
Elektro-Projekt: Stadtauto zum Kampfpreis
Mittelstandsprojekt Elektroflitzer zum Discount-Preis
Man sieht auf den ersten Blick, welcher Vision sich Achim Kampker verschrieben hat: An der Wand hängen Entwürfe eines futuristisch aussehenden Kleinwagens - als Kompaktversion, als Pickup und als Cabrio. Auf dem Schreibtisch türmen sich Visitenkarten, wichtige Unterlagen sind im ganzen Raum verteilt.
Hier in Kampkers Büro laufen die Fäden zusammen für ein Projekt, das die einen für bahnbrechend halten und die anderen für größenwahnsinnig. Es geht um nicht weniger als einen Kleinwagen, der das Automobil in ein neues Zeitalter führen soll - elektrisch angetrieben, exakt auf den Stadtverkehr zugeschnitten und für einen Preis ab 5000 Euro zu kaufen.
Der gerade erst 34-Jährige ist Professor für Produktionsmanagement an der RWTH Aachen und Geschäftsführer der StreetScooter GmbH. In der jungen Firma sind 17 Unternehmen und 20 wissenschaftliche Institute vereint, die das Elektroauto in den kommenden drei Jahren entwickeln wollen. Im Herbst bereits soll der Prototyp der Öffentlichkeit vorgestellt werden, für 2015 schließlich ist der Anlauf der Serienproduktion geplant. Pro Jahr sollen dann 25.000 Einheiten vom Band laufen.
Sollte es tatsächlich bei dem anvisierten Preis bleiben, dann dürfte es kaum ein Problem sein, die Autos auch zu verkaufen. Immerhin kostet ein Mitsubishis iMiEV - das erste Großserien-Elektroauto, das man in Deutschland kaufen kann - rund 35.000 Euro. Das Konkurrenzmodell Nissan Leaf soll noch in diesem Jahr auf den Markt kommen und um die 30.000 Euro kosten.
Preisvorteil Leasing-Akku
Bei genauerer Betrachtung relativiert sich der Preisabstand zum StreetScooter jedoch erheblich: Der Stadtfloh wird ohne Batterie ausgeliefert, die jedoch je nach Kapazität mit bis zu 8000 Euro ins Gewicht fällt. Das Geschäftsmodell ähnelt dem des kalifornischen Unternehmens Better Place: Danach kauft der Kunde das Auto und schließt für die Batterie einen Leasingvertrag ab. Eine Aufteilung die durchaus ihre Vorteile hat - schließlich übernimmt der Verkäufer während der Laufzeit das Risiko, falls das teure Bauteil kaputt geht.
Die Speicherzellen für die Batterie kommen vom Spezialisten O.M.T. aus Lübeck, die Batterie entsteht in Kooperation mit Wissenschaftlern der RWTH. Laut Kampker ist das Batteriekonzept schon heute fertig. "Mit dem aktuellen Stand können wir das erreichen, was wir wollen", sagt er.
Genau wie die Batterie sollen auch die anderen Module von den beteiligten Spezialisten möglichst eigenständig entwickelt und geliefert werden. Die großen Autohersteller bleiben deshalb außen vor. "Eine Kampfansage ist das aber nicht", betont der Ingenieur. Vielmehr will er das Projekt verstanden wissen als neutrale Plattform, mit der ein Netzwerk entsteht aus Mittelstand und Wissenschaft. Innovationstransfer steht im Vordergrund. "Wir wollen in erster Linie die Elektromobilität in Deutschland vorantreiben", sagt Kampker.
Designer und Produktionsleiter in einem Raum
Dennoch arbeiten Produktionsmanager, Entwickler und Designer eng zusammen, immer mit der Maßgabe, am Ende Hightech zum kleinstmöglichen Preis anzubieten. Das Fahrzeug soll alle gängigen Sicherheits-Assistenten an Bord haben, so zum Beispiel Airbags, ABS oder ESP. Eine Klimaanlage würde dagegen zu viel Strom kosten und soll durch eine besonders gute Dämmung ersetzt werden.
Mit den Modulen, die von den beteiligten Mittelständlern kommen, will Kampker den Produktionsprozess so günstig wie möglich halten. Statt wie normalerweise um die 100 Montagestationen soll es beim StreetScooter nur noch 20 geben. "So werden wir auch in Kleinserie profitabel sein können", sagt Kampker.
Bis zur Produktion einer Vorserie schätzt der Ingenieur die Kosten für Entwicklung, Produktion und Zulassung auf etwa 30 Millionen Euro. Das Geld bringen ausschließlich die beteiligten Unternehmen, hauptsächlich in Form von Bau- und Entwicklungsleistungen. Und so schnell kann es nicht ausgehen: Kampker hat kein fixes Budget, sondern in Verträgen mit den Projektfirmen Leistungen festgelegt. So verpflichtet sich ein Unternehmen beispielsweise, den serienreifen Antriebsstrang zu liefern, unabhängig davon, was er letztendlich kostet.
Experten sind skeptisch
Bei Experten stößt das Projekt jedoch auf Skepsis. "Die Risiken werden potenziert, wenn man sich als Newcomer nicht in eine bestehende Wertschöpfungskette integriert sondern ohne Not eine komplett neue aufbauen will", sagt Ferdinand Dudenhöffer vom Center for Automotive Research in Duisburg. Produktionstechnik, Antrieb, Batterie, Vertrieb, Werkstattnetz - alles muss beim StreetScooter neu geschaffen werden. Nach Dudenhöffers Einschätzung wäre es sinnvoller, sich auf eine Sache zu konzentrieren, anstatt gleich ein ganzes Fahrzeug zu bauen. "Denn am Ende werden Sie als Marke an den etablierten Autoherstellern gemessen, ob Sie wollen oder nicht."
Dudenhöffer nennt als Vergleich den Smart: Ebenfalls ein Fahrzeug, das es so zuvor noch nicht gab, neu entwickelt, gebaut in einer eigenen Fabrik, mit einem komplett neuen Vertriebskonzept. Der innovative Kleinwagen war für Daimler-Benz aber lange Jahre vor allem eines: Ein teures Zuschussgeschäft. Mittlerweile hat sich die Marke zwar etabliert, aber Gewinne wirft sie nach wie vor nicht ab.
Außerdem sieht Dudenhöffer noch ein anderes Problem: "Es ist schwer vorstellbar, dass man in Deutschland bei nur 25.000 Autos pro Jahr einen Kleinwagen mit gängigen Sicherheits- und Komfortstandards so günstig produzieren kann", sagt er. Außerdem hat das Institut für Automobilwirtschaft errechnet, dass 2015 das Angebot an Elektrofahrzeugen mehr als dreimal so groß sein könnte wie die Nachfrage. Als No-Name gegen die Konkurrenz etablierter Marken dürfte es der StreetScooter da schwer haben.