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Opel Ampera E: Norweger und der Papst zuerst

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Opel Ampera E Zu früh gefreut

Viel Reichweite für vergleichsweise wenig Geld: Mit dem Elektroauto Ampera E ist Opel endlich eine innovative Entwicklung gelungen. Ausgerechnet bei diesem Modell hat der Hersteller die Markteinführung verpatzt.

Der erste Teil dieser Geschichte über den Opel Ampera E handelt von einer Testfahrt und hat ein Happy End.

Die Fahrt führte von Brüssel nach Rüsselsheim, zum Stammsitz von Opel. Den Testwagen nahmen wir in Belgien entgegen, weil er dort frisch per Schiff angeliefert worden war. Denn das Elektroauto von Opel wird in Orion im US-Bundesstaat Michigan gefertigt - die Marke gehörte beim Produktionsstart des Ampera E noch zu GM, und in den USA läuft auch das Schwestermodell Chevrolet Bolt vom Band.

Wir starteten also von Brüssel mit vollem 60-kWh-Akku nach Rüsselsheim. Die Strecke misst rund 400 Kilometer. Wir kamen an, ohne einmal Strom tanken zu müssen und hatten eine restliche Reichweite von 97 Kilometern.

Ja, die Fahrt mit dem E-Mobil dauerte länger als mit einem Auto mit Verbrennermotor. Der Bordcomputer zeigte uns am Ende der Reise eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 58 km/h an. Auf der Autobahn, bei hohem Tempo und mit eingeschalteter Klimaanlage, so die Erkenntnis nach den ersten 50 Kilometern, wäre die Strecke nicht zu schaffen gewesen. Die 150 km/h Spitze probiert man besser nicht aus und auch nicht den Sprintwert von 7,3 Sekunden von null auf Tempo 100. Zwischendurch fuhren wir auf der Landstraße und sammelten Energie durch die Rekuperationswirkung der Bremse. Aber mit jedem Kilometer wich die Reichweitenangst, und zum Schluss trauten wir uns zu einem Schlussspurt auf die Autobahn.

Die Erkenntnis nach der Testfahrt mit dem Ampera E: Dieses Elektroauto ist alltagstauglich. Strecken von 400 Kilometern legen höchstens Vertreter regelmäßig zurück - und für eine ordentliche Reichweite muss es kein teures Tesla Model S oder X sein. Opels Stromer kostet mit rund 40.000 Euro nicht einmal halb soviel wie eines der Luxusautos aus Kalifornien. Es könnte tatsächlich so einfach sein mit den E-Mobilen. Ist es aber nicht. Zumindest nicht mit dem Ampera E.

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Opel Ampera E: Norweger und der Papst zuerst

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Hier beginnt der zweite Teil, und die Geschichte über den Ampera E wird zur Tragödie. Zumindest für all jene, die sich auf das erste richtig reichweitenstarke Elektroauto eines deutschen Herstellers gefreut hatten. Bereits im Mai hatte die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" darüber berichtet, dass Privatkäufer hierzulande noch bis mindestens Ende 2018 auf einen Ampera E warten müssen. Opel kündigte zu dieser Zeit ein eigenes Reservierungssystem für Interessenten an. Die Webseite, auf der man 1000 Euro Anzahlung leisten und für 2018 ein Auto bestellen konnte, ging kürzlich online. Nach nicht einmal zwei Wochen wurde sie wieder abgeschaltet - das für Deutschland reservierte Kontingent war bereits weg.

Norwegen hat Vorrang

Nur 44 Opel-Händler dürfen den Wagen überhaupt verkaufen, laut Angaben des Unternehmens wird 2017 eine "kleine dreistellige" Zahl vornehmlich an Groß- und Flottenkunden verkauft. Wie viele Ampera E für Privatkunden reserviert waren, will man bei Opel partout nicht preisgeben.

Fest steht: Der Marktstart hierzulande ist verpatzt. Fragt man nach den Gründen, werden die Pressesprecher schmallippig - und schieben die Schuld erst einmal auf die Norweger.

Von den wenigen hundert Exemplaren, die bislang aus dem Werk in Orion nach Europa geliefert wurden, landete demnach nämlich ein Großteil im Gelobten Land der Elektromobilität. Dort, wo großzügige Kaufanreize des Staats dafür sorgen, dass heute schon fast jedes fünfte neu zugelassene Auto mit Strom fährt. Deutschland, die Schweiz und Frankreich schauen in die Röhre, ganz zu schweigen von anderen EU-Ländern, wo es noch gar keinen offiziellen Markteinführungstermin gibt. Ob und wie sich diese Situation verändern wird, sei nicht abzusehen, heißt es bei Opel.

Ist das jetzt schlimm für die Marke?

Wäre es da nicht eine Lösung, Exemplare des Schwestermodells Chevrolet Bolt für den europäischen Markt umzurüsten? Glaubt man Berichten der Nachrichtenagentur Reuters, wird das E-Auto den Chevy-Händlern ohnehin nicht gerade aus den Händen gerissen. So einfach funktioniere das aber nicht, entgegnet man bei Opel: Das scheitere allein schon an so banalen Bauteilen wie dem Kühlergrill, dem Lenkrad oder den Scheinwerfern. Diese Teile unterscheiden sich bei Ampera E und Bolt und lägen nur in begrenzter Kapazität vor.

So deutlich spricht es in Rüsselsheim keiner aus, aber bei den Verhandlungen über die Liefermenge ist es sicher auch keine Hilfe, dass General Motors seine Tochter Opel gerade an den PSA-Konzern verkauft hat.

Wie sich der Fehlstart des Ampera E auf das Image von Opel auswirkt, bewerten Experten unterschiedlich. Marketing-Fachmann Franz-Rudolf Esch sieht die Marke unabhängig vom Lieferengpass im Aufwind: "Die Imagewerte steigen vor allem wegen der großen Modellreihen," sagt der Inhaber des Lehrstuhls für Markenmanagement und Automotive Marketing an der Uni Oestrich-Winkel. Dem Ampera E räumt er da nur eine Nebenrolle ein: Die Nachfrage nach Elektroautos sei in Deutschland noch zu gering, als dass die Lieferschwierigkeiten in der breiten Öffentlichkeit als Problem wahrgenommen würden.

Nächste Ausfahrt Rüsselsheim: Vorerst bleibt der Ampera E auf deutschen Straßen eine Ausnahmeerscheinung

Nächste Ausfahrt Rüsselsheim: Vorerst bleibt der Ampera E auf deutschen Straßen eine Ausnahmeerscheinung

Foto: Harald Dawo

Ganz anders sehen das Automobilwirtschaftler wie Ferdinand Dudenhöffer oder Stefan Bratzel. Dudenhöffer sieht das Vorzeigeprojekt Ampera E schon aus mehreren Gründen scheitern: Angefangen damit, dass Opel den Wagen nicht liefern könne. Zusätzlich würden die Vorzüge des Autos auch noch von den Diskussionen über die Zukunft des Herstellers unter der Regie des PSA-Konzerns überlagert. Nicht zuletzt verliere Opel mit Karl-Thomas Neumann auch noch einen PR-gewandten Vorstandsvorsitzenden. "Die Atmosphäre ist einfach von zu vielen schlechten Nachrichten vernebelt, als dass der Ampera E wie ein Leuchtturm strahlen könnte", sagt Dudenhöffer.

Auch Stefan Bratzel von der Hochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach sieht den Ampera E als Opfer des Verkaufs an PSA. Er fürchtet, dass hier das Pendel zurückschlagen und eine Lücke im Zukunftsportfolio der Marke offenbaren könnte. "Opel muss deshalb erneut umparken", mahnt Bratzel in Anlehnung an den letzten Slogan der Marke: "Die Hessen dürfen sich nicht mehr auf Modelle aus den USA verlassen, sondern sollten vorwiegend mit den eigenen Kompetenzen für sich werben."

Früh dran - und vielleicht trotzdem zu spät

Und die Kunden, die vom Versprechen auf eine bezahlbare und alltagstaugliche E-Mobilität neugierig gemacht worden sind? Die können ein paar Kilometer Reichweite weniger in Kauf nehmen und sich ein E-Mobil wie den Renault Zoe, den Nissan Leaf oder den BMW i3 zulegen. Denn wenn man nicht gerade an einem Tag von Brüssel nach Rüsselsheim fahren muss, mangelt es auch diesen Modellen kaum an Alltagstauglichkeit.

Oder aber die Interessenten hoffen auf eine schnelle Lieferung von Alternativen. Sollten erst einmal ein Tesla Model 3 oder ein VW ID erhältlich sein, sieht Opel mit dem fortschrittlichen Ampera E plötzlich wieder alt aus.

Der Ampera E im Video:

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