschluss, über den das Smartphone mit Strom aus dem Fahrradakku versorgt werden kann - zumal der Hersteller die App als Bedienoberfläche voraussetzt. Wird für die Navigation außer dem GPS-Signal eine Mobilfunkverbindung benötigt, schwinden die Ladebalken am Telefon wie im Zeitraffer. Für Kalkhoff-Mitarbeiter Hülsmann ist die Buchse entbehrlich, zumal sie den Preis um 200 Euro erhöhen würde. Kaum jemand werde in Lade-Nöte kommen, sagt er mit Blick auf die 8-Kilometer-Distanz, die Kunden aus der Zielgruppe im Schnitt zurücklegten.

Unser Testrad plagte sich dafür mit einem Problem aus der alten Fahrradwelt: Der Steuersatz - wo der Gabelschaft im Steuerrohr gelagert ist - war locker. Bei einem Fachhändler ließen wir die Mechanik justieren, doch nach kurzer Fahrt wackelte es wieder. Ob ein Fertigungsfehler vorlag, konnten wir nicht überprüfen. Kalkhoff vermutete, der Steuersatz sei falsch eingestellt - konnte dies am Rad selbst jedoch nicht überprüfen.

Das werden wir in Erinnerung behalten: Wie gut das Rad optisch ankommt - aber auch, wie die Begeisterung verraucht, sobald man die technischen Marotten zu spüren bekommt.

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