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Rolls-Royce im Friedhofstest Geisterfahrt im Ghost

Ein Kirchhof um Mitternacht ist der falsche Ort, um ein Auto auszuprobieren? SPIEGEL-ONLINE-Kolumnist Jürgen Pander traute sich trotzdem - auf Europas größtem Parkfriedhof testete er den Rolls-Royce Ghost. Protokoll einer gespenstischen Dunkeltour.

"Wir kommen alle mal nach Ohlsdorf." Das sagt man so in Hamburg, wenn man die Endlichkeit allen irdischen Seins andeuten möchte. In Hamburg-Ohlsdorf nämlich befindet sich der größte Parkfriedhof Europas. 1877 wurde er eröffnet, inzwischen umfasst das Areal rund 400 Hektar und wird von einem 17 Kilometer langen Straßennetz durchzogen. Nachts ist der Friedhof geschlossen, große Eisentore versperren die Zufahrt. In dieser Nacht aber öffnet sich eine der Pforten, und hindurch huscht, kaum hörbar, ein schwarzes Auto. Wir sind in Ohlsdorf angekommen.

Und wir sind nicht allein. "Schicker Schlitten", kommentiert Gärtnermeister Jens Blümke, nachdem er das Tor wieder verriegelt hat. Für die nächsten Stunden lotst er uns über den bald in völlige Dunkelheit getauchten Friedhof. Es gibt zwar Straßenlaternen, aber keine brennt; sie stehen herum wie abgestorbene Bäume. Blümke sagt nur: "Sparmaßnahme." Das passt uns gut, denn düster und unheimlich soll es ja sein, wenn wir den Rolls-Royce Ghost beim Namen nehmen und seine Qualitäten als Geisterfahrzeug überprüfen.

Der Ursprung des Namens Ghost liegt weit in der Vergangenheit. Angeblich war ein englischer Journalist derart beeindruckt von der Laufruhe des 1906er Rolls-Royce 40/50 hp, dass er ihn als Silver Ghost bezeichnete. Das Auto war nämlich nicht nur flüsterleise, sondern zudem im Farbton "german silver" lackiert. Der Silver Ghost war darüber hinaus ein besonders robustes Modell, und bedeutete für Rolls-Royce damals den kommerziellen Durchbruch.

Nun, rund hundert Jahre später, greift der britische Luxus-Autobauer erneut auf den Namen Ghost zurück. Das ist durchaus auch als Wink dafür zu verstehen, dass das neue Modell die Marke abermals auf ein anderes Niveau bringen soll.

Endlich mal ein Rolls-Royce für weniger als 400.000 Euro

Der 5,40 Meter lange Rolls-Royce Ghost, angetrieben von einem 6,6-Liter-V12-Motor mit Doppelturbo und einer Leistung von 570 PS, wurde konstruiert, um neue Kundenkreise zu erschließen. Menschen, bei denen die Geldbündel vielleicht nicht ganz so locker sitzen. Er kostet 253.000 Euro. Für Rolls-Royce, wo die Preisliste bislang erst bei rund 400.000 Euro begann, ist das geradezu ein Schnäppchenpreis.

Das Lockangebot scheint zu ziehen, schon jetzt wird in Millionärskreisen vermehrt zugegriffen. In den ersten fünf Monaten dieses Jahres ist der Bestelleingang im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 150 Prozent gestiegen. Wer den 2,3-Tonner ordert, muss momentan mit einer Wartezeit von fünf Monaten rechnen.

Gespenstische Schemen via Infrarot-Kamera

Das von uns über den Friedhof gesteuerte Modell funkelt sinister im Lackton "diamond black" und ist mit Extras für mehr als 30.000 Euro Aufpreis bestückt. Dazu gehören zum Beispiel ein Head-up-Display, das relevante Fahrinformationen auf die Frontscheibe direkt ins Blickfeld des Fahrers projiziert, sodann ein Spurwarner, der das Lenkrad vibrieren lässt, wenn man ohne zu blinken Fahrbahnmarkierungen überfährt, und eine Infrarot-Nachtsichtkamera, die einen virtuellen Blick in die Dunkelheit wirft und dabei Dinge sichtbar macht, die man mit bloßem Auge gar nicht sieht (dazu mehr im Video).

Ein übersinnliches Fahrzeug? Um halb eins, zwischen all den Gräbern und Mausoleen, erscheint einem vieles am Ghost gespenstisch, das eigentlich nur solide Technik ist: Hintertüren, die sich auf Knopfdruck wie von Geisterhand schließen; unheimlich ruhiges Anfahren; Sitzpolster, die sich von selbst bewegen, als spuke es unterm Leder.

Andererseits: Wenn die schwere Tür ins Schloss fällt und der Schlitten durch die Nacht gleitet, fühlt man sich behütet und geborgen. Und auch die Power-Anzeige links oben im Cockpit, die mitteilt, dass momentan weniger als zehn Prozent des Leistungspotentials abgerufen werden, hat eine beruhigende Wirkung.

So richtig erlöst atmen wir jedoch erst auf, als der schwere Wagen wieder durchs Friedhofstor nach draußen rollt. In Ohlsdorf war der Ghost zwar willig, aber ein bisschen mulmig war uns schon an diesem stillen, dunklen Ort mit diesem stillen, dunklen Auto. Eine neongrell beleuchtete Tankstelle kommt da gerade recht. Bei einem Durchschnittsverbrauch von knapp 15 Litern müssen dort selbst Geisterfahrer des öfteren vorbeischauen.

Sonst hat der Spuk schnell ein Ende.

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