
Lamborghini Aventador: Stier nach strenger Diät
Lamborghini Aventador LP 700-4 Der Leichtkraftwagen
Brutale Power, raffinierte Technik und ein unvergleichliches Design - mit diesem Dreiklang möchte Lamborghini im kommenden Sommer wohlhabende Vollgasfans locken. Zehn Jahre nach dem Debüt des bisherigen Topmodells Murciélago bringt die italienische Audi-Tochter auf dem Autosalon in Genf einen neuen Supersportwagen in Stellung. Der aggressiv gestaltete Renner ist 4,78 Meter lang, aber nur 1,14 Meter hoch und hört auf den Namen Aventador. Das begleitende Kürzel LP 700-4 gibt einen Hinweis auf die Einbaulage des V12-Motors - LP steht für Longitudinale Posteriore, also längs zur Fahrtrichtung - seine Leistung von 700 PS und die Zahl der angetriebenen Räder.
Da es bei Lamborghini zwar alle paar Monate eine neue Modellvariante, aber nur jede Dekade ein wirklich neues Autos gibt, spart Firmenchef Stephan Winkelmann nicht mit großen Worten. "Mit dem Aventador springt Lamborghini bei Technologie und Design gleich zwei Generationen nach vorn", sagt der Vorstandsvorsitzende. "Dieses Auto macht die Zukunft des Supersportwagens zur Gegenwart."
Das ist natürlich eine stolze Übertreibung, doch die Entwickler haben tatsächlich Einiges geleistet. Dazu gehört nicht zuletzt die Weiterentwicklung der Produktionstechnologien, etwa die Automatisierung der Karbonverarbeitung: Große Teile der Karosserie und vor allem des Chassis' sind können weitgehend maschinell aus Kohlenstoff produziert werden.
Das bislang vor allem der Formel 1 und der Raumfahrt vorbehaltene Material, dessen Verarbeitung Lamborghini gemeinsam mit Boeing an einem eigenen Lehrstuhl in Seattle erforschen, verbessert nicht nur die Sicherheit und die Stabilität, sondern drückt vor allem das Gewicht: Das so genannte Monocoque, also die Fahrgastzelle, wiegt lediglich 147,5 Kilogramm und das gesamte Auto bringt "leer und trocken" 1575 Kilogramm auf die Waage.
Ein neuer Zwölfzylindermotor macht 350 km/h möglich
Für einen Zweisitzer fast ohne Kofferraum ist das noch immer eine Menge. Aber für einen luxuriös mit Leder ausgeschlagenen Zwölfzylinder-Sportwagen mit Automatikgetriebe und Allradantrieb ist es kein schlechter Wert. Zumal das Vorgängermodell 1650 Kilogramm wog. Beim Aventador sinkt damit das Leistungsgewicht auf 2,25 Kilo pro PS, und der Verbrauch geht trotz der um zehn Prozent gestiegenen Leistung um rund 20 Prozent zurück - auch wenn der Aventador mit einem Durchschnittsverbrauch von 17,2 Litern beileibe noch lange Ökorenner wird.
Verbrannt wird der Sprit in den zwölf Zylindern eines neuen 6,5-Liter-Motors, der unter einer auf Wunsch transparenten Abdeckung im Heck platziert ist. Die Maschine dreht bis weit über 8000 Touren und entwickelt ein Drehmoment von bis zu 690 Nm. Damit katapultiert sie den Aventador in nur 2,9 Sekunden auf Tempo 100, die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 350 km/h.
Zum neuen Motor gibt es als weitere Premiere bei einem Straßensportwagen erstmals ein so genanntes Independant-Shifting-Rod-Getriebe, das im Prinzip eine automatisierte Handschaltung mit sieben Gängen ist. Sie ist nur halb so schwer wie eine Automatik mit Doppelkupplung, braucht weniger Platz und schaltet noch schneller: Im schärfsten der drei elektronisch geregelten Fahrprogramme werden Gangwechsel binnen 50 Millisekunden erledigt.
Damit der Aventador keinen unfreiwilligen Abflug macht, hat Lamborghini auch das Fahrwerk weiterentwickelt und gleich noch eine Neuheit eingebaut. Angeblich zum ersten Mal bei einem Seriensportwagen sind die gewaltigen Räder - vorn 19 und hinten 20 Zoll groß - mit einer so genannte "Pushrod"-Federung mit dem Chassis verschraubt. Das hat sich Lamborghini aus der Formel 1 abgeschaut. Der Vorteil der Technik: Weil die Radführung und Dämpfung sind voneinander getrennt, das Ansprechverhalten ist in jedem Geschwindigkeitsbereich sensibler und besser einstellbar. Die steife Anbindung an das Chassis verbessert das Ansprechen von Federung und Dämpfung zusätzlich.
Der Startknopf für den Motor sitzt unter einer roten Klappe
Extreme Sportlichkeit lautet der technische Ansatz, doch im Innenraum herrscht edler Überfluss. Zwar sind die Sitze eng und konturiert, aber immerhin mit weichem Leder gepolstert. Im Cockpit gibt es einen Flatscreen-Monitor und auf der Mittelkonsole findet sich zwischen Kippschaltern und dem üblichen Dreh-Drück-Regler für Navigation und Unterhaltung auch der Starterknopf. Der ist jedoch, wie in einem Kampfjet Raketenabschusstasten, mit einer roten Klappe gesichert.
Obwohl vieles neu ist am neuen Lamborghini, hielten sich die Italiener bei der Namensgebung an die Firmentradition. Auch diesmal stand deshalb wieder ein spanischer Kampfstier Pate. Avantador hieß das Tier, das sich im Oktober 1993 in der Arena von Saragossa besonders tapfer geschlagen hat. Der Bulle wog laut Überlieferung 507 Kilo. Das klingt massig, doch für einen Kampfstier lag er damit nah am Minimalgewicht. So soll es ja auch beim Auto gleichen Namens sein.