Gerald Traufetter

Verkehrswende Vergesst das Tempolimit!

Höchstens 130 Kilometer pro Stunde auf der Autobahn? Eigentlich ein sinnvoller Vorschlag - aber nicht der wichtigste. Im Zweifel sollte Vollgas erlaubt bleiben. Hauptsache, die Autoindustrie schafft den Umstieg in das Elektrozeitalter.
Tacho eines Pkw (Symbolbild)

Tacho eines Pkw (Symbolbild)

Foto: imago/Becker&Bredel

Die Autonation ist aufgebracht, seit Tagen schon. Steuern rauf, Tempo runter! Die nächste Zumutung, nach Dieselskandal und Fahrverboten. Öko-Radikale leben scheinbar ihren Verbotswahn aus. Sie fordern ein generelles Tempolimit von 130 Kilometer pro Stunde auf Autobahnen und wollen die Abgabe auf Benzin und Diesel um 52 Cent erhöhen.

Tatsächlich hatte bloß eine Regierungskommission für Klimaschutz im Verkehr ein paar Vorschläge vorbereitet. Doch die Ablehnung reichte vom ADAC über die FDP bis zu Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). Der disqualifizierte die Planspiele der eigenen Expertengruppe als "weder sozial noch wirtschaftlich zu verantworten". Dabei hatte er sich erst gar nicht mit dem Konzept auseinandergesetzt.

Vorschläge sind nützlich für die Autoindustrie

Das enthält so viele gute Vorschläge, dass man auf das Tempolimit gut verzichten könnte. Die Geschwindigkeitsbegrenzung wäre zwar sinnvoll - doch die Debatte darüber hat so hysterische Züge  angenommen, dass sie den Blick auf wirklich wichtige Reformen im Verkehr verstellt.

Die Autoren, darunter Forscher aus der Fraunhofer-Gesellschaft, sehen nicht nur vor, endlich die Treibhausgasemissionen der Autoflotte zu senken. Dafür haben Scheuer und seine Vorgänger bisher viel zu wenig getan.

Zudem wollen die Fachleute die deutsche Autoindustrie stärken. Deren größte Feinde sind nämlich nicht die Deutsche Umwelthilfe oder der Naturschutzbund, sondern ihr größter Feind ist die Konkurrenz aus Kalifornien und China, die an der großen Transformation des Automobils arbeitet. Das schließt den Antrieb ein, der elektrisch sein wird, aber auch autonome Fahrsysteme und eine digitale Vernetzung des Autos.

Fahrer von Geländewagen sollten mehr zahlen

Volkswagen, BMW und Daimler sind in einer dramatischen Lage: Sie müssen dringend Kunden für ihre neuen, elektrischen Autos finden. Die Manager haben das verstanden. VW will in den nächsten Jahren 30 Milliarden Euro in den Bau zukunftsträchtiger Autos investieren. Sonst täten das (fast) ausschließlich die Chinesen. Hunderttausende Deutsche drohte der Verlust ihrer Arbeitsplätze. Es verwundert nicht, dass im Chor jener, die sich über die Vorschläge der Kommission empört haben, eine Gruppe fehlte: die der Autokonzerne.

Die Politik muss ihnen helfen, die neuartigen Autos an den Kunden zu bringen - darauf setzen die Unternehmen: Autos mit Verbrennungsmotoren müssen unattraktiver werden - und solche, die in die neue Welt passen, attraktiver.

Höherer Spritpreis ist nicht unsozial

Dazu schlagen die Experten höhere Steuern auf Benzin und Diesel sowie satte Prämien für Elektroautos vor. Was liegt näher, als dieses Geld von Autofahrern zu kassieren, die spritschluckende Geländewagen kaufen?

Im Jahr 2030 - wenn die Reformen ihre volle Wirkung entfalten sollen - ist eine solche Politik nicht unsozial. Der Automarkt wird anders aussehen. Es wird elektrische und halbelektrische Autos geben - auch billige Gebrauchte -, die keinen oder wenig Sprit brauchen. Den Fahrern dieser Autos werden höhere Spritsteuern nichts ausmachen.

Heute muss die Bundesregierung dem Autovolk schnell erklären, vor welchen Umwälzungen die Branche steht. Und dass sich das Mobilitätsverhalten der Bürger ändern wird.

Tempolimit bringt dem Klima nicht viel

Das Tempolimit ist in diesem Konzept ein Baustein von vielen. Der Gewinn fürs Klima ist im Vergleich zu anderen Maßnahmen nicht groß. Ein bis zwei Millionen Tonnen Treibhausgase könnten eingespart werden, bei einer Gesamtreduktion von rund 54 Millionen Tonnen CO2.

Die Geschwindigkeitsbegrenzung könnte also auch fallen gelassen werden, wenn die Bürger andere Pläne der Klimakommission unterstützen. Zumal der Traum vom schnellen Fahren zunehmend eine Illusion ist. Je mehr Menschen mit dem Auto unterwegs sind, desto seltener lässt sich auf Tempo 200 und mehr beschleunigen.

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