Leistungsexzesse bei Elektroautos Der Supertrumpf im Autoquartett
Der Trend bei der E-Mobilität geht zum automobilen Superlativ. Hochgezüchtete Elektroflitzer werden zur Übergangsdroge. Doch das Konzept geht nicht auf.
Wenn von der Mobilitätswende die Rede ist, schwingt fast immer ein Subtext von Verzicht mit. Elektroautos, heißt es, stünden für eine neue, nachhaltige Mobilität. Eine, bei der nicht grenzenlos Ressourcen verbrannt, sondern klug und vernünftig gehaushaltet wird.
Und dann kommt ein Tesla-Truck um die Ecke.
Viele Elektroautos, die aktuell vorgestellt werden, sind eher kein Synonym für Vernunft. Volvos Tochtermarke Polestar hat gerade ihr erstes Modell vorgestellt, den Hybrid-Sportwagen Polestar 1. Das Datenblatt liest sich wie der Supertrumpf im Autoquartett: Vier Motoren treiben das Coupé an: Ein Vierzylinder-Verbrenner mit 309 PS, zwei E-Motoren mit zusammen 232 PS, der Starter Generator steuert 68 PS bei. Laufen alle vier Motoren mit Volllast, wirken 1000 Newtonmeter auf die Antriebswelle. In 4,2 Sekunden stürmt der Polestar von 0 auf 100 und erreicht eine maximale Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h.
Schnelligkeit, Potenz und Größe als Maßstab
Der Plug-in-Hybrid ist ein Beispiel dafür, wie bei der E-Mobilität mit alten Werten aufs Vergnügungskonto eingezahlt wird - allerdings nicht nur beim Polestar 1, auch bei den Modellen anderer Hersteller. Nicht Nachhaltigkeit ist der entscheidende Maßstab, sondern Schnelligkeit, Potenz und Größe.
Kürzlich stellte Elon Musk seinen ersten vollelektrischen Pick-up vor. Der Tesla-Truck ist ein Ungetüm, groß und kantig. Was Firmenchef Elon Musk besonders freute: Das Nutzfahrzeug (!) beschleunigt schneller als ein Porsche 911. Auch bei Ford geht der Trend zu Überproportionalität. Der Hersteller kündigt mit dem Mustang Mach-E für 2020 einen leistungsstarken Elektro-SUV an.
Wir erleben aktuell im E-Segment eine Tendenz zum automobilen Superlativ. Um die Zielgruppe lustvoller Schnellfahrer zu erreichen, wird am Wachstumsgedanken festgehalten, jede Auto-Generation muss die vorherige effektvoll übertreffen. Je mehr Leistung, desto besser.
Kalter Entzug von den Reizen der alten Autowelt
Dabei stellt sich die Frage, ob Nachhaltigkeit und Höchstleistung generell in einem Produkt zusammenkommen können. Einen faden Beigeschmack behält diese Kombination am Ende vielleicht auch für die Käufer: Sie wissen eigentlich, dass derartige Exzesse nicht nachhaltig sein können. Aber sie sind noch nicht so weit, davon zu lassen.
Auch wenn mittlerweile die wenigsten Autofahrer zusammenzucken, wenn sie das Wort "E-Motor" hören, sind viele Kunden noch weit entfernt davon, das eigene Kaufverhalten anzupassen. Ein Umstieg in ein Auto, das sich primär der Nachhaltigkeit verpflichtet - also klein, leicht, frugal ist -, wäre ein kalter Entzug von den Reizen der alten Autowelt. Insofern muss man die hochgezüchteten Elektroflitzer vielleicht einfach wie eine Ersatz- oder zumindest Übergangsdroge betrachten.