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Auf Elektroautokauf: Pionier im Promillebereich

Foto: Peugeot

Selbsttest Abgewürgt beim Autokauf

Die Zukunft gehört den Elektroautos, das prophezeien Hersteller und Politiker. Aber was passiert, wenn ein Otto-Normal-Kunde einen der umweltfreundlichen Heilsbringer kaufen will? Der Selbstversuch zeigt: Im Autohaus ist man damit Pionier - aber nicht unbedingt ein willkommener.

Hamburg - Die Bundesregierung hat das Elektrozeitalter auf Deutschlands Straßen ausgerufen. Die Realität ist - noch - eine andere. 2011 wurden hierzulande insgesamt rund 1,3 Millionen Autos privat neu zugelassen. Genau 107 Neuzulassungen entfallen auf Privatleute, die sich ein Elektroauto gekauft haben. Der Marktanteil der von Otto-Normal-Fahrern zugelassenen E-Autos beträgt damit 0,01 Prozent.

Und wie reagieren Autohändler, wenn einer zu diesen 0,01 Prozent gehören will und bei ihnen anklopft?

Die Autoverkäuferin von Renault in Hamburg schaut verlegen. Soeben hat sie erklärt, dass eine Testfahrt mit dem Elektroauto Fluence Z. E. nicht möglich sei. Dabei habe ich den Wagen gesehen, ich bin auf dem Hof an dem elektronischen Hoffnungsträger der Franzosen vorbeigelaufen: eine Limousine in optimistischem Blau, ein Nachfolger des Megane II. Ein richtiges Auto. Ein richtig schönes Auto. Mit Batterie. Aber leider leer. "Wir haben keine Steckdose da, um es aufzuladen", sagt die Verkäuferin. Es gebe zwar eine Ladestation, aber dort hänge schon ein Kangoo Z. E. dran.

So kann es gehen, wenn man im Januar 2012 ein Elektroauto kaufen möchte. Oder zumindest so tut, als ob.

Der Termin war tags zuvor am Telefon vereinbart worden. Erste Frage des Renault-Händlers: "Über welche Firma soll's denn laufen?" Ein Privatkunde, der ein Elektroauto haben will - das ist offenbar das Letzte, womit man im Autohaus rechnet. War ja auch noch nie einer da. Das bestätigt mir die Verkäuferin, als wir, statt auf Testfahrt zu gehen, an ihrem Schreibtisch Platz nehmen.

Wichtiges wird verschwiegen

Und draußen steht saftlos die schicke blaue Elektrolimousine. "Es macht wirklich Spaß, damit zu fahren", sagt sie. Ich hätte gerne das Lenkrad in der Hand gehalten, doch nun habe ich zwei Leasing-Angebote zwischen den Fingern. Schwarz auf weiß steht da, wie ich mir den modernen, aber rund 28.000 Euro teuren Fluence Z. E. leisten kann. Dass ich für das Elektroauto fünf Jahre keine Steuern zahlen muss, verschweigt die Verkäuferin mir.

Wenig später, neues Autohaus, andere Marke: Citroën. Hier bin ich ohne Anmeldung reinspaziert und habe mich nach dem C-Zero erkundigt. Der Kleinwagen wird vom PSA-Konzern ins Rennen um die mobile Zukunft geschickt. "Im ersten Stock steht einer", hatte der Verkäufer im Erdgeschoss gesagt und zu viel versprochen. Als Privatkunde mit Interesse an Elektroautos bin ich auch in dieser Niederlassung ein Pionier. "Wenn ein paar Modelle auf dem Hof parken würden, hätten wir bestimmt viel mehr Interessenten", sagt der Verkäufer leise, "aber versuchen Sie das mal in die Köpfe der Geschäftsführer reinzukriegen".

Der Verkäufer kennt sich immerhin mit Elektroautos aus. "Die Fahrt macht Riesenspaß, und Sie wissen ja: fünf Jahre steuerfrei…." Und wenn ich das Auto kaufen will? "Dann liefern wir in ungefähr drei bis vier Monaten." Das scheint erst einmal lange, aber auch bei Renault hätte ich mich ähnlich gedulden müssen. Und die Wartezeit für Neuwagen mit Benzin- oder Dieselmotor sind meistens nicht viel kürzer. Falls ich eine Probefahrt wünsche, müsste allerdings erst ein Wagen bestellt werden, sagt der Verkäufer und fragt, ob ich nächste Woche wiederkommen möchte. Auf einen spontan verfügbaren Testwagen - wenn er denn elektrisch fahren soll - darf man sich in den Autohäusern scheinbar nicht verlassen.

Space Shuttle auf dem Hinterhof

Noch eine Stichprobe, diesmal bei Peugeot. "Guten Tag, haben Sie den iOn hier?" Der Händler muss den Kollegen fragen: "Haben wir einen?" Ja, hinterm Haus, "hinter dem zweiten Zaun", da könnte einer stehen. Auf dem schmalen Hinterhof entdecke ich den einsamen Stromer, der baugleich mit dem C-Zero von Citroën ist. Er steht zwischen Gebrauchtwagen. Ein Versteck und kein Präsentierteller.

Ich lasse ihn im Regen stehen und plaudere im Autohaus mit einer Dame am Infoschalter. "Bisher haben sich nur Gewerbekunden und die Zeitungsleute nach Elektroautos erkundigt", sagt sie. Das Problem mit den Dingern sei ja, dass man so große Steckdosen zum Laden brauche. "Schon mal damit gefahren?", frage ich. In ihrem Gesicht geht die Sonne auf: "Das ist wie im Space Shuttle!" Spätestens nach dem Besuch bei Peugeot ist mir klar: Wer sich das Serienmodell eines Elektroautos kaufen will, braucht Durchhaltevermögen, denn ermutigt wird man von den Verkäufern nicht gerade. Immerhin sind die Autos verfügbar - wenn man auch die übliche Wartezeit für Neuwagen einzuplanen hat.

Der Apple-Effekt

Vor dem Aufbruch zum letzten Testversuch telefoniere ich mit dem Autoexperten Ferdinand Dudenhöffer. Der ist sich sicher: "Preis und Ladezeit halten die Privatkunden nicht vom Kauf eines Elektroautos ab. Das größte Problem sind die Vorbehalte vor etwas Ungewohntem."

Am Center Automotive Research (CAR) in Duisburg haben er und sein Team deshalb ein repräsentatives Experiment gestartet. Sie ließen 226 Autofahrer Elektroautos Probefahren und erklärten ihnen die Ladetechnik. Mit großen Vorbehalten hätten sich die Testpersonen hinters Steuer gehockt - und seien "euphorisch" wieder ausgestiegen. Bei einer anonymen Befragung hätten anschließend 71 Prozent der Probanden angegeben, beim nächsten Kauf Elektroautos in Betracht zu ziehen.

"Die Menschen wollen das Auto erleben", sagt Dudenhöffer. Er nennt das den Apple-Effekt: Niemand habe vor ein paar Jahren daran gedacht, 500 Euro für ein Handy auszugeben. Dann sei Steve Jobs mit dem iPhone auf die Bühne getreten, und bis Ende 2011 habe Apple 146 Millionen der teuren Geräte verkauft. Das Problem, so Dudenhöffer: "Einen Steve Jobs gibt es in der Autoindustrie nicht."

"Sie meinen heute?"

Bei meinem letzten Besuch in einem Autohaus wird endlich mal nicht nur geredet, ich darf auch hinter dem Steuer eines E-Mobils Platz nehmen. Der Händler führt mich zum Mitsubishi i-MiEV, dem meistverkauften Elektroauto in Deutschland. Der i-MiEV ist wiederum baugleich mit dem C-Zero und dem iOn, die Hersteller kooperieren bei der Produktion. "Ein vollwertiges Auto", sagt der Händler. Der Chef nutze es als Dienstwagen. "Haben Sie schon welche verkauft? - "Sie meinen heute?", fragt er zurück. Der Mann versteht sein Handwerk. Aber ein Privatkunde, das gibt er zu, habe bei ihm noch nie ein Elektroauto erstanden.

Gerne hätte ich Infos aus erster Hand gehabt, ob ein Elektroauto alltagstauglich ist. Aber diese Hoffnung habe ich aufgegeben. In Autohäusern bekommt man die Auskunft jedenfalls nicht - da muss man schon jemanden der 0,01 Prozent kennen.

Wir surren mit dem i-MiEV einmal durch die Ortschaft, leise und durchaus spritzig. Unterwegs räumt der Verkäufer ein, dass der Preis mit rund 34.500 Euro noch sehr hoch sei. Schuld sei die teure Batterie. Vor allem das Lithium, das müsse ja "mit Eimer und Schaufel" in den Anden geschürft werden. In den nächsten zwölf Monaten sei aber eine Preisreduzierung zu erwarten, schließlich werden höhere Stückzahlen produziert.

Das Autohaus habe im neuen Jahr bereits eine Bestellung von 30 i-MiEVs erhalten: Eine Baufirma für Öko-Häuser habe gerade eine neue Siedlung angelegt und wolle jedem Kunden ein E-Mobil zum Einzug zur Verfügung stellen. So kann man auch Privatbesitzer eines Elektroautos werden: Indem man ein Haus kauft.

Die Fahrt im i-MiEV hat Spaß gemacht, so euphorisiert wie Dudenhöffers Elektro-Tester bin ich danach aber nicht. Dafür waren die Unterschiede zu einem normalen Kleinwagen zu gering. Aber das kann man ja auch positiv sehen. Immerhin war ich der Erste.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels hieß es fälschlicherweise, der Anteil der Elektroautos an sämtlichen Neuzulassungen betrüge eine Promille und 0,001 Prozent. Richtig muss es heißen, dass der Anteil der Elektroautos an sämtlichen Neuzulassungen 0,01 Prozent beträgt. Wir haben den Fehler korrigiert und bitten, ihn zu entschuldigen.

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