Mögliches Fahrverbot in München "Der Diesel hat keine Zukunft"

Dürfen in München bald keine Dieselautos mehr fahren? Der Oberbürgermeister hat eine Diskussion in Gang gesetzt. Die Empörung ist groß - und der Zorn richtet sich nicht nur gegen ihn.
Ein Mechaniker hält ein Stück Papier vor einen Auspuff eines Dieselfahrzeugs

Ein Mechaniker hält ein Stück Papier vor einen Auspuff eines Dieselfahrzeugs

Foto: Christophe Gateau/ dpa

Handwerk, Industrie und Handel in Bayern lehnten die Pläne eines Fahrverbots für ältere Dieselautos umgehend ab. Waren könnten nicht mehr angeliefert werden und viele Pendler könnten ihren Arbeitsplatz nicht mehr erreichen, weil der öffentliche Nahverkehr überfordert sei, warnten die Verbände. Ein Drittel der oberbayerischen und die Hälfte der Münchner Handwerksbetriebe wären in ihrer Existenz bedroht, sagte der Sprecher der Handwerkskammer München und Oberbayern, Jens Christopher Ulrich. Das Dieselverbot wäre "eine Katastrophe". Die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft warnte vor einem massiven Schaden für die Wirtschaft des Landes.

Der Autohersteller BMW, dessen Konzernsitz in München liegt, kritisierte die Fahrverbote ebenfalls. Es gebe intelligentere Maßnahmen als Verkehrsbeschränkungen. Dazu gehöre etwa der Ausbau der Elektromobilität. "Wenn wir die Luftqualität in den Städten verbessern wollen, dann ist es besser, Anreize für nachhaltige Mobilität zu schaffen, als Fahrverbote auszusprechen", sagte ein Firmensprecher.

Auch der Branchenverband VDA lehnt Fahrverbote ab. Stattdessen könnte ein gleichmäßiger Verkehrsfluss mit der grünen Welle die Emissionen um fast ein Drittel senken. Auch sollen sich Verkehrsbetriebe und Taxiunternehmen neue Busse und Autos anschaffen, rät der VDA. Die Autokonzerne argumentieren damit, dass sie den Umschwung zur Elektromobilität ohne die Erlöse aus dem Verkauf von Dieselautos nicht schaffen könnten.

Die Ankündigung des Münchner Oberbürgermeisters hat auch den bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) aufgeschreckt. Wie ein Sprecher der Staatskanzlei verlauten ließ, wolle sich Seehofer am Wochenende mit seinen zuständigen Ressortminstern treffen. Ziel sei es, "ein Maßnahmenpaket vorzulegen, damit die zum Gesundheitsschutz notwendige Absenkung der Stickstoffdioxidwerte erreicht und gleichzeitig aber auch Berufs-, Versorgungs- und Individualverkehr gewährleistet werden", sagte der Sprecher. "Auf allen Ebenen und bei allen Beteiligten" seien "nachhaltige Anstrengungen notwendig, damit Fahrverbote vermieden werden können".

"Dobrindt deckt weiter den Abgasbetrug von Autokonzernen"

Nach Ansicht der Grünen sind die möglichen Fahrverbote in München und anderen deutschen Städten eine Folge der Politik des Bundesverkehrsministers. "Anstatt den Städten intelligente und pragmatische Instrumente zur Verkehrslenkung in die Hand zu geben, wie die Blaue Plakette, deckt Alexander Dobrindt weiter den Abgasbetrug von Autokonzernen", sagte der Chef der Grünen-Bundestagsfraktion, Anton Hofreiter.

Vor gut einem Jahr hatte die Umweltministerkonferenz die Blaue Plakette für Dieselautos mit Abgasnorm 6 vorgeschlagen, denen die Einfahrt in belastete Innenstädte gestattet wäre. Umgekehrt müssten vor allem ältere Fahrzeuge mit höheren Partikelemissionen, die keine Plakette haben, draußen bleiben. Die schadstoffärmere Klasse Euro 6 ist seit September 2014 für alle neuen Pkw-Typen und seit September 2015 für alle neuen Pkw verbindlich.

Sowohl die Verkehrsminister der Länder als auch Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU), aber auch der damalige Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) waren dagegen. "München wird - wie alle Kommunen - von der Bundesregierung dabei allein gelassen", sagte Anton Hofreiter.

Ähnlich äußerte sich die Umweltschutzorganisation Greenpeace: "Um Deutschland nicht mit einem Flickenteppich unterschiedlicher Regelungen zu überziehen, muss Verkehrsminister Dobrindt seine Blockade der Blauen Plakette einstellen", sagte Greenpeace-Verkehrsexperte Tobias Austrup. Den Vorstoß der Stadt München begrüßte er: "Endlich ist einem Bürgermeister die Gesundheit der Menschen wichtiger als freie Fahrt für schmutzige Diesel. Autobauer verdienen ein klares Signal: Der Diesel hat keine Zukunft mehr".

"Kenne gerade keine andere Lösung"

Hintergrund des möglichen Fahrverbots in München seien laut OB Dieter Reiter neuere Abgas-Messwerte, die ihm die "Süddeutsche Zeitung"  vorgelegt habe. Nach einem im März veröffentlichten Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs ist die Landeshauptstadt dazu verpflichtet, bis Ende des Jahres Pläne für Fahrverbote von Dieselfahrzeugen vorzubereiten. Reiter sagte, dass man deshalb über Zufahrtsbeschränkungen für Dieselautos nachdenken müsse - "wenn es keine andere Lösung gibt, und ich kenne gerade keine".

Reiter erklärte, er habe seine Verwaltung gebeten, kurzfristige aber wirkungsvolle Maßnahmen zur Reduzierung der Schadstoffbelastung auszuarbeiten. "Es geht ja um nicht viel weniger als die Gesundheit der Münchner Bevölkerung", sagte er. Auf Details etwa zu Ausnahmen für bestimmte Verkehrsmittel wollte sich der OB allerdings nicht festlegen - unter anderem, weil derzeit nicht klar ist, wer für den Erlass eines Dieselverbots in München zuständig ist. Darüber muss noch das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig entscheiden.

cst/dpa/Reuters
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