Neues Klimapaket Wer mehr Auto fährt, wird belohnt

Von der Erhöhung der Pendlerpauschale profitieren alle, die weiterhin mit dem Auto zur Arbeit fahren. Eine Berechnung zeigt zudem: Gutverdiener haben trotz steigender Spritpreise keinen Grund, sparsame Autos zu fahren.
Pendler fahren mit ihren Autos über die Friedensbrücke in Frankfurt am Main

Pendler fahren mit ihren Autos über die Friedensbrücke in Frankfurt am Main

Foto: Silas Stein/ dpa

Wer mehr Auto fährt, bekommt mehr Geld - das ist die Botschaft, die vom neuen Klimapaket der Bundesregierung ausgeht. Denn einen Anreiz weniger zu fahren, oder auf spritsparende Automodelle umzusteigen, schafft die Erhöhung der Pendlerpauschale trotz der geplanten Erhöhung des Benzin- und Dieselpreises nicht. Das geht aus zwei unabhängigen Berechnungen der grünen Bundestagsfraktion und des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) hervor.

Das jüngst vorgestellte Klimapaket sieht einerseits eine CO2-Bepreisung im Verkehrssektor vor. Die Preise für Benzin und Diesel steigen dadurch um etwa drei Cent pro Liter, von 2026 an dann weiter auf neun bis 15 Cent je Liter. Zugleich soll ab 2021 auch die Pendlerpauschale erhöht werden. Bei Strecken von mehr als 20 Kilometern soll die Pauschale dann von 30 auf 35 Cent steigen - fünf Cent mehr als derzeit pro Kilometer von der Steuer abgesetzt werden können.

Eine Beispielrechnung der grünen Bundestagsfraktion zeigt, dass insbesondere Spitzenverdiener von dieser Erhöhung profitieren. Angenommen werden darin durchschnittlich 220 Arbeitstage, eine Pendlerstrecke von 60 Kilometern und ein Auto mit einem Verbrauch von sieben Litern pro 100 Kilometer.

Mehr Geld dank Pendlerpauschale

Demnach steigt bei Geringverdienern, mit einem Steuersatz von 15 Prozent, die Erstattung per Pendlerpauschale von 444 Euro auf 510 Euro. Das bedeutet 66 Euro mehr als vorher. Zieht man die Mehrbelastung durch teureres Benzin (drei Cent pro Liter, bei 7l/100km Verbrauch) von 55,44 Euro ab, bleibt insgesamt ein Plus von 10,56 Euro.

Bei Menschen mit hohem Einkommen, mit einem Steuersatz von 47,47 Prozent, steigt die Erstattung per Pendlerpauschale von 1405,15 Euro auf 1614,15 Euro - bedeutet ein Plus von 208,89€ Euro. Abzüglich der Mehrbelastung von 55,44 Euro bleibt insgesamt ein Plus von 153,45 Euro.

Die Erstattung der Pendlerpauschale fällt laut der Berechnung in vielen Fällen höher aus, als die Mehrausgaben durch eine höhere Spritsteuer. "Weniger Lenkungswirkung geht kaum. Man bekommt zukünftig oftmals Geld heraus, wenn man einfach mit seinem Diesel oder Benziner weiter pendelt", sagt Oliver Krischer, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der grünen Bundestagsfraktion.

Kein Anreiz für sparsame Autos

Bahnfahrer hingegen profitieren am meisten von der Pendlerpauschale, da sie gleichermaßen 35 Cent pro Entfernungskilometer abrechnen können, aber keine Mehrbelastung durch erhöhte Spritpreise haben. Allerdings gilt für Bahnfahrer eine Höchstgrenze von 4500 Euro (entspricht einer täglichen Pendelstrecke von rund 58 Kilometern). Ausgaben darüber hinaus werden nicht erstattet.

Ähnlich kritisch wie die Grünen sieht es auch das DIW. "Mit diesem Modell ist der unmittelbare Druck sich anzupassen, selbst von denen die es finanziell könnten, nicht da", sagt Stefan Bach vom DIW. Demnach würde die höhere Pendlerpauschale die Mehrkosten aus den neuen CO2-Preisen nicht nur ausgleichen, sondern zudem keinen Anreiz für Mehrverdiener schaffen, auf große Autos mit hohem Verbrauch zu verzichten.

Denn laut einer Berechnung des DIW-Experten Bach für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung"  wird beispielsweise der Fahrer eines Polo, mit einem Verbrauch von 4,1 Litern auf 100 Kilometern und geringem Einkommen (verheiratet, zwei Kinder, zusammen 20.000 Euro zu versteuerndes Jahreseinkommen), ab dem Jahr 2021 insgesamt entlastet, wenn er mehr als 28 Kilometer von der Arbeit weg wohnt.

Mobilitätspauschale als Alternative

Ein Spitzenverdiener (Single, kein Kind, 300.000 Euro zu versteuerndes Jahreseinkommen) werde im ersten Jahr schon ab einer Entfernung von 25 Kilometern entlastet - selbst wenn er ein großes BMW-X7-SUV mit einem Verbrauch von sieben Litern fährt.

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Mit der Zeit wächst die Belastung durch die stufenweise Erhöhung des CO2-Preises Belastung allerdings so, dass der Polo-Fahrer im Jahr 2023 erst ab einer Entfernung von 77 Kilometern entlastet würde. Der Gutverdiener fahre laut DIW-Berechnung im Jahr 2023 noch immer ab rund 30 Kilometern aus der Belastungszone - trotz des verbrauchsintensiven SUV.

"Wer ein höheres Einkommen hat, kann auch Autos mit einem Verbrauch von sieben oder acht Litern fahren, ohne dabei hohe Mehrkosten befürchten zu müssen", so Bach. SUV-Fahrer, die es sich leisten könnten, hätten keinen Anreiz auf kleinere Autos umzusteigen. Und einen Wechsel vieler Autofahrer auf die Bahn hält Bach ebenfalls für unwahrscheinlich. Er schlägt daher ein Mobilitätsgeld je Entfernungskilometer vor, das alle Pendler einkommensunabhängig gleich entlastet.

Die Grünen wollen das Klimapaket der Regierung im Bundesrat nun verschärfen. "Dieses Klimaschutzgesetz reicht definitiv nicht aus, um das Pariser Klimaabkommen einzuhalten, was international vereinbart ist", so die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock. Ihr Co-Chef Robert Habeck hatte zuletzt Wissenslücken beim Thema Pendlerpauschale offenbart und war für seine Äußerungen in einem TV-Interview kritisiert worden.

cfr

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