
Lowtech-Transporter Ox: Ein Laster für alle
Lowtech-Transporter Der Ox aus der Box
Nach Oddvar, Omar und Oppland kommt nun Ox. Der Unterschied: Bei den ersten dreien handelt es sich um Ikea-Möbel, Ox hingegen ist ein Lkw. Allerdings einer, der sich durchaus mit den Produkten des schwedischen Möbelherstellers vergleichen lässt, denn das Fahrzeug wird in einem großen Karton angeliefert und erst vor Ort zusammengebaut.
Drei Leute, ein paar Schraubenschlüssel sowie etwas Geschick und Zeit reichen aus, um den Ox auf die Räder zu stellen. Einen Allzweck-Transporter für all jene Weltregionen, in denen Güter bislang meist noch mit Eseln, Maultieren, Kamelen und Karren transportiert werden.
Treibende Kraft hinter dem Ox-Projekt ist der britische Geschäftsmann Sir Torquil Norman, der als Investmentbanker und später als Spielzeugfabrikant zu Wohlstand kam und vor drei Jahren in London den Global Vehicle Trust (GVT) gründete. Das Wohltätigkeitsunternehmen hat das Ziel, Mobilität in Entwicklungsländern bezahlbar zu machen. Das erste Projekt: Ein einfacher und robuster Lastwagen. Unterstützung bei der Konstruktion erhielten die GVT-Entwickler von Gordon Murray, der zuvor unter anderem Formel-1-Rennwagen für McLaren entwarf.
Ein Lkw aus dem Karton
"Als ich hörte, dass nur 20 Prozent aller Menschen Zugang zu Mobilität haben, war mir klar, dass ich das ändern muss", sagt der 83-jährige Norman. Vor wenigen Tagen wurde der weltweit erste "Flat-Pack"-Truck vorgestellt. Eben das Modell Ox, das in einen Karton passt und sich ohne weitere technische Hilfsmittel am Bestimmungsort zusammenbauen lässt. "Im Rahmen eines Hilfsprogramms könnte der Ox ein Mindestmaß an Mobilität garantieren und so den Lebensstandard der lokalen Bevölkerung erhöhen", sagt Norman.
Die in Großbritannien vorgefertigten Bauteile werden - inklusive des Motors - auf raffinierte Art in einen großen Karton verpackt und anschließend per Container verschifft. Insgesamt sechs solcher Ox-Kartons passen in einem Standard-40-Fuß-Container. "Die größte Herausforderung bestand darin, den Motor so in der Verpackung anzuordnen, dass man später kein Hebewerkzeug oder gar einen Kran benötigt, um ihn ins Fahrzeug einzubauen", sagt Designer Murray.
Gelöst wurde dieses Problem auf elegante Art: Der Motor ist exakt im notwendigen Einbauwinkel auf dem Boden des Kartons platziert. Beim Zusammenbau muss das Chassis lediglich über den Motor gehoben und mit ihm verschraubt werden. Drei Mechaniker reichen für diese Prozedur aus. Wenn das Trio einigermaßen geschickt ist, steht der fertige Ox-Transporter binnen zwölf Stunden fahrbereit auf den Rädern. Als Werkzeug reicht ein Satz Inbus- und Schraubenschlüssel aus.
Eigenbau-Laster mit 1,9 Tonnen Nutzlast
Die Karosserie des Ox besteht aus mehrschichtigen Holzteilen, die dank einer speziellen Lackierung wasserabweisend sind und speziell für die Anwendung im Transportgewerbe konzipiert wurden. Der Lastwagen wiegt insgesamt 1,6 Tonnen und soll eine Nutzlast von 1,9 Tonnen bewältigen können. Auf der Ladefläche finden drei Europaletten Platz - oder 13 Personen, vielleicht auch mehr.
Mit einer Länge von 4,23 Meter ist der Ox deutlich kleiner als ein durchschnittlicher SUV. Der Fahrer sitzt übrigens in der Mitte der Drei-Personen-Kabine, was auch deshalb clever ist, weil der Ox dadurch ohne weitere Anpassungen in Ländern mit Rechts- oder Linksverkehr gleichermaßen gut eingesetzt werden kann.
Angetrieben wird das Fahrzeug von einem 2,2-Liter-Vierzylinder-Saugdiesel mit 100 PS, der dem Ford Transit entliehen ist. Die 16-Zoll-Räder des Ox sind einzeln aufgehängt und mit Scheibenbremsen ausgerüstet. Über ein manuelles Fünfganggetriebe wird die Motorkraft an die Vorderräder übertragen. Aus Kostengründen entschied man sich gegen einen Allradantrieb, zumal der - wie eine Untersuchung von GVT ergab - lediglich in zwei Prozent aller Einsatzszenarien benötigt würde. Zudem ist eine Antriebsachse deutlich wartungsärmer. Die Wattiefe des Fahrzeugs gibt der Hersteller mit 75 Zentimetern an.
Was jetzt noch fehlt ist, Geld
Der Ox ist von vorn bis hinten durchdacht. Die Heckklappe beispielsweise lässt sich rasch abmontieren und als Laderampe nutzen. Die ausklappbaren Sitze auf der Ladefläche wiederum lassen sich ebenfalls mit wenigen Handgriffen entfernen und auch als Sandbleche nutzen, sollte sich das Auto festgefahren haben.
Fehlt eigentlich nur noch die Verbreitung des Ox, doch noch ist die Serienproduktion nicht angelaufen. Norman hofft jetzt auf Investoren, die Geld in das Projekt stecken. Was der Ox kosten wird, dazu gibt es noch keine offizielle Aussage. Allerdings sind aus dem Umfeld des GVT-Projekts Schätzungen von umgerechnet 12.000 bis 17.000 Euro zu hören.
Falls der Ox in Serie geht, hofft Initiator Norman auch auf Kundschaft aus Europa, etwa Bauern oder Forstunternehmen. Die Autos für die hiesigen Märkte sollen dann fertig montiert verkauft und der Gewinn aus diesen Geschäften unmittelbar in die Weiterentwicklung des Fahrzeugs gesteckt werden.
Hat der Ox mehr Erfolg als das Africar?
Bereits vor dreißig Jahren, 1986, gab es ein ähnliches Projekt. Der Brite Ton Howarth wollte mit dem sogenannten "Africar" ein Fahrzeug bauen, dass billig und robust konstruiert und auf den Pkw-Bedarf in Afrika abgestimmt war. Dafür gründete Howard damals die Africar International Ltd.. Motoren und Mechanik für das Africar sollten vorerst von Citroen kommen, solange noch keine eigenen Antriebe entwickelt waren.
Die Karosserie sollte aus mit Epoxidharz beschichtetem Holz bestehen, sodass Mechaniker das Auto mit vor Ort verfügbaren Materialien reparieren konnten. Jedoch wurden damals lediglich drei Prototypen fertiggestellt: ein Pick-up, ein Kombi und ein Sechsradfahrzeug.
Das Projekt scheiterte schließlich an der Finanzierung. Das Africar diente allerdings auch Sir Norman Torquil als Inspiration: "Mein Traum ist es, irgendwann in jedem afrikanischen Dorf einen Ox zu sehen." Bleibt zu hoffen, dass es bei ihm mit der Finanzierung besser klappt als bei seinem Vorbild.
Amn. d. Red: In einer früheren Version des Artikels hieß es fälschlicherweise, Gordon Murray hätte am Design mitgearbeitet. Tatsächlich hat er bei der Konstruktion des Fahrzeugs unterstützt. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.