
Mustang Mach-E Der Super-Gaul
Würde heute ein Remake des Verfolgungsjagdklassikers "Bullitt" geplant, wäre der jüngste Spross der Mustang-Familie, der Mach-E, den Ford nun vorgestellt hat, wohl eher nicht eingeplant. Schwer vorstellbar, dass ein Elektroauto die legendäre Verfolgungsjagd durch die Straßen von San Francisco, die sich Steve McQueen als Lieutenant Frank Bullitt damals in einem Mustang Fastback GT mit den Gangstern lieferte, überstanden hätte. Vermutlich wäre schon nach den ersten Sprungszenen das schwere Batteriepaket durch die Bodenplatte geschlagen.
Zum herausragenden Fahrzeug im Konzern soll der Stromer trotzdem werden. Mit dem Mustang Mach-E unternimmt Ford seinen bislang größten Aufschlag in Sachen Elektromobilität. Das Modell, mit 4,71 Meter so lang wie ein Jaguar I-Pace, steht auf einer eigens konstruierten Plattform und soll global zum Verkaufsschlager werden. Deswegen ging Ford auch keine Experimente beim Design ein. "Mit dem Konzept eines Crossovers ist man auf Nummer sicher gegangen, um eine möglichst große Kundengruppe anzusprechen", sagt E-Mobilitäts-Experte Peter Fintl vom Beratungsunternehmen Altrans, "allerdings ist es fraglich, ob es mit dieser Karosserieform gelingt, aus der Masse herauszustechen und einen deutlichen 'Will-haben'-Reflex auszulösen." Immerhin trifft der Mach-E in diesem Segment schon auf Konkurrenz: Das Tesla Model Y und der Audi Q4 e-tron, der ebenfalls 2020 auf den Markt kommen soll, sind ebenfalls Crossover.
Der erste elektrische Mustang wird wohl auch der Letzte sein
Den nötigen Vorsprung an Emotionalität soll daher der Name Mustang bringen. Ursprünglich plante Ford, einfach nur ein Elektroauto zu bauen, um zukünftigen Gesetzesregelungen genügen zu können. Doch mit dem Entwicklungsprozess begannen auch die Diskussionen um eine geeignete Bezeichnung. "Wir wollten dem Fahrzeug eine Seele geben und es emotional aufladen", sagt Bill Ford, Aufsichtsratsvorsitzender der Ford Motor Company und Urenkel des Autobauerpioniers. Offensichtlich traute man der Strahlkraft des Modellnamens mehr als der der Marke: So ist auf dem Mustang Mach-E kein Ford-Schriftzug zu entdecken.
Optisch unterstützt wurde die Seelenverwandtschaft zum V8-Ahnen von den Designern mit den typischen dreiteiligen Rückleuchten. Und natürlich mit dem galoppierenden Pferd im Grill. Zusätzlich zeichnet des Nachts ein Spotlight das Mustang-Emblem vor die Türschweller auf die Straße. Blasphemie? Ford wiegelt ab. "Wir haben sogar die Unterstützung des größten amerikanischen Mustang-Clubs", sagt Ron Heiser, Chefingenieur des Mach-E.
Zudem bleibt der Mustang Mach-E wohl ein Solitär. Weitere Modelle auf dieser Plattform sind nicht geplant. Denn alle weiteren Elektroautos aus Dearborn werden in Kooperation mit Wolfsburg entstehen. Von Volkswagen kauft Ford nämlich künftig den Modularen Elektrikbaukasten MEB. Das ist deutlich günstiger, als abermals eine eigene Plattform zu entwickeln. "Skaleneffekte und hohe Stückzahlen sind wichtig, wenn das Projekt Gewinn abwerfen soll", erklärt Peter Fintl den ungewöhnlich anmutenden Schritt. Die ersten MEB-Modelle von Ford sind für 2023 avisiert. Und aller Voraussicht nach werden sie nicht den Namen Mustang tragen.
Riesen-Touchscreen - mit einer Besonderheit
Der Mach-E soll in der Basisversion 46.900 Euro kosten. Dafür bekommen die Kunden einiges geboten. Zukünftige Mach-E-Fahrer blicken zwar auf ein Mini-Display hinter dem Lenkrad, können aber einen Riesenbildschirm wie im Tesla bedienen. Einzigartig ist das physische Rändelrad zur Lautstärkenregelung. Es sitzt unmittelbar auf dem Glas des Displays. "Unsere Befragungen haben ergeben, dass die Kunden keine Touch-Bedienung mit Plus- oder Minus-Symbol und auch keine Slider-Funktion haben wollten", sagt Darren Palmer, Programmchef Produktentwicklung.
Wie sich die Fahrt im Prototypen des Mach-E anfühlt, konnten wir bereits auf dem Beifahrersitz erleben. Wie alle Elektroautos beschleunigt auch der unter Strom gesetzte Ford linear und geschmeidig. Wer die volle Power nutzt, ist in unter fünf Sekunden auf Tempo 100. "Im Porsche 911 GTS geht das nicht zügiger", strahlt Ted Cannis, Global Director Electrified Vehicles. Bei 160 km/h allerdings bremst die Elektronik den Mach-E ein. Der Stromverbrauch wäre bei Geschwindigkeiten darüber unverhältnismäßig hoch.
Auch ohne das Lenkrad in den Händen ist die recht straffe Fahrwerksabstimmung deutlich zu spüren. Straßenfugen und andere Unebenheiten, wie sie besonders in Los Angeles, wo die Testfahrt stattfand, zum Alltag gehören, schlagen mitunter unkomfortabel durch. Einen Slalom-Parcours nimmt der Mach-E dafür umso souveräner. Und wer den Fahrmodus-Schalter auf "Sport" stellt, bekommt sogar was auf die Ohren. Das künstliche Geräusch täuscht tatsächlich einen sonoren aber dezenten Achtzylinder-Sound vor - authentisch komponiert, wie Ford betont.
Was sagen wohl die Rettungsdienste dazu?
Alte Zeiten, neue Zeiten. Letztere läuten nicht nur der E-Antrieb ein, sondern auch die ungewöhnlichen Türöffner. Klassische Griffe im Blech gibt es keine mehr. Ein leichter Tipp mit dem Zeigefinger auf einen runden Sensor an der Tür genügt - und sie springt ein Stück weit auf. Ford meint, sogar Kinder kommen damit prima zurecht. Ob Rettungsdienste das ebenso toll finden, bleibt abzuwarten.
Ausliefern wird Ford den Mach-E In Deutschland zunächst mit dem 75-kWh-Paket, gut für eine Reichweite von 450 Kilometern. Es gibt aber auch eine 99 kWh-Batterie. Sie soll 600 Kilometer Reichweite ermöglichen. Bis zu 150 kW Ladeleistung sollen per Gleichstrom (CCS) möglich sein. In Europa arbeitet Ford mit Ionity zusammen, die entlang der Autobahnen bis Ende 2020 rund 400 Schnelllader aufstellen wollen, um auch das Reisen im Elektroauto zu beflügeln.
Der Mach-E lässt sich sowohl mit Zweirad-, als auch Allradantrieb bewegen. Nur heckangetrieben verfügt der Mach-E über 190 oder 210 kW (258/285 PS), bei Allrad kommt ein vorderer E-Motor mit 50 kW (68 PS) hinzu. Die Systemleistung beträgt 248 kW (338 PS) und 581 Newtonmeter. Anfang 2021 dann will Ford mit 342 kW (465 PS) und 830 Newtonmeter die Powerversion Mach-E GT hinterherschicken.