Rechnen mit Esso II "Bisschen missverständlich"
Hamburg - "Die Rechnung ist ein bisschen missverständlich und schwer nachzuvollziehen", räumt Esso-Sprecher Olaf Martins ein. Es sei auf der Website des Konzerns mit dem Rohölpreis argumentiert worden, um die Verluste im Tankstellengeschäft zu verdeutlichen. Man habe aber den Benzinbeschaffungspreis gemeint, als der Produktenpreis von 39 Pfennig völlig unerklärt eingeführt worden sei. "Die Begriffe wurden nicht sauber von einander getrennt", sagt Martins. Denn Rohölpreis und Produktenpreis seien zwei unterschiedliche Dinge. "Wir sind für den Hinweis dankbar und werden die Rechnung auf der Seite überarbeiten", ergänzt der PR-Experte.
Tatsächlich wurden die Zahlen mittlerweile ersetzt, doch der eigentliche Fehler ist immer noch vorhanden. Esso vergleicht einmal mehr Äpfel mit Birnen. In der neuen Präsentation wird wiederum der Rohölpreis anstatt des Produktenpreises ins Feld geführt. Zwischen Januar 1999 und September 2000 betrage die Teuerung allein beim Rohöl 40 Pfennig, heißt es, um dann flugs auf den Benzinpreis zu sprechen zu kommen.
Aus der von Esso zugefaxten Tabelle, die nicht im Web steht, geht hervor, dass der Einkaufspreis von Normalbenzin im Januar 1999 13,50 Pfennig je Liter betrug. Bis Mitte September 2000 stieg er auf 53,55 Pfennig - ein Plus von 40,05 Pfennig. Klare Zahlen - klare Fakten. Bleibt die Frage, warum Esso bei der webbasierten Mitleidstour den eigentlichen Vergleich zu meiden scheint, wie der Teufel das Weihwasser.
Marge bis zu 14 Pfennig
Nach ein paar Stunden und endlosen Zahlenkolonnen hat sich der PR-Nebel etwas gelichtet. Essos Marge ist nie ins Minus gefallen. Sie betrug im schlechtesten Fall 1,31 Pfennig je verkauften Liter Normalbenzin. Zugegeben, aus der Marge muss der Konzern Transport, Verwaltung, Tankstellen und weiteres bezahlen. Legt man aber die Aussage von Esso-Sprecher Karl-Heinz Schult-Bornemann zugrunde, wonach die Substanz des Unternehmens erst Mitte März durch den härteren Wettbewerb an den deutschen Tankstellen angekratzt wurde, kann es Esso nicht so schlecht gehen, wie es die Konzernzentrale vorführt. Zu Beginn des "Preiskampfes" betrug die Marge durchschnittlich rund zehn Pfennig, fiel für zwei Monate unter diese Grenze, stieg anschließend bis auf 14 Pfennig an und bewegt sich Mitte September bei rund 12 Pfennig.
Die Rechnung auf der Esso-Site verschleiert noch eine weitere Tatsache: Zu Beginn des Jahres 1999 bewegte sich der Preis je Barrel (159 Liter) Brent-Rohöl auf rekordverdächtig niedrigem Niveau. Mit gut 17,86 Mark je Fass war das "schwarze Gold" im Februar des vergangenen Jahres so günstig wie selten zuvor. Bis Ende 1999 normalisierte sich der Preis und pendelte im November und Dezember um fast 50 Mark je Barrel. Bis Mitte September dieses Jahres stieg der Ölpreis explosionsartig an und bewegt sich nun mit 77 Mark in Höhen, die zuletzt während des zweiten Golfkrieges 1991 erreicht wurden. Esso vergleicht zwei Extremwerte, deren Zahlen allein schon wegen ihrer Größe beeindrucken.
1999: 929 Millionen Mark Gewinn
Von den verhältnismäßig niedrigen Ölpreisen hat Esso 1999 nicht schlecht profitiert. Mit einer Marge von 16,87 Pfennig je verkauften Liter Normalbenzin - trotz Einführung der Ökosteuer im April - klingelten die Kassen des Konzerns in Deutschland. In diesem Jahr ging die Marge beim Normalsprit bislang auf durchschnittlich 10,27 Pfennig zurück. Und so wird 2000 der ausgewiesene Überschuss in der Jahresbilanz wohl nicht ganz so hoch ausfallen wie 1999. Damals standen bei der Esso Deutschland GmbH 929.870.831 Mark unter dem Strich - ein Plus von rund 24 Prozent im Vergleich zu 1998.