Politiker-Vorstoß Hitzige Diskussion um Rauchverbot am Steuer

Politiker von SPD und Union wollen ein Rauchverbot für Autofahrer durchsetzen. Durch das Rauchen am Steuer steige die Unfallgefahr drastisch, behaupten sie. Ein ADAC-Sprecher bezeichnete den Vorstoß als Blödsinn, und auch das Verkehrsministerium winkt ab.

Hamburg - Zigaretten am Steuer lenkten genauso ab wie Telefonieren mit dem Handy, sagte die CDU-Politikerin Katherina Reiche der "Bild"-Zeitung. "Wir brauchen dringend ein Verbot und entsprechende Strafen", wurde sie zitiert. Die CSU-Gesundheitsexpertin Gerlinde Kaupa unterstützte den Vorschlag. Ähnlich äußerte sich auch der SPD-Verkehrsexperte Peter Dancker. Durch das Rauchen am Steuer steige die Unfallgefahr drastisch. Er sei deshalb für ein absolutes Rauchverbot beim Fahren.

Das Bundesverkehrsministerium lehnt ein Rauchverbot am Steuer hingegen ab. "Dieser Vorschlag trägt nicht zur Verkehrssicherheit bei", sagte Minister Manfred Stople (SPD). Ein Ministeriumssprecherin sagte: "Es gibt keinen wissenschaftlichen Beleg dafür, dass sich die Unfallgefahr durch das Rauchen drastisch erhöht". Das Ministerium hält das Rauchen am Steuer für ungefährlicher als das Telefonieren mit dem Handy ohne Freisprechanlage, das mittlerweile europaweit verboten ist. "Es ist eine höhere intellektuelle Leistung, eine Nummer zu wählen, als an der Zigarette zu ziehen", sagte die Sprecherin. Eine gesetzliche Regelung sei eine "Überregulierung". "Dann müsste man auch das Essen und Trinken (am Steuer) verbieten."

Der ADAC kritisierte, bislang habe keiner der Politiker einen Vorschlag gemacht, wie man die Einhaltung eines Rauchverbots am Steuer kontrollieren solle. "Es wäre Blödsinn, wieder ein neues Verbot einzuführen", sagte Sprecher Andreas Hölzel gegenüber SPIEGEL ONLINE. "Es gibt Tausende Einflüsse beim Autofahren, da muss man nicht auf Teufel komm' raus eine neue Baustelle aufmachen." Den Zigarettenanzünder im Auto zu betätigen sei vom Grad der Ablenkung das Gleiche, wie ein Taschentuch aus dem Handschuhfach zu nehmen. "Was will man denn noch alles verbieten", empörte er sich. "Das ist ein Schnellschuss, der nicht sonderlich gut durchdacht ist."

Der Automobilclub von Deutschland (AvD) kritisierte, die Forderungen der Politiker entbehrten jeder Grundlage. "Für die Behauptung, dass die Unfallgefahr durch Rauchen am Steuer drastisch steige, gibt es keine signifikanten statistischen Belege", sagte ein Sprecher. Auch der Vergleich mit dem Telefonieren sei unbegründet. Neue Untersuchungen des AvD-Instituts für Verkehrssoziologie haben ergeben, dass viele Raucher im Fahrzeug von sich aus nicht rauchen. Als Grund wird angegeben, dass der Wert des Fahrzeugs durch den Rauch abnimmt, die Belastung der Mitfahrer unverantwortlich sei oder aus Sicherheitserwägungen.

Rauchen am Steuer könne von den Gerichten unter Umständen als grob fahrlässig eingestuft werden, sagte Klaus Brandenstein vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft. Das sei allerdings der Ausnahmefall. Grob fahrlässig könne im gesetzlichen Sinne auch sein, wegen einer Hornisse im Wagen um sich zu schlagen oder sich nach kreischenden Kindern umzudrehen. "Da müsste man das Autofahren gleich ganz verbieten, denn das ist an sich gefährlich", sagte er SPIEGEL ONLINE. Zur Sicherheit im Straßenverkehr trägt der Vorstoß der Politiker nach Ansicht des Sprechers nichts bei. "Die Menschen sterben in Alleen, weil sie bekifft sind oder betrunken oder weil sie zu schnell fahren, aber jetzt das Thema Rauchen hochzuziehen - damit tut man für die Verkehrssicherheit sicherlich nichts Gutes", sagte Brandenstein.

Schon im Sommer 2001 hatte es eine erbitterte Debatte um ein Rauchverbot für Autofahrer gegeben. Der Vorschlag von zwei Bundestagsabgeordneten hatte damals scharfe Proteste von Parteien, Automobilverbänden und Polizei ausgelöst und wurde schließlich verworfen.

Friederike Freiburg

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