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Innovatives Navigationssystem: Das Stau-Orakel

Foto: Christian Brüggemann

Navi-App Greenway Das Stau-Orakel

Freie Fahrt für alle! Drei Studenten aus Hannover wollen mit einer neu entwickelten Navigations-App Staus abschaffen. Autofahrer sollen dabei gleich doppelt profitieren. Allerdings taugt die Erfindung nur als Massenware.

Davon träumt jeder Autofahrer: Einsteigen und zum Ziel durchrauschen. Ohne nervtötendes Stop-and-Go in der Stadt. Ohne im Staustress auf der Autobahn zu verzweifeln. Mit der Navigations-App Greenway wollen drei junge Programmierer aus Hannover diese Wünsche erfüllen.

"Unser System verhindert Staus, bevor sie entstehen", sagt Christian Brüggemann. Der 25-Jährige und seine gleichaltrigen Mitstreiter Elia Franke und Helge Holzmann sind erst vor kurzem aus Sydney zurückgekehrt, wo sie 10.000 Dollar bei einem Technikwettbewerb abgeräumt haben. So hoch war der Sonderpreis für nachhaltige Innovationen dotiert. Ihre Erfindung soll nicht nur zeit- sondern auch spritsparend wirken und damit den CO2-Ausstoß verringern.

Das Prinzip von Greenway funktioniert so: Das Verkehrsaufkommen auf einer bestimmten Route wird in Echtzeit analysiert. Dabei ist für jede Straße eine maximale Auslastung festgelegt. Erkennt das System, dass sich zu viele Fahrzeuge gleichzeitig einer Straße nähern, wird ein Teil davon früh genug auf eine andere Route umgelenkt - noch bevor es zu einem Stau kommen kann.

"Normale Navigationsgeräte können auf Verkehrsbehinderungen nur reagieren, wenn es schon zu spät ist", sagt Brüggemann. "Außerdem leiten sie die Autos dann alle auf die gleiche Route um und es entsteht weiteres Chaos. Greenway berechnet dagegen für jedes Auto eine individuelle Strecke und schickt nur so viel Verkehr auf eine bestimmte Straße, wie von dieser bewältigt werden kann."

Die Straßen werden reserviert

Die Idee, die dahintersteckt, ist einfach - es geht darum, das Straßennetz so effizient wie möglich zu nutzen. Damit die Autos aber so verteilt werden, dass sie sich nicht in die Quere kommen, muss jemand den Überblick haben. In diese Rolle des allgegenwärtigen Verkehrslotsens soll die Navi-App der drei Hannoveraner schlüpfen.

Brüggemann und seine Freunde haben dazu einen Algorithmus entwickelt. Gespeist wird er mit Daten aus der App: Sie übermittelt per GPS alle 30 Sekunden Position und Geschwindigkeit der mit Greenway ausgestatten Autos an einen Server. Der Algorithmus berechnet, in welcher Straße die Fahrzeuge in naher Zukunft sein werden und reserviert ihnen dort virtuell einen Platz. Ist die Kapazität einer Straße ausgelastet, reserviert das System die zweitkürzeste Strecke, dann die drittkürzeste, und so weiter.

Damit der Algorithmus genug Datenfutter hat, müssen laut Brüggemann mindestens zehn Prozent der Autofahrer in einem Gebiet Greenway nutzen. "Ab dann können wir die Daten hochrechnen." Das ist eine schlechte Nachricht für Pioniere - aber der 25-Jährige hat einen Plan, wie die kritische Masse erreicht werden soll: "Unsere Strategie ist die offene Schnittstelle."

Das bedeutet, dass die Software sich unkompliziert in Navigationssysteme anderer Hersteller integrieren lässt oder auf Daten von Drittanbietern wie Google Maps zurückgreifen kann. Neben Kooperationen setzen die drei Studenten auch auf die Zusammenarbeit mit Liefer- und Taxiunternehmen, die eine große Flottenstärke haben.

Anreiz für Autofahrer

Tippt man sein Ziel in der App ein, erscheinen zwei Routenvorschläge: der normale Weg und der Greenway-Weg. "Unser Vorschlag ist schneller, weil es keine Staus gibt. Und billiger, weil bei fließender Fahrt weniger Sprit verbraucht wird", verspricht Brüggemann. Neben der Zeitersparnis soll damit auch der finanzielle Vorteil für den Kunden überwiegen. Denn für ihre Dienstleistung wollen die Studenten lediglich fünf Prozent von dem Betrag verlangen, der durch den geringeren Benzinverbrauch gespart wurde. Und bezahlt werden muss nur dann, wenn das Ziel tatsächlich schneller erreicht worden ist.

Bei den Tests, die derzeit mit einer Simulationssoftware ausgeführt werden, habe sich die Fahrzeit mit Hilfe von Greenway zum Teil bis um die Hälfte verkürzen lassen, sagt Brüggemann. Der Verbrauch sei gleichzeitig im Schnitt von 7,5 auf 6,5 Liter gesunken. Bis man sich von diesen Ankündigungen überzeugen kann, wird es laut den jungen Entwicklern noch sechs bis neun Monate dauern. Mit dem Preisgeld aus Sydney wird das System vielleicht ein bisschen schneller zur Marktreife gebracht.

In Hannover wollen die drei Studenten ihre Erfindung als erstes auf die Straße bringen. "Hier gibt es einen Taxidienst mit einer Flotte von über 1000 Autos - das entspricht einem Anteil von rund zehn Prozent aller Fahrzeuge in der Stadt. Holen wir dieses Unternehmen mit ins Boot, hätten wir auf einen Schlag die kritische Masse erreicht".

In ihrer Heimatstadt kam Brüggemann und seinen Freunden auch die Idee zu Greenway. "Wir saßen in einem Café", erzählt er, "davor verliefen zwei Straßen, die etwa in die gleiche Richtung führten. Eine war verstopft, die andere fast frei. Wir haben uns gefragt, was wohl passiert, wenn man die Fahrzeuge perfekt orchestriert und sie optimal im ganzen Straßennetz verteilt." Die Antwort war schnell gefunden: Der Traum aller Autofahrer würde in Erfüllung gehen.

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