
Mercedes SLS AMG electric drive: Unter Vollspannung
Mercedes SLS AMG electric drive Der Elektro-Schocker
Der erste Eindruck: Zisch und weg - wie ein neongelber Blitz zuckt der elektrisch angetriebene SLS durchs Blickfeld. Wahrscheinlich hätte sich Mercedes bei diesem Sportwagen die Scheinwerfer sparen können, so grell wie er leuchtet. Und der Kickdown-Start katapultiert das Auto so schlagartig vorwärts, dass man mit geöffneten Flügeltüren wohl abheben würde.
Das sagt der Hersteller: Mercedes bringt den SLS electric drive mit einer Art "Jetzt-erst-recht"-Attitüde an den Start. Entwicklungsvorstand Thomas Weber räumt zwar ein, dass die Elektromobilität in einer Imagekrise steckt, doch das ändert nichts an seinen Plänen. "Wo andere aufgeben, fangen wir erst an", stichelt Weber gegen Audi, weil die Ingolstädter ihren E-Renner R8 E-tron kurz vor dem angekündigten Serienstart zurückzogen. "Mit dem SLS AMG electric drive zeigen wir, wie für uns 'Vorsprung durch Technik' wirklich aussieht", tönt Weber.
Die Signalwirkung ist das eine. Das andere ist der Gewinn an Know-how. "Das Auto ist auch ein Lehrstück und Technologieträger", sagt Projektleiter Jan Feustel. "Bei diesem Projekt haben wir in vielen Bereichen Kompetenzen aufgebaut, von denen wir noch Jahre profitieren werden. Und zwar nicht nur bei elektrischen Fahrzeugen." Feustel meint damit unter anderem den Leichtbau aus einer Mischung von Aluminium und Karbon, die es bei Mercedes so bislang noch nicht gab.
Das ist uns aufgefallen: Mit welchem Spaß man den Stromer über die Strecke treiben kann. 751 PS und irrwitzige 1000 Nm Drehmoment lassen die massigen 2,1 Tonnen Gewicht des Elektrofegers tanzen.
Die Reichweite kann dabei nur als Nebensächlichkeit betrachtet werden. Die offiziellen 250 Kilometer sind nur ein theoretischer Wert, denn nach einer herzhaften Runde auf der Nordschleife ist der Akku fast schon leer. Mercedes-Entwicklungschef Thomas Weber sieht darin kein Problem: "Manchmal ist nicht die Kapazität der Batterie der limitierende Faktor, sondern der Magen des Mitfahrers."
Soll heißen: Elektrofahrzeuge wie Smart ed, Renault Twizy oder Nissan Leaf fährt man, um anzukommen. Deshalb schwingt immer die Sorge mit, ob der Strom bis ans Ziel reicht. Den SLS fährt man dagegen aus purer Lust an der Geschwindigkeit. Am besten, man begibt sich dazu auf die Rennstrecke - denn sollte der Akku mal platt sein, hält sich der Fußweg bis zur Box in Grenzen.
Das muss man wissen: Jedes Rad am AMG SLS electric drive wird individuell von einem Motor angetrieben. Jedes dieser vier Aggregate leistet 188 PS und 250 Nm. Die Lithium-Ionen-Akkus werden von Formel-1-Entwicklern beigesteuert. "Sie haben mehr Erfahrung wenn es um Performance und Leistungsdichte geht", sagt Projektleiter Feustel. Insgesamt wiegt der Stromspeicher im Flügeltürer 548 Kilo, besteht aus zwölf Blöcken zu je 72 Zellen und hat eine Kapazität von 60 Kilowattstunden.
Die ersten Autos werden im Juni ausgeliefert - zum Stückpreis von 416.500 Euro. Damit ist der Wagen das derzeit teuerste Mercedes-Serienmodell. Ein definiertes Stückzahl-Limit gibt es nicht, wohl aber eine zeitliche Begrenzung. "Wir bauen bis Oktober, dann ist Schluss", sagt Feustel.
Das werden wir nicht vergessen: Das irre Fahrgefühl, das nicht allein vom Elektroantrieb, sondern auch vom sogenannten Torque Vectoring herrührt. Wenn die Elektronik die Antriebskraft in Sekundenbruchteilen für alle vier Räder exakt dosiert und das maximale Drehmoment unmittelbar und jederzeit abrufbar ist, kann das Auto den Charakter tatsächlich auf Knopfdruck wechseln: Im Komfortmodus gleitet der SLS neutral über den Kurs und untersteuert sogar ein bisschen nach Kleinwagen-Manier.
Schaltet man zwei Stufen weiter, wird die Fuhre zum Biest, die sich zackig und giftig benimmt wie ein Rennauto auf der Carrera-Bahn. Das passt - denn für die Kunden ist dieses Auto wohl vor allem ein Spielzeug. Nur viel größer, schneller und teurer als damals im Kinderzimmer.