Heilbronner Urteil Wie Schlagloch-Opfer auf Schadensersatz klagen können

Kann man Schadensersatz verlangen, wenn man mit dem Wagen in ein Schlagloch knallt? In Heilbronn bekam ein Kläger teilweise Recht. Zu viel Hoffnung sollten sich Deutschlands Autofahrer aber nicht machen. Die wichtigsten Fakten im Überblick.
Schlaglöcher auf einer Straße: "Die Kommune ist meist auf der sicheren Seite"

Schlaglöcher auf einer Straße: "Die Kommune ist meist auf der sicheren Seite"

Foto: DPA

Hamburg - Dieses Urteil ist eine Genugtuung für jeden, der sich über den miserablen Zustand der Straßen in Deutschland ärgert: Das Landgericht Heilbronn hat entschieden, dass die Stadt einem Mann Schadensersatz zahlen muss - ihm war ein Reifen kaputtgegangen, als er durch ein Schlagloch fuhr. SPIEGEL ONLINE klärt die wichtigsten Fragen zu dem Urteil.

1. Müssen Kommunen dafür sorgen, dass die Straßen verkehrssicher sind?

Ja, sie unterliegen der sogenannten Verkehrssicherungspflicht. Allerdings gibt es keine Vorgaben, in welchen Abständen Kontrollen zu erfolgen haben, sagt Frank-Roland Hillmann, Fachanwalt für Verkehrsrecht in Oldenburg. "Viel befahrene Verkehrswege müssen natürlich häufiger kontrolliert werden als kleine Straßen oder Wege, aber das ist nicht einheitlich gesetzlich geregelt."

2. Kann ich als Autofahrer die Kommune voll dafür verantwortlich machen, wenn mein Auto Schaden durch ein Schlagloch nimmt?

Nein, der Autofahrer haftet in der Regel mit. Dies sei auf das sogenannte Sichtfahrgebot zurückzuführen, sagt Christian Janeczek, Fachanwalt für Verkehrsrecht in Dresden. Im Klartext heißt das: Ist der Autofahrer zu schnell unterwegs, um vor einem Schlagloch rechtzeitig anhalten zu können, ist er für den Unfall und den daraus resultierenden Schaden mitverantwortlich.

3. Wie groß sind dann die Erfolgsaussichten, nach einem Schlagloch-Unfall Schadensersatz von der Kommune zu erhalten?

Ziemlich schlecht, sagt Frank-Roland Hillmann. "In 95 Prozent der Fälle kann der Kommune nicht nachgewiesen werden, dass sie ihrer Verkehrssicherungspflicht nicht nachgekommen ist. Wenn die Stadt in einem Kontrollbuch die jeweiligen Überprüfungen protokolliert und festhält, dass keine Schäden vorliegen, ist sie meistens auf der sicheren Seite." Es hänge vom jeweiligen Gericht ab, wie genau die Umstände der Kontrollen überprüft werden.

Im Fall von Heilbronn war das Loch von der Stadtverwaltung aufgefüllt, aber nicht wieder überprüft worden. Das Gericht sah die Maßnahmen als nicht ausreichend an und entschied deshalb, dass die Reparaturkosten am Auto von 600 Euro zwischen Kläger und Stadt aufgeteilt werden müssen.

4. Was muss ich als Autofahrer tun, um überhaupt eine Chance auf Schadensersatz zu haben?

"Die Unfallschäden und das Schlagloch müssen auf jeden Fall so umfangreich wie möglich fotografisch dokumentiert werden", sagt Hillmann. Er rät dazu, aus möglichst vielen Perspektiven zu fotografieren und genügend Nahaufnahmen zu machen. "Und zwar sofort, sonst ist das Schlagloch nämlich über Nacht verschwunden." Sei die Möglichkeit gegeben, sollte das Loch außerdem ausgemessen werden.

Je nach Verkehrslage kann es schwierig sein, gute Aufnahmen zu machen: "Wenn sich das Schlagloch auf der linken Fahrspur der Autobahn befindet, sollten sie die Polizei rufen", rät Hillmann. Wichtig sei dabei, sich nicht ausschließlich auf die Dokumentation der Beamten zu verlassen, sondern auch selbst Fotos zu machen. "Wenn für den Unfallhergang ein Gutachter eingeschaltet wird, braucht dieser so viele Details wie möglich", sagt der Anwalt.

5. Wird das Urteil aus Heilbronn dazu führen, dass Kommunen mehr in die Kontrolle und Sanierung der Straßen investieren?

Autofahrer mit einer Rechtsschutzversicherung könnten durch das Urteil ermutigt werden, in ähnlichen Fällen ebenfalls einen Rechtsanwalt einzuschalten, glaubt Volker Lempp vom Automobilclub Europa  (ACE). Für versicherte Autofahrer fallen bei einem Rechtsstreit in der Regel keine Kosten an. Frank-Roland Hillmann macht den Autofahrern jedoch wenig Hoffnung, dass die Straßen nun besser gepflegt werden: "Dazu können sich die Kommunen meist zu sicher fühlen, bei solchen Unfällen nicht belangt zu werden."

Der Deutsche Städtetag in Berlin wollte das Urteil von Heilbronn mit Blick auf andere Kommunen nicht kommentieren. "Es gibt viele vergleichbare Prozesse in anderen Städten, und jedes Urteil hängt von den Gegebenheiten vor Ort ab", sagte eine Sprecherin.

mhu/cst/dpa
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