Reparatur zerknautschter Karossen Schrauben statt Schweißen

Dank optimierter Knautschzonen haben Insassen moderner Autos bei Unfällen weniger zu befürchten als in der Vergangenheit. Allerdings wird es zunehmend schwieriger, verbeulte Karosserien in der Werkstatt wieder in Form zu bringen.

Calw/München - Bei Zusammenstößen ramponierte Neuwagen lassen nicht mehr so einfach wieder in Form bringen wie früher. Denn unter dem lackierten Blech verbirgt sich nicht mehr nur simpler Stahl, sondern eine Vielzahl an Materialien. Dass sich die Konstruktion der Autos verändert hat, dafür gibt es Gründe. So wurden die Anforderungen bei Crash-Tests immer wieder heraufgesetzt, so dass die Karosserien mehr Energie abbauen müssen.

Hinzu kommen etliche elektronische Extras, die mehr Gewicht auf die Räder bringen. "Man will aber bei der Konstruktion eines Fahrzeugs das Gewicht nicht zu sehr erhöhen. Also versucht man, stabilere Autos mit Hilfe anderer Materialien zu konstruieren", erläutert Bernd Schmidt, Leiter der Bereiche Entwicklung und Versuch bei KTD in Calw. Das Unternehmen entwickelt Reparaturlösungen für Hersteller.

Diese neuen Materialien sind es, welche die Anforderungen bei den Reparaturen erhöhen. "Dickes Material bedeutet höheres Gewicht, also verwendet man dünnes Material mit hoher Festigkeit", so Schmidt. Dazu zählen vor allem höherfeste oder hochfeste Stähle. Was der Unterschied bedeutet, macht die in Mega-Pascal (MPas) gemessene Festigkeit deutlich. "Ultra hochfester Stahl hat heute bis zu 1800 MPas - das entspricht der sechsfachen Festigkeit von normalem Stahl."

Schweißgerät und Richtbank sind passé

"Der Vorteil besteht darin, dass das Fahrzeug stabiler wird. Die Reparatur aber wird aufwendiger", sagt Helmut Blümer, Sprecher des Zentralverbandes des Deutschen Kraftfahrzeuggewerbes (ZDK) in Bonn. "Schwierig ist auch das Zusammenspiel der Materialien." Insgesamt bedeutet das: Wo früher einfach gebogen, gehämmert und geschweißt wurde, muss heute deutlich umsichtiger vorgegangen werden.

Schließlich ist auch ein Stahlblech heute meist noch beschichtet, verzinkt zum Beispiel. "Wenn eine Werkstatt einen modernen Opel instandsetzt, dann hat sie die Vorgabe, in bestimmten Bereichen nicht mit dem Schutzgas-Schweißgerät, sondern mit Hartlöten zu arbeiten", so Christian Deutscher, Leiter Reparaturtechnik beim Allianz Zentrum für Technik (AZT) in München. Hintergrund ist, dass das Material beim Schweißen sehr heiß wird - die Zink-Beschichtung könnte verdampfen.

Ein anderes Beispiel ist laut Christian Deutscher ein moderner BMW der 5er-Baureihe. Der darf nach einem Unfall nicht mehr auf die Richtbank. "Am Aluminiumvorbau des 5ers dürfen keine Richtarbeiten vorgenommen werden, wenn Abweichungen vorhanden sind." Die Konstruktion ist so gestaltet, dass es ansonsten zu Rissen kommen könnte. Also muss ausgetauscht werden. Dabei ist zu beachten, dass Karosserieteile nur noch an exakt vom Hersteller gekennzeichneten Bereichen abgeschnitten werden dürfen.

Doch nicht alles ist komplizierter geworden. Speziell im Hinblick auf die Versicherungseinstufung hat es gerade bei der Reparatur leichterer Unfallschäden Fortschritte gegeben. "Bei kleinen Unfällen müssen meist nur noch geschraubte Teile ausgetauscht werden", erklärt Christian Deutscher. Verschrauben geht einfacher und ist billiger - was sich bei der Versicherungseinstufung des Modells bemerkbar macht.

Heiko Haupt, gms

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten